Entscheidungsstichwort (Thema)

Eingruppierung einer Musikschullehrerin

 

Leitsatz (amtlich)

  • Wird mit einer in Teilzeitarbeit beschäftigten Musikschullehrerin nur eine Stundenvergütung vereinbart, so ist die Vergütungsabrede unwirksam, wenn die Stundenvergütung geringer ist als die anteilmäßige Vergütung für Vollzeitbeschäftigte.
  • Es stellt nach dem Tarifvertrag für Musikschullehrer keinen sachlichen Grund dar, teilzeitbeschäftigte Musikschullehrer geringer zu vergüten, wenn sie nur eine künstlerische, aber keine pädagogische Ausbildung haben. Insoweit differenziert der Tarifvertrag nicht.
  • War der Musikschullehrer vor seiner Anstellung als freier Mitarbeiter beschäftigt, so rechnet diese Zeit bei der Bemessung der Bewährungszeit nicht mit.
 

Normenkette

BeschFG 1985 Art. 1 § 2 Abs. 1; BGB §§ 134, 612 Abs. 2; BAT Anlage 1a Angestellte an Musikschulen (VKA)

 

Verfahrensgang

LAG Schleswig-Holstein (Urteil vom 23.06.1992; Aktenzeichen 2 Sa 557/91)

ArbG Elmshorn (Urteil vom 01.10.1991; Aktenzeichen 1 c Ca 58/91)

 

Tenor

  • Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein vom 23. Juni 1992 – 2 Sa 557/91 – aufgehoben, soweit es den Klageantrag zu 1. abgewiesen hat.
  • Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Elmshorn vom 1. Oktober 1991 – 1c Ca 58/91 – soweit es den Klageantrag zu 1. abgewiesen hat und in der Kostenentscheidung abgeändert:

    Es wird festgestellt, daß die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin ab 1. April 1991 anteilige Vergütung nach der VergGr. IVb BAT für die Dauer ihrer Beschäftigung zu zahlen.

  • Im übrigen wird die Revision zurückgewiesen.
  • Von den Kosten des Rechtsstreits 1. Instanz trägt die Beklagte 3/4 und die Klägerin 1/4. Von den Kosten der Berufung und der Revision hat die Beklagte 5/9 und die Klägerin 4/9 zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten in der Revisionsinstanz nur noch über die Berechnung der Bewährungszeit der Klägerin, die Einhaltung der Ausschlußfrist für die Geltendmachung des Vergütungsanspruches für April 1989 und einen Anspruch der Klägerin auf vermögenswirksame Leistungen.

Die Klägerin war vom 5. September 1979 bis zum 28. Februar 1986 aufgrund eines Honorarvertrages für die als unselbständige öffentliche Einrichtung der Beklagten betriebene Musikschule tätig. Mit Wirkung vom 1. März 1986 schlossen die Parteien einen schriftlichen Arbeitsvertrag, nach dem die Klägerin als Musikschullehrerin für den Fachbereich Gesang/Klavier angestellt und “im Rahmen des jeweiligen Stundenplans beschäftigt” wurde. Die Vergütung erfolgte nach den “Richtlinien” der Vereinigung der Kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) zur Regelung der Rechtsverhältnisse der nicht unter den BAT fallenden Musikschullehrer. Die in der Folgezeit von der Klägerin vereinbarungsgemäß geleistete wechselnde Anzahl von Arbeitsstunden pro Woche wurde mit den in den Richtlinien festgelegten Sätzen pro Stunde bezahlt.

Mit Schreiben vom 28. August 1991 teilte die Beklagte der Klägerin mit, aufgrund des am 1. April 1991 in Kraft getretenen 66. Tarifvertrages zur Änderung des Bundes-Angestelltentarifvertrages erhalte sie ab 1. April 1991 Vergütung nach der VergGr. Vb BAT.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, sie habe bereits ab 1. April 1989 Anspruch auf anteilige Vergütung aus der VergGr. IVb BAT, da ihre Tätigkeit die Merkmale der VergGr. Vb Fallgruppe 1 BAT erfülle und sie sich fünf Jahre lang bewährt habe. Ihren entsprechenden Zahlungsanspruch hat sie mit Schreiben vom 19. Oktober 1989 geltend gemacht. Die Klägerin hat weiterhin vorgetragen, sie habe auch Anspruch auf anteilige vermögenswirksame Leistungen in Höhe von insgesamt 193,10 DM.

Die Klägerin hat, nachdem das Arbeitsgericht von ihr weiterhin geltend gemachte Ansprüche zugesprochen hat, zuletzt beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Elmshorn vom 1. Oktober 1991 die Beklagte zu verurteilen,

  • die Klägerin für die Zeit ab dem 1. April 1991 anteilig nach der VergGr. IVb BAT zu vergüten und
  • an die Klägerin 3.809,56 DM brutto zuzüglich 4 % Zinsen seit dem 1. Januar 1991 zu zahlen.

    hilfsweise,

    die Beklagte zu verurteilen, weitere 6.705,07 DM brutto rückständige Vergütung für die Zeit von April 1991 bis Januar 1992 an die Klägerin zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, die fünfjährige Bewährungszeit der VergGr. IVb Fallgruppe 2 habe erst am 1. April 1991 begonnen. Unter Einschluß ihrer Tätigkeit als Honorarkraft sei die Klägerin zwar länger als fünf Jahre für die Musikschule tätig geworden, jedoch müsse Berücksichtigung finden, daß sie seit Beginn ihrer Tätigkeit zu keinem Zeitpunkt einer Vollzeitbeschäftigung bei der Beklagten nachgegangen sei. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sei es gerechtfertigt, einer teilzeitbeschäftigten Angestellten die tarifliche Bewährungszeit nur zu dem Teil anzurechnen, der ihrer persönlichen Arbeitszeit im Verhältnis zur Arbeitszeit einer vollbeschäftigten Arbeitnehmerin entspreche. Es könne deshalb im vorliegenden Fall dahingestellt bleiben, welche Tätigkeitszeiten der Klägerin als Bewährungszeit anzurechnen seien. Selbst wenn alle Zeiten ab 1979 eingerechnet würden, hätte die Klägerin die Bewährungszeit noch nicht erfüllt.

Restzahlungsansprüche für den Monat April 1989 ständen der Klägerin schon deshalb nicht zu, weil sie einen entsprechenden Anspruch erst mit Schreiben vom 19. Oktober 1989 geltend gemacht habe. Zu diesem Zeitpunkt seien gem. § 70 BAT die am 15. April 1989 fällig gewordenen Vergütungsansprüche verfallen. Ein Anspruch auf rückständige vermögenswirksame Leistungen bestehe nicht, denn die Klägerin habe ihr nicht Art und Kontonummer der Anlage mitgeteilt.

Das Arbeitsgericht hat die Klage insoweit abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin diesen Klageanspruch weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

I. Die Revision ist zum überwiegenden Teil begründet. Lediglich wegen der Vergütungsdifferenz für April 1989 und der geltend gemachten vermögenswirksamen Leistungen besteht kein Anspruch der Klägerin.

II. Die Klägerin hat Anspruch auf anteilige Vergütung entsprechend der VergGr. IVb Fallgruppe 2 BAT seit dem 1. April 1991 (Antrag zu 1).

1.a) Das Arbeitsverhältnis der Klägerin unterlag wegen der geringen Zahl der von ihr zu erteilenden Unterrichtsstunden, jedenfalls in dem Zeitraum bis zum 31. März 1991, nicht dem BAT. Die Parteien haben aber im Arbeitsvertrag vom 1. März 1986 die Anwendung der Richtlinien der Vereinigung der Kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) für die im Angestelltenverhältnis beschäftigten Musikschullehrer und Leiter von Musikschulen (Musikschullehrer-Richtlinien) in ihrer jeweils geltenden Fassung auf das Arbeitsverhältnis vereinbart (§ 2 des Arbeitsvertrages). Unter III dieser Richtlinien in der Fassung vom 18. September 1987 ist eine Einzelstundenvergütung bzw. Monatsstundenvergütung vorgesehen.

b) Diese im Arbeitsvertrag getroffene Vergütungsabrede auf der Basis von Monatsstunden verstößt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts wegen der dadurch erfolgten Benachteiligung von Teilzeitkräften gegen Art. 1 § 2 Abs. 1 BeschFG 1985 und ist daher gem. § 134 BGB nichtig (vgl. BAGE 61, 43, 46 = AP Nr. 2 zu § 2 BeschFG 1985; BAG Urteil vom 25. September 1991 – 4 AZR 631/90 – AP Nr. 13 zu § 2 BeschFG 1985, jeweils m.w.N.). An die Stelle der nichtigen Vergütungsvereinbarung tritt die übliche Vergütung (§ 612 Abs. 2 BGB), d.h. die anteilmäßige Vergütung, die der Arbeitgeber seinen vollzeitbeschäftigten Lehrkräften gewährt. Diese werden jedoch üblicherweise zumindest aufgrund arbeitsvertraglicher Vereinbarungen nach dem BAT, hier dem Tarifvertrag zur Änderung der Anlage 1a zum BAT (Musikschullehrer) vom 20. Februar 1987 vergütet. Danach ist dieser Tarifvertrag auch für die Vergütung der Klägerin heranzuziehen.

c) Zu Unrecht meint die Revision, diese Rechtsprechung sei hier deshalb nicht einschlägig, weil die Klägerin keine pädagogische Ausbildung und Qualifikation habe, sondern nur eine künstlerische Qualifikation. Dies greift nicht durch, weil weder die Musikschullehrer-Richtlinien noch der entsprechende Tarifvertrag vom 20. Februar 1987 bei der Eingruppierung der Musikschullehrer nach der Ausbildung und/oder pädagogischen Qualifikation unterscheiden. Sie gelten vielmehr nach der ausdrücklichen Regelung in § 1 des TV Musikschullehrer für alle Angestellten als Musikschullehrer an Musikschulen. Nach der Protokollerklärung Nr. 1 reicht darüber hinaus für die Eingruppierung als Musikschullehrer sowohl eine künstlerische Qualifikation allein als auch diese verbunden mit einer pädagogischen Qualifikation aus. Damit liegt aber kein sachlicher Grund für eine unterschiedliche Behandlung der Klägerin gegenüber den vollzeitbeschäftigten Musikschullehrern der Beklagten vor.

2.a) Für die Vergütung der Klägerin sind folgende Merkmale des genannten Tarifvertrages von Bedeutung:

Vergütungsgruppe Vb

Musikschullehrer mit entsprechender Tätigkeit

Vergütungsgruppe IVb

  • Musikschullehrer mit entsprechender Tätigkeit nach fünfjähriger Bewährung in VergGr. Vb Fallgruppe 1.

Weiterhin ist von Bedeutung folgende Vorschrift dieses Tarifvertrages:

§ 2 Übergangsvorschrift

  • Soweit die Eingruppierung von einer Bewährungszeit abhängt, werden bei den unter diesen Tarifvertrag fallenden Angestellten vor dem 1. März 1987 zurückgelegte Zeiten so berücksichtigt, wie sie zu berücksichtigen wären, wenn dieser Tarifvertrag bereits gegolten hätte.

Nach dem übereinstimmenden Vortrag der Parteien erfüllt die Klägerin die Tarifmerkmale der VergGr. Vb Fallgruppe 1 BAT nämlich “Musikschullehrer mit entsprechender Tätigkeit”. Danach hatte sie spätestens mit Inkrafttreten des Tarifvertrages zur Änderung der Anlage 1a zum BAT (Musikschullehrer) vom 20. Februar 1987 am 1. März 1987 Anspruch auf Vergütung nach der VergGr. Vb Fallgruppe 1 BAT.

b) Nach § 2 Abs. 2 dieses Tarifvertrages ist aber auch die Zeit ab 1. März 1986, dem Zeitpunkt des Abschlusses eines Arbeitsvertrages zwischen den Parteien, in die Bewährungszeit miteinzurechnen. Nachdem das Beschäftigungsförderungsgesetz im Mai 1985 in Kraft getreten war, war die Vereinbarung einer Vergütung nach den VKA-Musikschullehrer-Richtlinien bereits mit Abschluß des Arbeitsvertrages am 1. März 1986 nichtig und die Klägerin bereits ab diesem Zeitpunkt wegen der Berechnung der Bewährungszeit so zu stellen, als ob der Tarifvertrag bereits gegolten hätte. Damit lief aber die Bewährungszeit ab dem 1. März 1986 und war am 28. Februar 1991 abgelaufen, ohne Rücksicht darauf, ob auch die vorangegangenen Zeiten als Honorarkraft mit anzurechnen sind oder nicht.

Damit ist der Feststellungsantrag unter 1) begründet.

III.1. Die Klage ist jedoch unbegründet, soweit die Klägerin Vergütung aus der VergGr. IVb Fallgruppe 2 BAT für die Zeit ab Mai 1989 bis März 1991 im Wege eines Zahlungsantrages geltend macht. Nach dem unstreitigen Vortrag beider Parteien war die Klägerin zwar seit dem 5. September 1979 bis zum 28. Februar 1986 gleichbleibend als Musikschullehrerin tätig, jedoch nur auf der Grundlage eines Honorarvertrages. Ein Arbeitsverhältnis bestand während dieser Zeit nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht. Der Tarifvertrag stellt für den Bewährungsaufstieg in den Tätigkeitsmerkmalen auf eine jeweils fünfjährige Bewährung in einer bestimmten Vergütungs- und Fallgruppe ab. Daher können auch nur solche Zeiten angerechnet werden, die in einem unter den BAT fallenden Arbeitsverhältnis in einer Tätigkeit zurückgelegt worden sind, die der in dem jeweiligen Tätigkeitsmerkmal geforderten entspricht. Entsprechend werden auch nach § 23a BAT grundsätzlich nur in einem Angestelltenverhältnis zurückgelegte Bewährungszeiten angerechnet. Tätigkeiten auf der Grundlage eines Honorarvertrages sind aber keine Tätigkeiten in einem Arbeitsverhältnis und können dem auch nicht gleichgestellt werden, weil ihnen schon das Element der Abhängigkeit fehlt (vgl. zum ganzen Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese, BAT, VergO VKA Anm. 1 IIIb zu Teil II VKA Musikschullehrer S. 757). Es ist aber nicht sachfremd, Tätigkeiten in einem freien Mitarbeiterverhältnis nicht auf die Bewährungszeit anzurechnen. Eine Honorarkraft unterliegt aufgrund ihres Mitarbeitervertrages nur geringeren Weisungen als eine angestellte Lehrkraft. Die Tarifvertragsparteien waren daher berechtigt, Tätigkeitszeiten als Honorarkraft auszunehmen. Anhaltspunkte dafür, daß der Mitarbeitervertrag zur Umgehung eines Arbeitsverhältnisses vereinbart worden wäre, sind nach den nicht angefochtenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht gegeben.

Auf die Frage, ob die Klägerin die Vergütungsdifferenz für den April 1989 rechtzeitig geltend gemacht hat, kommt es danach nicht mehr an.

2. Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf vermögenswirksame Leistungen in Höhe von 193,10 DM. Wie zwischen den Parteien unstreitig ist, hat die Klägerin der Beklagten nicht schriftlich die Art der gewählten Anlage mitgeteilt und nicht angegeben, auf welches Konto bei welchem Unternehmen oder Institut die vermögenswirksame Leistung gezahlt werden solle. Diese Angaben sind aber nach § 3 des Tarifvertrages über vermögenswirksame Leistungen an Angestellte vom 17. Dezember 1970 Voraussetzung für einen Anspruch auf vermögenswirksame Leistungen.

IV. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO .

 

Unterschriften

Schaub, Dr. Wißmann, Schneider, Grätz, Kiefer

 

Fundstellen

Haufe-Index 848131

BB 1993, 2532

NZA 1994, 133

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