Entscheidungsstichwort (Thema)
Eingruppierung von Kunsterzieher
Orientierungssatz
Eingruppierung von Lehrer mit Ausbildung in England nach BAT Anl 1a VergGr IIb; Gleichbehandlung.
Normenkette
BAT Anlage 1a; BAT § 22 Fassung: 1975-03-17
Verfahrensgang
LAG Schleswig-Holstein (Entscheidung vom 19.12.1986; Aktenzeichen 6 Sa 311/86) |
ArbG Kiel (Entscheidung vom 20.03.1986; Aktenzeichen 2a Ca 83/86) |
Tatbestand
Der 52 Jahre alte Kläger, der englischer Staatsangehöriger ist, steht seit dem 1. Mai 1968 als Lehrer in den Diensten des beklagten Landes. Er ist in England zum Lehrer ausgebildet worden. Seine Ausbildung umfaßte folgende Abschnitte:
- Nach dem Realschulabschluß Studium an der
"St. Albans School of Art" abgeschlossen
mit dem "National Diploma of Design"
- Erwerb des "General Certificate of Education"
an der Universität London im "Ordinary-"
und "Advanced Level" und
- des akademischen Grades "Art Teachers
Diploma" nach einjähriger Lehrerausbildung
an der Universität Durham.
Im Arbeitsvertrag vom 29. April 1968 haben die Parteien vereinbart:
"§ 2
Das Arbeitsverhältnis bestimmt sich nach
a) dem Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT)
vom 23. Februar 1961 (Amtsbl. Schl.-H. S.
155) und den diesen ergänzenden oder ändernden
Tarifverträgen
sowie
b) dem Erlaß des Kultusministers über die
Vergütung der im Angestelltenverhältnis
beschäftigten Lehrkräfte vom 23. September
1966 (NBl. KM.Sch.-H. S. 289) und
den diesen ergänzenden oder ändernden Erlassen."
Seit dem 1. August 1975 erteilt der Kläger am L-Gymnasium in N Unterricht in den Fächern Kunst und Werken. Er erhält hierfür Vergütung nach VergGr. IV a BAT.
Mit der Klage begehrt der Kläger für die Zeit ab 12. April 1983 Vergütung nach VergGr. II b BAT. Er ist der Auffassung, nach den Eingruppierungsrichtlinien des beklagten Landes stehe ihm die begehrte Vergütung zu, da die von ihm absolvierte Ausbildung der eines Kunsterziehers nach einem mindestens sechssemestrigen Studium an einer Kunsthochschule oder Kunstakademie mit erfolgreichem Abschluß der künstlerischen Prüfung für das Lehramt an Gymnasien entspreche. Ausbildungsinhalte und Lernziele stimmten im wesentlichen überein. Mit seiner Ausbildung habe er die Berechtigung erworben, an englischen Primarschulen, vergleichbar deutschen Gymnasien, im Fach Kunst Unterricht zu erteilen. Da er seit Jahren, wie seine deutschen Kollegen, eine entsprechende Tätigkeit an Gymnasien ausübe, verstoße es gegen den Sinn und Zweck der einschlägigen Bestimmungen, ihn von der begehrten Gehaltseinstufung auszuschließen. Die Ungleichbehandlung gegenüber deutschen Lehrern sei sachlich nicht gerechtfertigt.
Der Kläger hat beantragt
festzustellen, daß das beklagte Land verpflichtet
ist, an den Kläger ab 12. April
1983 die Vergütung nach den Sätzen der
VergGr. II b BAT zu zahlen.
Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen. Es hat vorgetragen, dem Kläger stehe der geltend gemachte Anspruch nicht zu. Aus einer Stellungnahme des Sekretariats der Ständigen Konferenz der Kultusminister ergebe sich, daß der Kläger nicht die ausbildungsmäßigen Voraussetzungen für eine Eingruppierung in die von ihm begehrte Vergütungsgruppe erfülle. Der formale Nachweis einer bestimmten Aus- und Vorbildung werde nach den Eingruppierungsrichtlinien gefordert, um einen bestimmten Qualitätsstandard der Tätigkeit eines Lehrers zu gewährleisten. Dies rechtfertige es, bei der Eingruppierung von Lehrern Unterschiede ohne Rücksicht darauf zu machen, ob sich die unterschiedliche Ausbildung im Einzelfall tatsächlich auf die Qualität der Arbeit auswirke. Darüber hinaus sei der Kläger auch nur begrenzt einsetzbar und in seiner Tätigkeit mit einem Studienrat nicht vergleichbar.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen.
Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Klageantrag weiter. Das beklagte Land beantragt Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben die Klage im Ergebnis mit Recht abgewiesen. Das beklagte Land ist nicht verpflichtet, dem Kläger Vergütung nach VergGr. II b BAT zu gewähren. Denn nach den auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren Eingruppierungsrichtlinien des Kultusministers erfüllt der Kläger nicht die dort festgesetzten Tätigkeitsmerkmale der VergGr. II b BAT.
Ein tariflicher Anspruch des Klägers auf Vergütung nach VergGr. II b BAT besteht nicht, da nach der Vorbemerkung Nr. 5 zu allen Vergütungsgruppen der Anlage 1 a zum BAT die Anlage 1 a nicht für Angestellte gilt, die als Lehrkräfte beschäftigt sind, soweit nicht ein besonderes Tätigkeitsmerkmal vereinbart ist. Ein besonderes tarifliches Tätigkeitsmerkmal für die Tätigkeit des Klägers als Lehrer in den Fächern Kunst und Werken an einem Gymnasium besteht nicht.
Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden jedoch die jeweils geltenden Eingruppierungsrichtlinien des Kultusministers des beklagten Landes als Vertragsrecht Anwendung. Denn die Parteien haben im schriftlichen Arbeitsvertrag ausdrücklich vereinbart, daß sich das Arbeitsverhältnis nach dem Erlaß des Kultusministers über die Vergütung der im Angestelltenverhältnis beschäftigten Lehrkräfte vom 23. September 1966 und den diesen ergänzenden oder ändernden Erlassen bestimmt. Das ist rechtlich unbedenklich zulässig (BAGE 46, 292, 308 = AP Nr. 93 zu §§ 22, 23 BAT 1975; BAG Urteil vom 13. Februar 1985 - 4 AZR 304/83 -, AP Nr. 13 zu §§ 22, 23 BAT Lehrer). Die entsprechende Vereinbarung der Parteien ist vorliegend auf einem allgemein in der Schulverwaltung des beklagten Landes verwendeten Vordruck getroffen worden, so daß ein "typischer Arbeitsvertrag" vorliegt, den der Senat unbeschränkt und selbständig auslegen kann (BAGE 35, 7, 13 = AP Nr. 3 zu § 19 TV Arb Bundespost; BAG Urteil vom 13. Februar 1985 - 4 AZR 304/83 -, AP Nr. 13 zu §§ 22, 23 BAT Lehrer). Die vorliegende Vereinbarung der Parteien ist dahin auszulegen, daß dem Kläger nicht nur die im Arbeitsvertrag vorgesehene, sondern auch eine höhere Vergütung zustehen soll, sofern er die in den Eingruppierungsrichtlinien genannten Voraussetzungen erfüllt. Dann sind die Eingruppierungsrichtlinien vom Revisionsgericht unbeschränkt und selbständig auszulegen (BAG Urteil vom 13. Februar 1985, aaO).
Nach den maßgebenden Eingruppierungsrichtlinien des Kultusministers des beklagten Landes erfüllt der Kläger nicht die Voraussetzungen für eine Eingruppierung in die VergGr. II b BAT. Da der Kläger nicht in der Bundesrepublik Deutschland ausgebildet wurde und hier auch nicht seine Lehrerprüfungen ablegte, erfüllt er nicht die Voraussetzungen für die Einstellung in das Beamtenverhältnis auf Probe. Daher ist er nach §§ 2, 3 des Erlasses des Kultusministers über die Vergütung der im Angestelltenverhältnis beschäftigten Lehrkräfte in der Fassung vom 11. August 1971, die seitdem nicht geändert wurde, nach den Tätigkeitsmerkmalen der Anlage 1 unter Berücksichtigung der Anlage 2 zum Erlaß einzugruppieren. Danach kommen für die Eingruppierung des Klägers allein die Tätigkeitsmerkmale des Abschnitts B Unterabschnitt d Fallgruppen 6, 9 und 10 der Anlage 1 zum Erlaß in Betracht, die Lehrkräfte an Gymnasien betreffen und wie folgt lauten:
Fallgruppe 6
Kunsterzieher,
die nach einem mindestens 8-semestrigen
Studium an einer Kunsthochschule oder
Kunstakademie zum Meisterschüler ernannt
worden sind
oder
nach einem mindestens 6-semestrigen Studium
an einer Kunsthochschule oder Kunstakademie
den künstlerischen Teil der
Künstlerischen Prüfung für das Lehramt
am Gymnasium abgelegt haben, mit entsprechender
Tätigkeit II b
Fallgruppe 9
Kunsterzieher oder Musikerzieher
ohne Ausbildung nach Fallgruppe 6, Fallgruppe
7 oder Fallgruppe 8 mit anderweitiger
Ausbildung und besonderen künstlerischen
Fähigkeiten und Erfahrungen IV b
nach mindestens 6-jähriger Bewährung
in dieser Tätigkeit und in dieser Vergütungsgruppe
IV a
(Die Entscheidung über die Eingruppierung
dieser Lehrer trifft die oberste
Landesbehörde.)
Fallgruppe 10
Kunsterzieher oder Musikerzieher,
die nicht unter die Fallgruppen 6 bis
9 fallen V b
nach mindestens 6-jähriger Bewährung
in dieser Tätigkeit und in dieser Vergütungsgruppe
IV b
Die Voraussetzungen für die Eingruppierung in die von dem Kläger begehrte VergGr. II b BAT sind in Fallgruppe 6 geregelt. Nach der ersten Alternative sind in die VergGr. II b BAT Kunsterzieher eingruppiert, die nach ihrem Studium zu Meisterschülern ernannt worden sind. Diese Voraussetzung erfüllt der Kläger unstreitig nicht. Die zweite Alternative der Fallgruppe 6 erfordert ein mindestens sechssemestriges Studium an einer Kunsthochschule oder Kunstakademie und die Ablegung des künstlerischen Teils der künstlerischen Prüfung für das Lehramt an Gymnasien. Der Begriff des Gymnasiums nimmt auf das deutsche Schulwesen Bezug. Die künstlerische Prüfung für das Lehramt an Gymnasien ist in den Gesetzen der Bundesländer geregelt und betrifft damit die Prüfung für das Lehramt an einem Gymnasium in der Bundesrepublik Deutschland. Eine solche Prüfung hat der Kläger nicht abgelegt.
Entgegen der Auffassung des Klägers und wohl auch des Landesarbeitsgerichts ist es unerheblich, ob er in England eine der Prüfung im Sinne der Fallgruppe 6 gleichwertige Prüfung und Ausbildung erlangt hat. Denn eine solche gleichwertige Prüfung und Ausbildung reicht für die Eingruppierung in die Fallgruppe 6 nicht aus. Andernfalls hätte der Erlaß in die Fallgruppe 6 sonstige Lehrer mit gleichwertigen Fähigkeiten und entsprechender Tätigkeit einbezogen, wie dies im öffentlichen Dienst häufig der Fall ist. So sind auch in den Richtlinien der Tarifgemeinschaft deutscher Länder über die Eingruppierung der im Angestelltenverhältnis beschäftigten Lehrkräfte in der Fassung vom 1. Juli 1983 im Abschnitt B Unterabschnitt I Fallgruppe 2 ausländische Lehrer an Grund- oder Hauptschulen mit voller Lehrbefähigung nach dem Recht ihres Heimatlandes sowie im Unterabschnitt III Fallgruppe 2 ausländische Lehrer an Sonderschulen ausdrücklich erwähnt. Die Beschränkung der Fallgruppe 6 auf innerstaatliche Prüfungen entspricht auch dem bei der Tarifauslegung zu beachtenden Grundsatz, daß dann, wenn sich aus dem Tarifwortlaut und tariflichen Gesamtzusammenhang nichts anderes ergibt, die Tarifvertragsparteien allgemein gebräuchliche und anerkannte Rechtsbegriffe nur in ihrer für die innerstaatliche Rechtsordnung geltenden Bedeutung wiedergeben und angewendet wissen wollen (vgl. BAGE 42, 231, 235 = AP Nr. 71 zu §§ 22, 23 BAT 1975; BAGE 34, 172, 182 = AP Nr. 7 zu §§ 22, 23 BAT Lehrer).
Eine Eingruppierung des Klägers in die VergGr. II b BAT im Wege der Lückenausfüllung in Anlehnung an die Fallgruppe 6 kommt nicht in Betracht. Denn in Fallgruppe 9 ist für Kunsterzieher "mit anderweitiger Ausbildung", wozu auch die Ausbildung des Klägers in England gezählt werden kann, eine Eingruppierung ausdrücklich vorgesehen, und zwar nach VergGr. IV b BAT, wenn sie besondere künstlerische Fähigkeiten und Erfahrungen besitzen, und nach VergGr. IV a BAT nach mindestens sechsjähriger Bewährung in dieser Tätigkeit. Danach wird der Kläger vergütet, so daß das beklagte Land dem Kläger sowohl das Merkmal einer anderweitigen Ausbildung als auch die Qualifikation der besonderen künstlerischen Fähigkeiten und Erfahrungen zuerkennt. Ohne diese besonderen Fähigkeiten wäre der Kläger nach Fallgruppe 10 nur nach VergGr. V b bzw. nach sechsjähriger Bewährung nach VergGr. IV b BAT zu vergüten. Da die Eingruppierungsrichtlinien für den Kläger als Kunsterzieher hier spezielle Tätigkeitsmerkmale in Fallgruppe 9 vorsehen, kann insoweit von einer Lücke in den Eingruppierungsrichtlinien nicht die Rede sein.
Gegen die Zulässigkeit einer Eingruppierungsregelung, die - wie vorliegend - die Höhe der Vergütung vom Nachweis einer ganz bestimmten Berufsbefähigung abhängig macht und für anderweitige Ausbildungen bei gleicher Tätigkeit nur eine niedrigere Vergütung vorsieht, bestehen keine Bedenken. Dies ist eine in den Tarifverträgen des öffentlichen Dienstes übliche und nach der Senatsrechtsprechung unbedenklich zulässige Verfahrensweise (vgl. BAGE 39, 124, 129 = AP Nr. 8 zu §§ 22, 23 BAT Lehrer; BAGE 42, 239, 243 = AP Nr. 72 zu §§ 22, 23 BAT 1975; BAG Urteil vom 18. Mai 1983 - 4 AZR 539/80 -, AP Nr. 74 zu §§ 22, 23 BAT 1975). Schon aus Gründen der Praktikabilität und Rechtssicherheit brauchen Tarifvertragsparteien nicht jeweils darauf Bedacht zu nehmen, ob entsprechende Fähigkeiten und Erfahrungen auch auf andere Weise erworben werden können oder der Nachweis einer außerhalb der Bundesrepublik Deutschland erworbenen Berufsbefähigung wegen der Gleichartigkeit der Verhältnisse eine entsprechende tarifliche Bewertung rechtfertigen könnte (vgl. BAG Urteil vom 24. September 1986 - 4 AZR 379/85 -, ZTR 1987, 24). Insoweit bestehen auch vorliegend nach dem Grundsatz der Vertragsfreiheit keine Bedenken, wenn ein Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes einzelvertraglich vereinbarte Eingruppierungsrichtlinien nach solchen Grundsätzen gestaltet.
Das beklagte Land ist auch nicht verpflichtet, die in einem Mitgliedsstaat der EG absolvierte Ausbildung als gleichwertig im Sinne der Fallgruppe 6 anzuerkennen und entsprechend zu vergüten. Es fehlt insoweit an einer gesetzlichen Regelung. Auch in dem Gesetz vom 23. Oktober 1969 zu dem europäischen Übereinkommen vom 14. Dezember 1959 über die akademische Anerkennung von akademischen Graden und Hochschulzeugnissen (BGBl. II, S. 2057) ist eine Gleichstellung ausländischer mit deutschen Hochschulabschlußprüfungen nicht vorgesehen.
Ein Verstoß des beklagten Landes gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 GG kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil es vorliegend nicht um die Auslegung von Gesetzen oder sonstigen Rechtsnormen (Tarifnormen) geht, die sich am Gleichheitssatz des Art. 3 GG messen lassen müssen. Die TdL-Richtlinien gelten kraft Vertragsrechts. Deshalb kommt insoweit nur die Anwendung des arbeitsvertraglichen Gleichbehandlungsgrundsatzes in Betracht, gegen den das beklagte Land aber nicht verstoßen hat. Ein Verstoß gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz liegt nur dann vor, wenn ein Arbeitgeber gleichliegende Fälle aus unsachlichen oder sachfremden Gründen ungleich behandelt und deshalb eine willkürliche Ungleichbehandlung vorliegt (vgl. BAG Beschluß vom 3. Dezember 1985 - 4 ABR 60/85 -, AP Nr. 2 zu § 74 BAT, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung des Gerichts bestimmt, mit weiteren Nachweisen). Insoweit hätte das beklagte Land nur dann gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstoßen, wenn es andere Kunsterzieher ohne Studium und Abschlußprüfung für das Lehramt an Gymnasien in der Bundesrepublik Deutschland nach VergGr. II b BAT vergütete. Dies hat der Kläger aber nicht behauptet.
Der Kläger hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Revision zu tragen.
Dr. Neumann Dr. Freitag Dr. Etzel
Fieberg Pahle
Fundstellen