Entscheidungsstichwort (Thema)
Befristung eines Urlaubsabgeltungsanspruchs
Normenkette
BUrlG § 7 Abs. 2, 4, § 11; BGB §§ 249, 280 Abs. 1, § 284 Abs. 1, § 287 S. 2, § 133
Verfahrensgang
LAG Baden-Württemberg (Urteil vom 19.11.1992; Aktenzeichen 4 b Sa 30/92) |
ArbG Heilbronn (Urteil vom 18.08.1992; Aktenzeichen 2 Ca 278/92 C) |
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 19. November 1992 – 4 b Sa 30/92 – wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über Urlaubsabgeltung.
Die Klägerin war seit dem 1. Oktober 1990 bei dem Beklagten, der eine Kraftfahrzeugwerkstatt mit Tankstelle betreibt, im Rahmen einer betrieblichen Umschulung zur Bürokauffrau beschäftigt. Die Umschulung erfolgte im Rahmen einer berufsfördernden Maßnahme zur Rehabilitation nach den Bestimmungen des Arbeitsförderungsgesetzes. Während der Teilnahme an der Maßnahme erhielt die Klägerin von der Bundesanstalt für Arbeit Unterhaltsgeld i. H. von kalendertäglich 46,52 DM.
In dem von den Parteien abgeschlossenen Formularvertrag waren die vorgesehenen Bestimmungen über die wöchentliche Umschulungszeit und Urlaub sowie Vergütung nicht ausgefüllt. In einer Zusatzbestimmung war jedoch vereinbart, daß die Klägerin ab 1. Januar 1991 einen Betrag von monatlich 200,00 DM für Überstunden erhielt, die mit ihrer Ausbildung zusammenhingen.
Das Umschulungsverhältnis endete nach vorausgegangener außerordentlicher Kündigung des Beklagten aufgrund eines gerichtlichen Vergleichs am 31. August 1991.
Am 4. September 1991 schrieb der Beklagte der Klägerin:
„Hiermit bestätigen wir Frau L., daß für 1991 ein Urlaubsanspruch von 10 Tagen und für 1990 ein Resturlaubsanspruch von 6,5 Tagen besteht.
Der Urlaubsanspruch errechnet sich aus der Zeit vom 1.1.91 bis 31.8.91.”
Darauf antwortete die Klägerin am 21. Oktober 1991:
„Korrekt ist der von Ihnen festgestellte Gesamturlaubsanspruch von 16,5 Tagen.
Frau L. hat allerdings in diesem Jahr bereits auf den alten Urlaub 6,5 Tage genommen, so daß kein Resturlaubsanspruch für 1990 besteht, sondern ein Gesamturlaubsanspruch für 1991.
Nach den gesetzlichen Bestimmungen ist ein genommener Urlaub zunächst auf die Altansprüche zu verrechnen, dann auf den neuen Urlaub.
Ich erwarte eine Abrechnung des Urlaubsgeldes für 16,5 Tage bis längstens
28.10.1991.”
Mit ihrer am 13. Mai 1992 zugestellten Klage hat die Klägerin Abgeltung des Urlaubs für 16,5 Tage á 55,52 DM verlangt.
Sie hat beantragt,
den Beklagten zur Zahlung von 916,08 DM nebst 4 % Zinsen hieraus seit Rechtshängigkeit zu verurteilen.
Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung des Beklagten hat das Landesarbeitsgericht das Urteil teilweise abgeändert, den Beklagten zur Zahlung von 153,85 DM verurteilt und die Klage im übrigen abgewiesen. Mit ihrer Revision begehrt die Klägerin Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Der Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Die Klägerin hat gegen den Beklagten weder einen Anspruch auf Urlaubsabgeltung noch auf Schadenersatz.
I. Es kann dahingestellt bleiben, nach welchen Vorschriften oder Vereinbarungen die Klägerin einen Urlaubsanspruch erworben hat, der ihr nach Beendigung eines Arbeitsverhältnisses abzugelten wäre. In Betracht kommt eine vertragliche Vereinbarung der Parteien, die allenfalls stillschweigend getroffen worden sein kann, weil der Formularvertrag in der Rubrik Urlaub nicht ausgefüllt ist. Denkbar ist auch ein tarifvertraglicher Anspruch aus dem Manteltarifvertrag für die Arbeitnehmer im Einzelhandel in Bayern vom 11. Juli 1989, sofern dieser auf den Betrieb des Beklagten Anwendung findet. Schließlich könnte die Klägerin einen Anspruch nach dem Bundesurlaubsgesetz erworben haben, wenn sie Arbeitnehmer i. S. des § 2 BUrlG gewesen ist. Denn ein nach Beendigung des Umschulungsverhältnisses entstandener Abgeltungsanspruch aus den Jahren 1990 und 1991 war bei Klageerhebung im Mai 1992 bereits erloschen.
1.a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts entsteht der Urlaubsabgeltungsanspruch nach § 7 Abs. 4 BurlG nicht als Abfindungsanspruch, für den es auf weitere Merkmale nicht ankommt, sondern als Ersatz für den wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr erfüllbaren Anspruch auf Befreiung von der Arbeitspflicht, der daher – abgesehen von der Beendigung des Arbeitsverhältnisses – an die gleichen Voraussetzungen gebunden ist wie der Urlaubsanspruch (zuletzt Senatsurteil vom 7. Dezember 1993 – 9 AZR 683/92 – zur Veröffentlichung bestimmt; Senatsurteil vom 19. Januar 1993 – 9 AZR 8/92 – AP Nr. 63 zu § 7 BUrlG Abgeltung m.w.N.).
b) Der Urlaubsanspruch nach § 1 BUrlG ist grundsätzlich auf das Urlaubsjahr befristet, in dem er entstanden ist (Senatsurteil vom 26. Mai 1992 – 9 AZR 172/91 – AP Nr. 58 zu § 7 BurlG Abgeltung m.w.N.). Eine Übertragung des Urlaubs auf das nächste Kalenderjahr ist nur statthaft, wenn dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe die Übertragung rechtfertigen. Er muß dann in den ersten drei Monaten des folgenden Jahres gewährt und genommen werden (§ 7 Abs. 3 Satz 2 und 3 BurlG). Ein Teilurlaubsanspruch nach § 5 Abs. 1 Buchst. a BurlG ist darüberhinaus auf Verlangen des Arbeitnehmers auf das gesamte nächste Kalenderjahr zu übertragen. Mit dem Ende des Kalenderjahres bzw. des Übertragungszeitraumes erlischt der Urlaubsanspruch.
c) So verhält es sich im Streitfall. Es kann dahingestellt bleiben, ob ein denkbarer gesetzlicher Teilurlaubsanspruch aus dem Jahr 1990 durch Erfüllung erloschen ist, was nach den Angaben der Klägerin in ihrem Schreiben vom 21. Oktober 1991 nahe liegt. Es kann ferner dahingestellt bleiben, ob die Klägerin ein Übertragungsverlangen nach § 7 Abs. 3 Satz 4 BurlG geäußert hat. Denn ein auf das Kalenderjahr 1991 übertragener Urlaubsanspruch wäre am 31. Dezember 1991 mit dem Urlaubsanspruch aus dem Jahr 1991 erloschen. Dasselbe gilt für einen mit Beendigung des Umschulungsverhältnisses entstandenen Anspruchs auf Abgeltung.
2. Sofern die Klägerin einen tarifvertraglichen Anspruch erworben haben sollte, ist auch dieser mit Ablauf des Jahres 1991 erloschen. Wenn Tarifvertragsparteien keine vom Gesetz abweichende Regelung über die Abgeltung von Urlaub getroffen haben, ist auch der tarifvertragliche Anspruch befristet. So verhält es sich bei den Bestimmungen des Manteltarifvertrags für den bayerischen Einzelhandel.
3. Sollten die Parteien einen einzelvertraglichen Anspruch auf Urlaub vereinbart haben, kann angesichts insoweit fehlender Darlegungen nur davon ausgegangen werden, daß die gesetzlichen oder tarifvertraglichen Regelungen zur Anwendung kommen sollten. Auch dann hätte die Klägerin keinen Abgeltungsanspruch, der nach Ablauf des Urlaubsjahres bzw. des Übertragungszeitraumes noch geltend gemacht werden könnte.
4. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Erklärung der Beklagten vom 4. September 1991. Dabei handelt es sich nicht um ein abstraktes Schuldanerkenntnis, durch das die Klägerin einen selbständigen unbefristeten Urlaubsabgeltungsanspruch erworben hat. Ein abstrakter Schuldanerkenntnisvertrag liegt nur vor, wenn die Regelung zum Ziel hat, eine von dem bisherigen Schuldgrund gelöste neue Forderung zu begründen. Einen derartigen Geschäftswillen konnte die Klägerin dem Schreiben des Beklagten vom 4. September 1991 nicht entnehmen. Vielmehr mußte sie erkennen, daß der Beklagte einen bestehenden Anspruch beschreibt.
Das Schreiben enthält auch kein Angebot für den Abschluß eines deklaratorischen oder bestätigenden Schuldanerkenntnisvertrages. Ein deklaratorischer Schuldanerkenntnisvertrag schafft keine neue Verbindlichkeit, sondern bestätigt lediglich eine schon vorhandene Schuld. Sein Zweck ist es, ein Schuldverhältnis insgesamt oder in einzelnen Beziehungen dem Streit oder der Ungewißheit der Parteien zu entziehen. Ob ein Verzicht des Schuldners auf Einwendungen anzunehmen ist und wie weit dieser ggf. reicht, ist eine Frage der Auslegung (BAGE 54, 242, 246 = AP Nr. 34 zu § 7 BUrlG Abgeltung, zu I 4 b aa der Gründe). Im Streitfall ist bereits fraglich, ob die Erklärung des Beklagten als deklaratorisches Schuldanerkenntnisangebot angesehen werden kann. Jedenfalls enthält die Erklärung keinen Verzicht des Beklagten, sich auf den zukünftigen Verfall des Urlaubs- bzw. Abgeltungsanspruchs zu berufen. Denn ein Verzicht des Schuldners erstreckt sich regelmäßig auf Einwendungen, die ihm bekannt sind oder mit denen er rechnen mußte. Ein Verzicht auf künftige Einwendungen muß dagegen in der Erklärung eindeutig zum Ausdruck kommen. Daran fehlt es vorliegend.
II. Der Klägerin steht auch kein Schadenersatzanspruch i. H. des geltend gemachten Urlaubsabgeltungsanspruchs zu. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAGE 50, 112 = AP Nr. 8 zu § 7 BurlG Übertragung) kann ein Arbeitnehmer, wenn er seinen Arbeitgeber hinsichtlich des Urlaubsabgeltungsanspruchs in Verzug gesetzt hat, einen der Urlaubsabgeltung entsprechenden Geldbetrag als Schadenersatz fordern, wenn der Anspruch zwischenzeitlich wegen Fristablaufs erloschen ist (§ 284 Abs. 1, § 286 Abs. 1, § 287 Satz 2, § 249 Satz 1 BGB). Die Klägerin hat den Beklagten nicht in Verzug gesetzt. Zwar hat sie ihn mit Schreiben vom 21. Oktober 1991 unter Fristsetzung zum 28. Oktober 1991 aufgefordert, eine Abrechnung zu erteilen. Das ist jedoch keine verzugsbegründende Mahnung i. S. des § 284 Abs. 1 BGB. Eine Mahnung ist die bestimmte und eindeutige Aufforderung an den Schuldner, die geschuldete Leistung zu bewirken (BAGE 52, 258 = AP Nr. 6 zu § 44 SchwbG). Mit der Aufforderung, eine Abrechnung zu erteilen, hat die Klägerin nur die Erfüllung einer Nebenpflicht verlangt. Die Aufforderung zur Erfüllung der geschuldeten Leistung, hier zur Zahlung von Urlaubsabgeltung, ist es nicht. Die Revision könnte aber auch keinen Erfolg haben, wenn das Schreiben vom 4. September 1991 als Aufforderung zur Erfüllung einer geschuldeten Leistung anzusehen wäre. Die Auslegung könnte allenfalls ergeben, daß die Klägerin Abgeltung auf der Basis des von dem Beklagten monatlich geschuldeten Betrages angemahnt hat, nicht aber Abgeltung unter Einbeziehung des Unterhaltsgeldes. Davon war zu keiner Zeit die Rede.
III. Auf die unter den Parteien streitige Berechnung des Urlaubsabgeltungsanspruchs kommt es daher unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt an.
IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Dörner, Düwell, Dr. Mikosch, R. Schmidt, Dr. Kappes
Fundstellen