Entscheidungsstichwort (Thema)
Zulässigkeit vom Feststellungsantrag
Normenkette
ZPO § 256 Abs. 1, § 253 Abs. 2 Ziff. 2
Verfahrensgang
Tenor
1. Die Revision der Kläger zu 1, 2 und 3 gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 11. August 2000 – 2 Sa 561/00 – wird zurückgewiesen.
2. Die Kläger zu 1 bis 6 haben die Kosten der Revision zu gleichen Teilen zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, welche Tarifverträge auf die Arbeitsverhältnisse der Kläger mit der Beklagten Anwendung finden.
Die Kläger sind bei der Beklagten als gewerbliche Arbeitnehmer auf der Grundlage mündlicher Verträge beschäftigt und zwar der Kläger zu 1 seit dem 1. März 1982, der Kläger zu 2 seit dem 1. April 1975 und der Kläger zu 3 seit dem 14. Januar 1982 und der Kläger zu 5 seit dem 2. April 1984. Schriftliche Arbeitsverträge wurden von der Beklagten erst für die ab 1989 eingestellten Arbeitnehmer geschlossen.
Die Kläger zu 1, 4 und 5 sind jedenfalls ab dem 1. April 1999 Mitglied der IG Medien, die Kläger zu 2, 3 und 6 gehören ihr nicht an.
Die Beklagte war ursprünglich Mitglied im Verband der Druckindustrie Niedersachsen e. V. Hannover (vdn). Sie wandte auf alle Arbeitsverhältnisse in ihrem Betrieb die Tarifverträge für die Druckindustrie an. Zu Beginn des Jahres 1999 trat die Beklagte aus dem vdn aus und wurde Mitglied im Verband Papier, Pappe und Kunststoff verarbeitende Industrie Norddeutschlands e. V. (VPK Nord). Sowohl die Tarifverträge für die Druckindustrie wie die für die Papier, Pappe und Kunststoff verarbeitende Industrie (im folgenden PPK verarbeitende Industrie) wurden auf Arbeitnehmerseite von der IG Medien abgeschlossen.
Am 8. Februar 1999 wurde ein Überleitungstarifvertrag (ÜTV) für die Beklagte zwischen der IG Medien, dem vdn und dem VPK Nord abgeschlossen. Der ÜTV trat am 1. April 1999 in Kraft und enthielt u.a. die folgenden Bestimmungen:
Präambel:
Die tarifvertragsschließenden Parteien sind sich einig, mit dem Abschluß dieses Tarifvertrages zur Zukunftssicherung des Unternehmens und zur Sicherung der Arbeitsplätze im Betrieb beizutragen. Durch den sachlich begründeten Verbandswechsel vom vdn zum VPK Nord soll mit diesem Abschluß eines Überleitungstarifvertrags sowohl die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens verbessert als auch den berechtigten sozialen Belangen der Beschäftigten Rechnung getragen werden.
§ 2
Tarifbindung
Ab 1. April 1999 gelten für alle Beschäftigten die Tarifverträge der Papier, Pappe und Kunststoff verarbeitenden Industrie Niedersachsens in der jeweils gültigen Fassung.
…
§ 3
Überleitungszulage
Beschäftigte, die vor dem 1. Januar 1999 in den Betrieb eingetreten sind, erhalten zum Ausgleich der sich ergebenden Lohn- und Gehaltsdifferenzen eine Überleitungszulage (ÜZ).
Diese errechnet sich aus der Differenz zwischen dem bisherigen Tariflohn bzw. Tarifgehalt der Tarifverträge der Druckindustrie Niedersachsens in der am 31. März 1999 geltenden Fassung und dem Tariflohn bzw. Tarifgehalt der Papier, Pappe und Kunststoff verarbeitenden Industrie in der am 31. März 1999 geltenden Fassung.
§ 5
Verrechnung
(1) Die Überleitungszulage wird gesondert mit der monatlichen Abrechnung ausgewiesen. Die Überleitungszulage wird in 10 Jahren abgebaut….
Ab 1. April 1999 wickelte die Beklagte die Arbeitsverhältnisse der Kläger entsprechend der Regelung im ÜTV auf der Grundlage der Tarifverträge für die PPK verarbeitende Industrie ab.
Dagegen wehren sich die Kläger. Sie haben die Auffassung vertreten, die Anwendung der Tarifverträge der Druckindustrie auf ihre Arbeitsverhältnisse sei konkludent vereinbart worden, und zwar konstitutiv. Daran habe der Verbandswechsel der Beklagten nichts geändert. Auch der ÜTV habe die Anwendbarkeit der Tarifverträge für die Druckindustrie nicht verdrängt.
Die Kläger haben beantragt
festzustellen, daß die Kläger als gewerbliche Mitarbeiter in der Druckindustrie zu vergüten sind nach dem Vergütungstarifvertrag, wie er für gewerbliche Arbeitnehmer der Druckindustrie gilt, und die Arbeitsbedingungen sich insgesamt bestimmen nach dem System der Tarifverträge, wie sie für gewerbliche Arbeitnehmer der Druckindustrie gelten.
Die Beklagte hat beantragt, die Klagen abzuweisen. Sie hat vorgetragen, daß bei Abschluß der mündlichen Arbeitsverträge die Geltung eines Tarifvertrages nicht verhandelt oder vereinbart worden sei. Die Arbeitsverträge seien vielmehr kraft betrieblicher Übung auf der Grundlage der Tarifverträge für die Druckindustrie abgewickelt worden. Wenn selbst bei der schriftlichen arbeitsvertraglichen Bezugnahme auf die Tarifverträge für die Druckindustrie die jeweils im Betrieb geltenden Tarifverträge zur Anwendung kämen, müsse das um so mehr für den Fall der Anwendbarkeit kraft betrieblicher Übung gelten. Soweit bei den Klägern eine Mitgliedschaft bei der IG Medien bestehe, sei mit dem Arbeitgeberverbandswechsel und dem Abschluß des ÜTV ein Fall der Tarifkonkurrenz im Verhältnis der Tarifverträge der Druckindustrie und des ÜTV entstanden. Diese Tarifkonkurrenz sei unter Beachtung des Prinzips der Tarifeinheit zugunsten des spezielleren Tarifvertrages, d.h. des ÜTV, zu lösen.
Das Arbeitsgericht hat die Klagen abgewiesen. Die von den Klägern eingelegte Berufung hat das Landesarbeitsgericht zurückgewiesen und die Revision zugelassen. Mit der Revision verfolgen die Kläger mit Ausnahme der Kläger zu 4 bis 6, die die Revision zurückgenommen haben, ihre Klageanträge weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
I. Die Revision der Kläger ist nicht begründet. Die Klage ist unzulässig. Der von den Klägern gestellte Feststellungsantrag ist nicht hinreichend bestimmt i.S.v. § 253 Abs. 2 Ziff. 2 ZPO.
1. Die Zulässigkeit des Antrags gehört zu den auch in dem Revisionsverfahren von Amts wegen zu prüfenden Prozeßvoraussetzungen.
2. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend erkannt, daß für den Feststellungsantrag das gem. § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche besondere Feststellungsinteresse gegeben ist. Die Anwendbarkeit eines bestimmten Tarifvertrages oder Tarifwerkes auf ein Arbeitsverhältnis kann Gegenstand einer Feststellungsklage sein, obwohl es sich dabei nicht um das Rechtsverhältnis der Parteien insgesamt, sondern nur um einen Teil dieses Rechtsverhältnisses handelt (BAG 27. Juli 1956 – 1 AZR 430/54 – BAGE 3, 303; 20. März 1991 – 4 AZR 455/90 – BAGE 67, 330, 332; 28. März 1996 – 6 AZR 501/95 – BAGE 82, 344, 346). Insoweit bestehen hier gegen die Zulässigkeit des Feststellungsantrags keine Bedenken.
3. Der Feststellungsantrag ist aber nicht hinreichend bestimmt i.S.v. § 253 Abs. 2 Ziff. 2 ZPO. Das hat das Landesarbeitsgericht übersehen.
a) Das Bestimmtheitserfordernis des Antrags i.S.v. § 253 Abs. 2 Ziff. 2 ZPO gilt auch für die Feststellungsklage (BAG 3. Mai 1984 – 6 ABR 68/81 – BAGE 46, 4; BGH 17. Juni 1994 – VZR 34/92 – NJW-RR 1994, 1272). Das Erfordernis der hinreichenden Bestimmtheit des Klageantrags soll gewährleisten, daß das Urteil zu einer Befriedung des zur Entscheidung stehenden Streits der Parteien führt. Ein Feststellungsantrag muß deshalb den genauen Inhalt des Feststellungsbegehrens enthalten, der in Rechtskraft erwachsen soll.
b) Der von den Klägern erhobene Feststellungsantrag entspricht diesen Anforderungen nicht.
aa) Der Feststellungsantrag der Kläger enthält keinen Zeitpunkt, von dem an die Anwendbarkeit des Tarifvertrags bzw. der Tarifverträge beansprucht wird. Allerdings kann zugunsten der Kläger unter Berücksichtigung ihrer Darlegungen zur Begründung ihrer Klage davon ausgegangen werden, daß es um die Geltung für die Zeit seit dem 1. April 1999 geht. Die Kläger wehren sich erkennbar dagegen, daß die Beklagte das Arbeitsverhältnis seit diesem Zeitpunkt entsprechend dem ÜTV nach den Tarifverträgen für die PPK verarbeitende Industrie abgewickelt hat.
bb) Die Kläger begehren die Feststellung, daß sie „als gewerbliche Arbeitnehmer in der Druckindustrie zu vergüten sind nach dem Vergütungstarifvertrag, wie er für gewerbliche Arbeitnehmer der Druckindustrie gilt, und die Arbeitsbedingungen sich insgesamt bestimmen nach dem System der Tarifverträge, wie sie für die gewerblichen Arbeitnehmer der Druckindustrie gelten”. Die beiden Elemente des Feststellungsbegehrens sind weder jeweils für sich, noch in der Zusammenschau hinreichend bestimmt und auch nicht unter Berücksichtigung der Klagebegründung bestimmbar.
cc) Der erste Teil der von den Klägern begehrten Feststellung, „daß die Kläger als gewerbliche Mitarbeiter in der Druckindustrie zu vergüten sind nach dem Vergütungstarifvertrag, wie er für die gewerblichen Arbeitnehmer der Druckindustrie gilt”, läßt nicht erkennen, welcher Vergütungstarifvertrag gemeint ist. Die Kläger haben nicht dargelegt, welche Tarifvertragsparteien den von ihnen in Anspruch genommenen Vergütungstarifvertrag abgeschlossen haben. Selbst wenn man zugunsten der Kläger unterstellt, daß es insoweit um den Verband der Druckindustrie und die IG Medien geht, ist nicht klar, ob der für die Bundesrepublik Deutschland geltende Lohnrahmentarifvertrag vom 6. Juli 1984 (LRTV) und die jeweiligen Lohntarifverträge gem. § 3 Ziff. 1 Satz 2 LRTV gemeint sind, oder aber der regionale Tarifvertrag für die Druckindustrie Niedersachsens, auf den in § 3 Abs. 2 ÜTV Bezug genommen wird.
dd) Nicht hinreichend bestimmt ist auch der zweite Teil des Feststellungsantrags der Kläger, daß „die Arbeitsbedingungen sich insgesamt bestimmen nach dem System der Tarifverträge, wie sie für gewerbliche Arbeitnehmer der Druckindustrie” gelten. Insoweit kann auf die obigen Ausführungen verwiesen werden. Hinzu kommt noch, daß völlig unbestimmt ist und von den Klägern auch nirgends erläutert wird, welche weiteren Tarifverträge neben dem vom ersten Teil des Antrags erfaßten Vergütungstarifvertrag von dieser Formulierung erfaßt sein sollen.
ee) Eine hinreichende Bestimmtheit des Klageantrags ergibt sich auch nicht aus der Zusammenschau der beiden Teile des Feststellungsantrags bzw. aus den Begründungen der Kläger für ihren Antrag. Die Kläger haben selbst in der Revisionsverhandlung trotz Nachfragens und Unterbrechung der Verhandlung zwecks Beschaffung entsprechender Informationen den Inhalt ihrer Feststellungsanträge nicht konkretisieren können.
ff) Die fehlende Bestimmtheit des Feststellungsantrags kann nicht im Hinblick darauf unberücksichtigt bleiben, daß sie von der Beklagten nicht gerügt und von den Vorinstanzen nicht im Rahmen ihrer richterlichen Aufklärungspflicht thematisiert worden ist. Auf die Erfüllung der Prozeßvoraussetzung der hinreichenden Bestimmtheit des Klageantrags kann nicht verzichtet werden. Ihre Einhaltung liegt auch im allgemeinen Interesse, weil vorerst der Inhalt der in Rechtskraft erwachsenden gerichtlichen Feststellung nicht bestimmt und somit die Befriedungsfunktion des Urteils nicht erreicht werden kann (anders hinsichtlich des Vorrangs des Leistungsantrags gegenüber dem Feststellungsantrag, wenn der Feststellungsantrag auf Veranlassung des Gerichts gestellt worden ist; BAG 24. März 1993 – 4 AZR 282/92 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Süßwarenindustrie Nr. 5 = EzA TVG § 4 Süßwarenindustrie Nr. 1).
II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1, § 566, § 515 Abs. 3 Satz 1, § 100 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Schliemann, Friedrich, Wolter, Der ehrenamtliche Richter Wolf ist wegen längerer Ortsabwesenheit an der Unterschrift verhindert 21. März 2002 Schliemann, Dräger
Fundstellen