Entscheidungsstichwort (Thema)
Ärztliches Liquidationsrecht. Anfertigung von Gutachten
Leitsatz (redaktionell)
Globalanträge hinsichtlich der Übertragung der Erstellung von Gutachten und gutachtlichen Äußerungen in Betreuungssachen auf einen Arzt in einer psychiatrisch-neurologischen Fachklinik als Haupttätigkeit und Feststellung eines persönlichen Liquidationsrechts.
Normenkette
ZPO §§ 253, 256; Sonderregelung 2 c zum BAT Nr. 3 Abs. 3, Nr. 5 Abs. 1
Verfahrensgang
Tenor
1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein vom 12. Oktober 1995 – 4 Sa 300/95 – wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten der Revision.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob dem Kläger für Gutachten, die er in Betreuungs- und Unterbringungssachen erstellt, ein persönliches Liquidationsrecht zusteht.
Der Kläger wurde vom beklagten Land, vertreten durch den Minister für Soziales, Gesundheit und Energie, aufgrund eines Arbeitsvertrages vom 12. März 1991 zum 1. April 1991 bei der Fachklinik für Psychiatrie, Neurologie und Rehabilitation S. zur Weiterbildung zum Gebietsarzt eingestellt. Auf das Arbeitsverhältnis finden der Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) und die diesen ergänzenden, ändernden und ersetzenden Tarifverträge Anwendung. Der Arbeitsvertrag, der zunächst bis zum 31. März 1992 befristet war, wurde in der Folgezeit uneingeschränkt verlängert. Der Kläger erhält Vergütung nach VergGr. II a BAT.
Seit Beginn seiner ärztlichen Tätigkeit erstellte der Kläger Gutachten und gutachtliche Äußerungen, für die er privat liquidierte. Durch Erlasse vom 21. September 1992 und 31. März 1993 ordnete das beklagte Land an, daß nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Rechts der Vormundschaft und Pflegschaft für Volljährige – Betreuungsgesetz – vom 12. September 1990 (BGBl I S. 2002) am 1. Januar 1992 die Erstellung ärztlicher Gutachten und gutachtlicher Stellungnahmen in Betreuungssachen (§ 68 b FGG) und in Unterbringungssachen (§ 70 e FGG), die auf ein an die ärztliche Direktorin oder den ärztlichen Direktor gerichtetes gerichtliches Ersuchen erfolgten, von den betroffenen Ärztinnen und Ärzten als Dienstaufgaben wahrzunehmen seien. Die Ärztinnen und Ärzte seien nicht berechtigt, dafür persönlich irgendwelche Vergütungen oder Entschädigungen zu berechnen.
Der Kläger hält diese Regelung für unzulässig, soweit sie nicht seine Teilnahme an mündlichen gerichtlichen Anhörungen während der Dienstzeit betreffe. Ein Liquidationsrecht beanspruche er nur für Gutachten und gutachtliche Äußerungen, die er in schriftlicher Form abgebe. Diese Tätigkeit, die er außerhalb der regulären Arbeitszeit ausführe, gehöre nicht zu den ihm als Arzt obliegenden Pflichten aus seiner Haupttätigkeit i.S.d. Nr. 3 Abs. 3 SR 2 c BAT, sondern sei als Nebentätigkeit i.S.d. Nr. 5 Abs. 1 Unterabs. 1 SR 2 c BAT anzusehen. Insoweit handele es sich nämlich um Gutachten und gutachtliche Äußerungen, die von „Dritten” angefordert und vergütet werden. Deshalb stehe ihm ein persönliches Liquidationsrecht zu. Dieses werde durch die Regelung in den Erlassen beeinträchtigt, da die Gerichte dazu übergegangen seien, Privatliquidationen unter Hinweis auf die Erlasse zurückzuweisen. Da im Arbeitsvertrag ausdrücklich seine Weiterbildung zum Gebietsarzt vereinbart sei, habe er auch einen Anspruch darauf, mit derartigen Tätigkeiten beauftragt zu werden.
Diese seien nämlich nach der Weiterbildungsordnung Voraussetzung für die Zulassung zur Facharztprüfung.
Der Kläger hat beantragt,
- festzustellen, daß von ihm erstellte Gutachten und gutachterliche Äußerungen im Rahmen von Betreuungen gemäß Betreuungsgesetz nicht als Dienstaufgabe anzusehen sind,
- festzustellen, daß ihm für Gutachten und gutachterliche Äußerungen im Zusammenhang mit Betreuungen gemäß Betreuungsgesetz ein persönliches Liquidationsrecht zustehe.
Das beklagte Land hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Es vertritt die Auffassung, die Erstellung von Gutachten und gutachtlichen Äußerungen sei eine dem Kläger obliegende Pflicht aus seiner Haupttätigkeit nach Nr. 3 Abs. 3 SR 2 c BAT, für die ihm kein persönliches Liquidationsrecht zustehe. Dies folge daraus, daß die Gerichte, die die Gutachten anforderten, als Landesbehörden nicht „Dritte” i.S.d. tariflichen Bestimmungen seien. Die Gutachten sollten auch während der Arbeitszeit, die zur Behandlung der jeweils Betroffenen verwendet werde, angefertigt werden. Das Honorar für die Gutachten werde deshalb allein von der Klinik liquidiert.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat sie abgewiesen. Durch Gesetz über die Errichtung öffentlich-rechtlicher psychiatrischer Fachkliniken vom 8. Dezember 1995 (GVBl. Schleswig-Holstein, S. 452) ist die Fachklinik S. ab 1. Januar 1996 rechtsfähige Anstalt öffentlichen Rechts geworden. Das beklagte Land hat daraufhin mitgeteilt, daß von diesem Zeitpunkt an Nr. 3 Abs. 3 SR 2 c BAT bei Anforderung von Gutachten durch Dienststellen des Landes nicht mehr einschlägig sei. Der Kläger verfolgt in der Revisionsinstanz sein Klagebegehren deshalb nur bis zu diesem Zeitpunkt weiter. Das beklagte Land beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Dem Kläger stand ein persönliches Liquidationsrecht nicht für alle von ihm im Klagezeitraum erstellten Gutachten und gutachtlichen Äußerungen in Betreuungssachen zu.
I. Die Klage ist zulässig. Die Klageanträge sind hinreichend bestimmt i.S.v. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.
Der Kläger hat in der Klagebegründung klargestellt, daß sich die Klageanträge nur auf schriftliche Gutachten und gutachtliche Äußerungen und nicht auf mündliche Stellungnahmen im Rahmen gerichtlicher Anhörungen der Patienten beziehen. Insoweit begehrt er die Feststellung, daß ihm diese Tätigkeit nicht als Dienstaufgabe übertragen werden darf und die Feststellung der Befugnis, persönlich gegenüber den die Gutachten und gutachtlichen Äußerungen anfordernden Gerichten liquidieren zu dürfen, woran er sich durch die Regelung in den Erlassen gehindert sieht.
Der Kläger hat auch ein Feststellungsinteresse i.S.v. § 256 ZPO. Die vom Kläger begehrten Feststellungen sind geeignet, den Streit zwischen den Parteien über den Umfang der arbeitsvertraglichen Rechte und Pflichten zu beseitigen. Die Regelung in den Erlassen beeinträchtigte die zuvor gegebene Möglichkeit des Klägers für Gutachten und gutachtliche Äußerungen persönlich gegenüber den Gerichten eine Rechnung zu erstellen und das entsprechende Honorar entgegenzunehmen. Einerseits mußte er im Verhältnis zum beklagten Land bei Mißachtung der Erlaßregelung mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen rechnen, andererseits wurden von den Gerichten Privatliquidationen unter Hinweis auf die Erlaßregelung abgelehnt.
Das rechtliche Interesse des Klägers an den begehrten Feststellungen ist auch im Hinblick darauf zu bejahen, daß sich diese nunmehr auf einen in der Vergangenheit abgeschlossenen Zeitraum beziehen. Dies folgt daraus, daß sich aus einer entsprechenden Feststellung derzeit noch Rechtsfolgen ergeben können (vgl. BAG Urteil vom 21. September 1993 – 9 AZR 580/90 – BAGE 74, 201 = AP Nr. 22 zu § 256 ZPO 1977). Wie in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vom Prozeßbevollmächtigten des Klägers dargelegt wurde, hängt die Abwicklung diverser vom Kläger erstellter Liquidationen von der Beurteilung der Rechtswirksamkeit der Erlaßregelung ab.
II. Die Klage ist jedoch unbegründet. Im Umfang der begehrten Feststellungen war das beklagte Land weder gehindert, dem Kläger die Erstellung von Gutachten und gutachtlichen Äußerungen in Betreuungssachen als Dienstaufgabe zu übertragen noch ihm dafür ein persönliches Liquidationsrecht zu untersagen.
1. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, der Kläger sei zur Erstellung der Gutachten und gutachtlichen Äußerungen nach Nr. 3 Abs. 3 SR 2 c BAT als einer ihm aus seiner Haupttätigkeit obliegenden Pflicht oder nach Nr. 5 Abs. 1 Unterabs. 1 SR 2 c BAT als Nebentätigkeit verpflichtet gewesen. Ein persönliches Liquidationsrecht habe ihm nicht zugestanden, da ein solches nur bei Gutachten in Betracht komme, die von Dritten angefordert und vergütet werden. Die anfordernden Gerichte seien aber nicht als Dritte i.S.d. tariflichen Bestimmungen anzusehen. Arbeitgeber des Klägers sei das Land Schleswig-Holstein gewesen. Mit der Erstellung der Gutachten und gutachtlichen Äußerungen für die Gerichte des Landes sei der Kläger deshalb für Dienststellen desselben Arbeitgebers tätig geworden.
2. Ob diesen Ausführungen des Landesarbeitsgerichts zu folgen ist, kann dahinstehen. Sowohl beim Klageantrag zu 1) als auch beim Klageantrag zu 2) handelt es sich um sog. Globalanträge. Diese sind zwar bestimmt genug, jedoch insgesamt unbegründet, da die begehrten Feststellungen für alle von den Anträgen umfaßte Fallgestaltungen nicht getroffen werden können (vgl. BAGE 76, 364, 369 = AP Nr. 23 zu § 23 BetrVG 1972, zu II A der Gründe; BAGE 52, 160, 165 = AP Nr. 18 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit, zu B II 2 der Gründe) und der Kläger keine Tatsachen vorgetragen hat, die eine teilweise Entscheidung ermöglichen.
a) Mit dem Klageantrag zu 1) begehrt der Kläger die Feststellung, daß das beklagte Land nicht berechtigt war, ihm durch die Erlasse die Erstellung von Gutachten und gutachtlichen Äußerungen in Betreuungssachen als Dienstaufgabe zu übertragen. Nach dieser weiten Fassung des Klageantrags bezieht sich die begehrte Feststellung auf alle Gutachten und gutachtlichen Äußerungen, die der Kläger auf Anforderung der Gerichte im Klagezeitraum bis zum 31. Dezember 1995 zu erstellen hatte.
Diese Feststellung kann insgesamt nicht getroffen werden, da die Erstellung von Gutachten und gutachtlichen Äußerungen in Betreuungssachen nach den arbeitsvertraglichen Vereinbarungen zu seiner Haupttätigkeit und damit zu seinen Dienstaufgaben gehörte.
Nach Nr. 3 Abs. 3 der Sonderregelung 2 c BAT, die aufgrund arbeitsvertraglicher Vereinbarung auf das Arbeitsverhältnis Anwendung findet, gehört die Erstellung von Gutachten, gutachtlichen Äußerungen und wissenschaftlichen Ausarbeitungen, die nicht von einem Dritten angefordert und vergütet werden, zu den dem Arzt obliegenden Pflichten aus seiner Haupttätigkeit. Zur Erstellung von Gutachten und gutachtlichen Äußerungen, die von einem Dritten angefordert und vergütet werden, kann der Arzt nach Nr. 5 Abs. 1 Unterabs. 1 SR 2 c als Nebentätigkeit verpflichtet werden. Nach den tariflichen Bestimmungen ist hinsichtlich des Umfangs der Haupttätigkeit demgemäß danach zu differenzieren, ob die Gutachten und gutachtlichen Äußerungen von „Dritten” angefordert und vergütet werden oder nicht.
Ob die Gerichte als Dritte i.S.d. tariflichen Bestimmung anzusehen sind oder nicht, kann jedoch dahinstehen. Die tariflich vorgesehene Möglichkeit, den Arzt zur Erstellung von Gutachten und gutachtlichen Äußerungen als Nebentätigkeit zu verpflichten, schließt nicht aus, diese Tätigkeit arbeitsvertraglich als Hauptpflicht zu vereinbaren.
Eine solche Vereinbarung haben die Parteien vorliegend getroffen. Inhalt des Arbeitsvertrages vom 12. März 1991 war die Weiterbildung des Klägers zum Gebietsarzt. Nach der Weiterbildungsordnung im Land Schleswig-Holstein auf den Gebieten der Psychiatrie und Neurologie gehört zur Weiterbildung die entsprechende Begutachtung bei üblicher und typischer Fragestellung in der Gerichtsbarkeit einschließlich Personenrechtsfragen mit der Anfertigung von jeweils mindestens zehn ausführlich begründeten Gutachten. Insoweit trägt auch der Kläger selbst vor, daß das beklagte Land arbeitsvertraglich verpflichtet gewesen sei, ihn mit der Anfertigung derartiger Gutachten zu beauftragen, da diese Voraussetzung für die Ablegung der Facharztprüfung seien.
Daraus folgt, daß der Kläger im Rahmen seiner arbeitsvertraglich vereinbarten Haupttätigkeit verpflichtet war, Gutachten und gutachtliche Äußerungen in Betreuungssachen anzufertigen.
Der Kläger hat nicht vorgetragen, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang er über das im Rahmen der Weiterbildung gebotene Maß hinaus Gutachten und gutachtliche Äußerungen erstellt hat. Deshalb ist eine Entscheidung darüber, ob auch die weitere Erstellung von Gutachten und gutachtlichen Äußerungen zu seinen Dienstaufgaben gehörte, nicht möglich. Der Feststellungsantrag zu 1) ist damit insgesamt unbegründet.
b) Mit dem Klageantrag zu 2) begehrt der Kläger die Feststellung, daß ihm für Gutachten und gutachtliche Äußerungen in Betreuungssachen ein persönliches Liquidationsrecht zusteht. Dieser Klageantrag ist aus den zum Klageantrag zu 1) genannten Gründen unbegründet.
Unter dem persönlichen Liquidationsrecht versteht der Kläger die Befugnis, selbst gegenüber dem Gericht eine Rechnung zu erstellen und das Honorar entgegennehmen zu dürfen. Damit macht er nicht einen Teilvergütungsanspruch gegenüber dem beklagten Land geltend, wie er in Nr. 5 Abs. 1 Unterabs. 2 SR 2 c in den Fällen vorgesehen ist, in denen die Vergütung für ein Gutachten ausschließlich dem Arbeitgeber zusteht. Vielmehr wendet er sich insoweit gegen die Regelung in den Erlassen, die ihm untersagt, persönlich gegenüber den Gerichten zu liquidieren. Dieses Liquidationsrecht nimmt der Kläger für alle von ihm angefertigten Gutachten und gutachtlichen Äußerungen in Anspruch. Damit erweist sich auch dieser Feststellungsantrag als insgesamt unbegründet. Soweit der Kläger nämlich diese Aufgabe im Rahmen seiner arbeitsvertraglich vereinbarten Haupttätigkeit wahrgenommen hat, erhielt er dafür die arbeitsvertraglich vereinbarte Vergütung. Deshalb war das beklagte Land insoweit berechtigt, ihm eine persönliche Liquidation zu untersagen.
Anhaltspunkte dafür, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang der Kläger darüber hinaus Gutachten und gutachtliche Äußerungen angefertigt hat und ihm gegebenenfalls für diese ein Liquidationsrecht zusteht, enthält sein Sachvortrag nicht.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Dr. Peifer, Dr. Freitag, Dr. Armbrüster, Kapitza, R. Schwarck
Fundstellen