Entscheidungsstichwort (Thema)
Tarifvertragliche Zuwendung für Angestellte im öffentlichen Dienst
Orientierungssatz
Auslegung des § 1 Abs 1, Abs 2, Abs 4 und Abs 5 des Tarifvertrages über eine Zuwendung für Angestellte vom 12. Oktober 1973.
Normenkette
TVG § 1; BGB §§ 389, 394; ZuwAngTVtr § 1 Abs. 1 Fassung 1973-10-12, Abs. 2 Fassung 1973-10-12, Abs. 4 Fassung 1973-10-12, Abs. 5 Fassung 1973-10-12
Verfahrensgang
Hessisches LAG (Entscheidung vom 22.09.1989; Aktenzeichen 13 Sa 343/89) |
ArbG Kassel (Entscheidung vom 16.01.1989; Aktenzeichen 7 Ca 328/88) |
Tatbestand
Die Parteien streiten, ob die Klägerin die tarifvertragliche Zuwendung für das Jahr 1987 zurückzahlen muß.
Die Klägerin war seit November 1985 aufgrund mehrerer befristeter Arbeitsverträge beim beklagten Land beschäftigt. Die Befristungen erfolgten für die Zeit, bis die dem beklagten Land Auszubildenden nach bestandener Prüfung als Verwaltungsfachangestellte übernommen wurden. Aus dem gleichen Grund schlossen die Parteien auch einen in der Zeit vom 1. Oktober 1987 bis zum 31. Mai 1988 befristeten Arbeitsvertrag. Auf dieses Arbeitsverhältnis fand kraft beiderseitiger Tarifbindung der Tarifvertrag über eine Zuwendung für Angestellte vom 12. Oktober 1973 (Zuw-TV) Anwendung, der u.a. bestimmt:
"§ 1
Anspruchsvoraussetzungen
(1) Der Angestellte erhält in jedem Kalenderjahr
eine Zuwendung, wenn er
3.nicht in der Zeit bis einschließlich
31. März des folgenden Kalenderjahres aus
seinem Verschulden oder auf eigenen Wunsch
ausscheidet.
(2) Der Angestellte ... erhält eine Zuwendung,
3.wenn er wegen
a)eines mit Sicherheit erwarteten Perso-
nalabbaues,
gekündigt oder einen Auflösungsvertrag ge-
schlossen hat.
(4) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 3 ... wird
die Zuwendung auch gezahlt, wenn
2.der Angestellte aus einem der in Absatz 2
Nr. 3 genannten Gründe gekündigt oder
einen Auflösungsvertrag geschlossen hat.
(5) Hat der Angestellte in den Fällen des Absat-
zes 1 Nr. 3 oder des Absatzes 3 Satz 1 letz-
ter Halbsatz die Zuwendung erhalten, so hat
er sie in voller Höhe zurückzuzahlen, wenn
nicht eine der Voraussetzungen des Absatzes 4
vorliegt."
Das beklagte Land zahlte der Klägerin gemäß § 1 Zuw-TV eine Zuwendung für das Jahr 1987 in Höhe von 1.603,95 DM.
Auf Nachfrage der Klägerin teilte der Dienststellenleiter des beklagten Landes der Klägerin am 11. Februar 1988 mit, daß eine Verlängerung des bis zum 31. Mai 1988 befristeten Arbeitsverhältnisses nicht zu erwarten sei. Aus diesem Grunde suchte und fand die Klägerin eine neue Arbeitsstelle zum 15. März 1988. Daraufhin schlossen die Parteien am 25. Februar 1988 einen Auflösungsvertrag, aufgrund dessen die Klägerin am 14. März 1988 aus dem Arbeitsverhältnis ausschied. Das beklagte Land verrechnete sodann den Vergütungsanspruch der Klägerin für den Monat März 1988 mit der für das Jahr 1987 gezahlten Zuwendung.
Die Klägerin hat gemeint, das beklagte Land habe keinen Anspruch auf Rückzahlung der Zuwendung. Sie sei weder aus eigenem Verschulden noch auf eigenen Wunsch im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 3 Zuw-TV ausgeschieden. Die vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses sei wegen des Ablaufs der Befristung im Arbeitsvertrag erfolgt. Jedenfalls sei dieser Tatbestand einem Ausscheiden wegen eines mit Sicherheit erwarteten Personalabbaus i.S. von § 1 Abs. 2 Nr. 3 a Zuw-TV gleichzusetzen.
Die Klägerin, die zunächst vorgetragen hatte, das beklagte Land habe damit gegen das Aufrechnungsverbot des § 394 BGB in Verbindung mit § 850 c ZPO verstoßen, hat im Berufungsrechtszug diesen Vortrag ausdrücklich nicht mehr aufrecht erhalten.
Die Klägerin hat beantragt,
das beklagte Land zu verurteilen, an sie
1.163,40 DM brutto nebst 4 % Zinsen aus dem sich
hieraus ergebenden Nettobetrag seit dem 26. April
1988 zu bezahlen.
Das beklagte Land hat Klageabweisung beantragt.
Es ist der Auffassung, der Rückzahlungsanspruch sei begründet, weil der Auflösungsvertrag auf Wunsch der Klägerin geschlossen worden sei.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klageziel weiter. Das beklagte Land bittet um Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, der Rückzahlungsanspruch des beklagten Landes sei begründet. Die Klägerin habe nicht dargetan, daß sie wegen eines mit Sicherheit erwarteten Personalabbaus ausgeschieden sei. Das Ausscheiden sei vielmehr wegen des Abschlusses des Auflösungsvertrages infolge der Begründung eines neuen Arbeitsverhältnisses erfolgt. Im übrigen seien auch die Voraussetzungen eines Personalabbaus nicht gegeben. Personalabbau bedeute, daß die Anzahl der Arbeitsplätze nach Durchführung der Maßnahme geringer sei als zuvor. Da von Anfang an beabsichtigt gewesen sei, die Klägerin nach Beendigung des befristeten Arbeitsverhältnisses durch eine Berufsanfängerin zu ersetzen, liege ein Personalaustausch vor. Eine Verminderung der Zahl der Arbeitsplätze sei nicht eingetreten. Der vorliegende Sachverhalt könne aus Rechtsgründen auch nicht einem Personalabbau im Sinne des Tarifvertrages gleichgestellt werden. Da keine unbewußte Tariflücke vorliege, sei es den Gerichten für Arbeitssachen verwehrt, die tarifliche Regelung zu ergänzen.
Diese Ausführungen des Landesarbeitsgerichts halten im Ergebnis einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand.
II. Der Vergütungsanspruch der Klägerin für den Monat März 1988 besteht nicht. Er ist infolge zulässiger Aufrechnung des beklagten Landes mit dem Rückzahlungsanspruch der Jahressonderzuwendung 1987 erloschen (§ 389 BGB).
1. Der Rückzahlungsanspruch des beklagten Landes gegen die Klägerin ist gemäß § 1 Abs. 5 in Verbindung mit Abs. 1 Nr. 3 Zuw-TV begründet. Danach hat der Angestellte die Zuwendung zurückzuzahlen, der in der Zeit bis einschließlich 31. März des folgenden Kalenderjahres auf eigenen Wunsch ausscheidet.
Die Klägerin ist durch Abschluß des Auflösungsvertrages auf eigenen Wunsch vor dem 31. März 1988 aus dem Arbeitsverhältnis zum beklagten Land ausgeschieden.
Ein Ausscheiden auf eigenen Wunsch liegt vor, wenn die Beendigung des Arbeitsverhältnisses auf Veranlassung des Arbeitnehmers erfolgte, d.h. er muß den Beendigungstatbestand unmittelbar verursacht und herbeigeführt haben (vgl. BAG Urteil vom 31. Januar 1979 - 5 AZR 551/77 - AP Nr. 101 zu § 611 BGB Gratifikation mit zust. Anm. von Herschel; BAG Urteil vom 12. November 1987 - 6 AZR 182/85 - n.v.). Beim Ausscheiden aufgrund eines Auflösungsvertrages wird eine solche Veranlassung angenommen, wenn der Arbeitnehmer den Anstoß oder die Anregung zum Abschluß des Auflösungsvertrags freiwillig gegeben hat (Crisolli/Tiedtke/Ramdohr, Das Tarifrecht der Angestellten im öffentlichen Dienst, Stand Januar 1991, § 19 BAT Erl. 13; Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese, BAT, Stand Januar 1991, § 19 Erl. 8 sowie Zuwendung, § 1 Erl. 8; Uttlinger/Breier/Kiefer/Hoffmann, BAT, Stand 1. Januar 1991, § 19 Erl. 7). Freiwilligkeit liegt vor, wenn die Auflösung im Interesse des Angestellten liegt (vgl. BAGE 4, 222, 225 = AP Nr. 2 zu § 7 ATO; PK-BAT-Mosebach, § 19 Rz 16).
Ob ein Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis auf Veranlassung des Arbeitnehmers erfolgt, ist danach zu beurteilen, wer die rechtliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses unmittelbar verursacht hat. Dabei kommt es nicht auf die Motive bzw. mittelbaren Ursachen und Gründe an, die den Arbeitnehmer zum Ausscheiden bewogen haben. Beendigungstatbestand war im vorliegenden Fall weder die Befristung des Arbeitsverhältnisses noch dessen Nichtverlängerung durch das beklagte Land. Es ist deshalb auch rechtlich unerheblich, daß diese Beendigungsgründe unstreitig nicht auf Wunsch der Klägerin erfolgten. Die rechtliche vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses geschah durch den Auflösungsvertrag. Diesen Beendigungstatbestand hat die Klägerin aber allein dadurch unmittelbar veranlaßt und herbeigeführt, daß sie das Angebot zum Abschluß des Auflösungsvertrags abgab. Die Klägerin hat damit Anstoß und Anregung zum Abschluß des Auflösungsvertrags unmittelbar gegeben. Dies geschah auch allein in ihrem Interesse, weil sie nur so in der Lage war, das neue Arbeitsverhältnis vorzeitig zu beginnen. Ein Interesse des beklagten Landes an diesem vorzeitigen Ausscheiden der Klägerin ist deswegen nicht zu erkennen.
2. Der Rückzahlungsanspruch des beklagten Landes ist auch nicht gemäß § 1 Abs. 4 Nr. 2 in Verbindung mit Abs. 2 Nr. 3 a Zuw-TV entfallen. Danach wird, wenn das Ausscheiden auf eigenen Wunsch des Angestellten erfolgte, die Zuwendung auch gezahlt, wenn der Angestellte wegen eines mit Sicherheit erwarteten Personalabbaus einen Auflösungsvertrag geschlossen hat. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend angenommen, daß diese Voraussetzung nicht gegeben ist, weil der Auflösungsvertrag wegen der Begründung des neuen Arbeitsverhältnisses der Klägerin abgeschlossen wurde.
a) Da die Tarifvertragsparteien den Begriff Personalabbau nicht näher bestimmt haben, ist bei der Ermittlung des Begriffsinhalts zunächst vom Wortlaut auszugehen. Danach bedeutet Personalabbau eine Reduzierung oder Verringerung des Personalbestandes (vgl. Wahrig, Deutsches Wörterbuch, 1986, S. 121 "Abbau"). Dabei stellt jedoch der Wegfall einer Stelle keinen Personalabbau dar. Der Begriff des Personalabbaus wird im Arbeitsrecht stets bei Ausscheidung einer unbestimmten Vielzahl von Arbeitnehmern verwendet (vgl. Böhm/Spiertz/Sponer/Steinherr, BAT, Stand Januar 1991, § 19 Rz 15). Allein das Ausscheiden der Klägerin stellt somit keinen Personalabbau im tariflichen Sinne dar. Dies gilt um so mehr, als an ihre Stelle eine Verwaltungsangestellte dauerhaft eingestellt wurde.
b) Auch der Sinn und Zweck der Vorschrift des § 1 Abs. 2 Nr. 3 a Zuw-TV rechtfertigt keine Anwendung über den Wortlaut der Tarifnorm hinaus. Zwar stellt die Zuwendung nicht nur Entgelt für die im Bezugsjahr erbrachte Arbeitsleistung dar, sondern gibt auch einen Anreiz zur Erbringung zukünftiger Betriebstreue, wie aus § 1 Abs. 1 Nr. 3 Zuw-TV folgt (vgl. BAG Urteil vom 31. Januar 1979, aaO). Bei den in § 1 Abs. 2 Nr. 3 Zuw-TV geregelten Tatbeständen handelt es sich jedoch um Fallgestaltungen, bei denen der Angestellte aus von ihm nicht zu vertretenden und außerhalb seines Einflußbereiches liegenden Gründen das von ihm nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 Zuw-TV erwartete Maß an Betriebstreue nicht erbringen kann. Entgegen der Auffassung der Revision läßt sich dies auf den vorliegenden Streitfall nicht übertragen. Die Klägerin hätte nämlich das von § 1 Abs. 1 Nr. 3 Zuw-TV vorausgesetzte Maß an Betriebstreue dadurch erfüllen können, daß sie das bis zum 31. Mai 1988 befristete Arbeitsverhältnis fortsetzte bzw. den Auflösungsvertrag für einen Zeitpunkt nach dem 31. März abschloß. Die Gründe, die das vorzeitige Ausscheiden der Klägerin herbeiführten, lagen mithin nicht außerhalb ihres Einflußbereiches.
c) Soweit die Revision unter Hinweis auf das Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 27. Juni 1986 (- 6 Sa 115/86 - ZTR 1987, 249) meint, der vorliegende Fall sei einem Personalabbau gleichzustellen, weil die Befristung und Nichtverlängerung des Arbeitsverhältnisses allein auf dem Willen des beklagten Landes beruhe, vermag dem der Senat nicht zu folgen.
Eine solche erweiternde Auslegung des Tarifbegriffs Personalabbau verbietet sich schon deswegen, weil es sich bei der tariflichen Regelung gemäß § 1 Abs. 4 Nr. 2 in Verbindung mit Abs. 2 Nr. 3 a Zuw-TV um eine Ausnahme vom Grundsatz der Rückzahlungspflicht gemäß § 1 Abs. 5 Zuw-TV handelt. Derartige tarifliche Ausnahmeregelungen sind grundsätzlich eng auszulegen (ständige Rechtsprechung des BAG vgl. zuletzt Urteil vom 15. November 1990 - 6 AZR 119/89 - NZA 1991, 315 = BB 1991, 478 = DB 1991, 811; Urteil vom 13. Januar 1981 - 6 AZR 678/78 - AP Nr. 2 zu § 46 BPersVG).
3. Der Aufrechnung mit dem tariflichen Rückzahlungsanspruch gegen den Vergütungsanspruch der Klägerin für den Monat März 1988 steht auch nicht das Aufrechnungsverbot des § 394 BGB in Verbindung mit § 850 c ZPO entgegen. Danach kann gegen eine unpfändbare Gehaltsforderung nicht aufgerechnet werden. Dieses Aufrechnungsverbot gilt jedoch dann nicht, wenn die Aufrechnung einverständlich erfolgt (vgl. BAG Urteil vom 18. August 1976 - 5 AZR 95/75 - AP Nr. 4 zu § 613 a BGB). Die Klägerin hat sich mit ihrem ausdrücklichen Verzicht auf das Aufrechnungsverbot in der Berufungsinstanz mit der vom beklagten Land vorgenommenen Aufrechnung einverstanden erklärt. Die Aufrechnung war damit zulässig.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Dr. Jobs Dörner
zugleich für den wegen
Pensionierung an der
Unterschriftsleistung verhinderten
Dr. Röhsler
Dr. Gehrunger Schwarck
Fundstellen
Haufe-Index 440882 |
ZTR 1991, 514-515 (ST1-3) |
ZfPR 1992, 51 (S) |