Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenbezüge bei Fortsetzungserkrankung

 

Leitsatz (amtlich)

  • Wird ein Angestellter des öffentlichen Dienstes aufgrund derselben Ursache erneut arbeitsunfähig krank (Fortsetzungserkrankung) und hat er nicht mindestens vier Wochen wieder gearbeitet (§ 37 Abs 5 Unterabs 1 BAT), wird kein neuer Anspruchszeitraum begründet.
  • Nach der Protokollnotiz zu § 37 Abs 5 Unterabs 1 BAT ist ein Erholungsurlaub auf die Vier-Wochen-Frist anzurechnen, wenn der Urlaub im Urlaubsplan vorgesehen war oder der Arbeitgeber ihn verlangt hatte. Muß der Angestellte vor Ablauf der Vier-Wochen-Frist einen Urlaub antreten, weil er sonst verfällt, so ist auch ein solcher Urlaub auf die Frist nach § 37 Abs 5 Unterabs 1 BAT anzurechnen.
 

Normenkette

BAT (i. d. F. vom 3. April 1987) § 37 Abs. 2; BAT (i. d. F. vom 3. April 1987) § 37 Abs. 5; BAT (i. d. F. vom 3. April 1987) § 47 Abs. 7; BPersVG § 75 Abs. 3 Nr. 3; BetrVG § 87 Abs. 1 Nr. 5

 

Verfahrensgang

LAG Saarland (Urteil vom 07.06.1989; Aktenzeichen 1 Sa 3/89)

ArbG Saarbrücken (Urteil vom 16.12.1988; Aktenzeichen 1 Ca 212/88)

 

Tenor

  • Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Saarland vom 7. Juni 1989 – 1 Sa 3/89 – aufgehoben.
  • Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Saarbrücken vom 16. Dezember 1988 – 1 Ca 212/88 – wird zurückgewiesen.
  • Die Beklagte hat die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Klägerin ist bei der Standortverwaltung der Beklagten in S… als Angestellte beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis ist der BAT anzuwenden. Die Parteien streiten darüber, ob der Klägerin für die Zeit vom 6. Juni bis zum 18. August 1987 Krankenbezüge zustehen. Hierbei geht es entscheidend darum, ob die Zeit des Resturlaubs für 1986, den die Klägerin vom 28. April bis zum 12. Mai 1987 genommen hat, als Zeit geleisteter Arbeit im Sinne von § 37 Abs. 5 Unterabs. 1 BAT anzusehen ist.

Die Klägerin war vom 21. Oktober 1986 bis zum 15. April 1987 arbeitsunfähig krank und erhielt für diese Zeit (= fast 26 Wochen) Krankenbezüge. Vom 16. bis zum 27. April 1987 (12 Kalendertage) setzte sie ihre Arbeit fort. Vom 28. April bis zum 12. Mai 1987 nahm sie ihren Resturlaub aus dem Jahr 1986. Anschließend arbeitete sie wieder vom 13. bis zum 25. Mai (13 Kalendertage). Danach nahm sie Urlaub für das laufende Urlaubsjahr 1987 vom 26. Mai bis zum 1. Juni. Später war die Klägerin vom 2. Juni bis 18. August 1987 zur Kur und während dieser Zeit aufgrund derselben Ursache wie früher arbeitsunfähig krank. Die Beklagte gewährte ihr Krankenbezüge bis zum 5. Juni 1987 (Ende der 26-Wochen-Frist).

Mit ihrer Klage verlangt die Klägerin die weitere Zahlung von Krankenbezügen für die Zeit vom 6. Juni bis zum 18. August 1987 abzüglich des von der Krankenkasse erhaltenen Übergangsgeldes.

Die Klägerin hat geltend gemacht, ihr stünden für weitere 26 Wochen Krankenbezüge zu, da die Zeit vom 28. April bis zum 12. Mai 1987 auf die Vier-Wochen-Frist des § 37 Abs. 5 Unterabs. 1 BAT angerechnet werden müsse. Die Beklagte sei im Rahmen der Fürsorgepflicht gehalten gewesen, ihr den restlichen Urlaub aus dem Jahr 1986 bis zum 30. April 1987 zu gewähren, so daß dieser als auf Verlangen der Beklagten genommen anzusehen sei. Außerdem sei der Urlaub im Urlaubsplan der Beklagten vorgesehen gewesen. Zum Urlaubsplan gehörten auch alle Grundsätze, nach denen der Urlaub zu bewilligen sei, damit auch die Regelung des § 47 Abs. 7 BAT, wonach der Urlaub, der wegen Krankheit nicht bis zum Ende des Urlaubsjahres angetreten werden könne, bis zum 30. April, spätestens bis zum 30. Juni des folgenden Jahres angetreten werden müsse. Daher sei der Arbeitgeber verpflichtet, den Urlaubsantritt noch bis zu diesem Zeitpunkt zu ermöglichen.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie … 852,85 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 20. September 1988 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat vorgetragen, die Klägerin habe in der Zeit vom 16. April bis zum 1. Juni 1987 nur 25 Tage gearbeitet und damit die Vier-Wochen-Frist des § 37 Abs. 5 BAT nicht erfüllt. Aufgrund der Fürsorgepflicht sei sie, die Beklagte, nicht gehalten gewesen, darauf zu achten, daß der Urlaub der Klägerin nicht verfalle. Der Arbeitnehmer müsse seinen Urlaub rechtzeitig geltend machen. Erst wenn der Arbeitgeber einen Urlaubsplan aufstelle, sei er verpflichtet, den auf diese Weise konkretisierten Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers zu erfüllen. Der von der Klägerin genommene Resturlaub vom 28. April bis zum 12. Mai 1987 sei im Urlaubsplan nicht vorgesehen gewesen. Außerdem sei der Antritt des Resturlaubes vom Arbeitgeber nicht verlangt worden.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht die Klage abgewiesen. Dagegen richtet sich die Revision, mit der die Klägerin ihr Klageziel weiterverfolgt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet.

I. Das Landesarbeitsgericht hat den erhobenen Anspruch verneint, weil die Klägerin zwischen dem Ende ihrer ersten Krankheit und dem Beginn der Fortsetzungskrankheit nicht vier Wochen gearbeitet habe. Damit seien die Voraussetzungen des § 37 Abs. 5 Unterabs. 1 BAT nicht erfüllt, wonach der Angestellte für weitere Zeiten der Arbeitsunfähigkeit Krankenbezüge verlangen kann. Vielmehr habe die Klägerin nur Anspruch auf Krankenbezüge für insgesamt 26 Wochen. Diesen Anspruch habe die Beklagte jedoch erfüllt. Der Urlaub der Klägerin vom 28. April bis zum 12. Mai 1987 sei auf die Arbeitszeiten vom 16. bis zum 27. April und vom 13. bis zum 25. Mai 1987 nicht anzurechnen, weil er nicht im Urlaubsplan vorgesehen gewesen sei und weil ihn die Beklagte auch nicht verlangt habe.

Dem kann nicht gefolgt werden.

II.1. Nach § 37 Abs. 1 BAT werden dem Angestellten im Falle einer durch unverschuldete Krankheit verursachten Arbeitsunfähigkeit Krankenbezüge gezahlt. § 37 Abs. 2 Unterabs. 1 Satz 1 und Satz 2 BAT regeln in eingehender Abstufung, bis zu welcher Dauer dem Angestellten bei einer durch Krankheit verursachten Arbeitsunfähigkeit das Arbeitsentgelt in Gestalt von Krankenbezügen weiterzuzahlen ist. Bei einer Dienstzeit von mehr als zehn Jahren hat der Angestellte Anspruch auf Gewährung von Krankenbezügen bis zum Ende der 26. Woche seit dem Beginn der Arbeitsunfähigkeit. Bei Fortsetzungskrankheiten entsteht die Leistungspflicht des Arbeitgebers jedoch nicht mit jeder einzelnen Erkrankung von neuem, vielmehr werden in einem solchen Fall, wenn der Angestellte nicht mindestens vier Wochen wieder gearbeitet hat, Krankenbezüge “insgesamt nur für die nach Abs. 2 maßgebende Zeit gezahlt” (§ 37 Abs. 5 Unterabs. 1 BAT).

Soweit diese Bestimmung den Grundsatz einschränkt, daß für jede krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit ein Gehaltsfortzahlungsanspruch bis zur Dauer der jeweils nach § 37 Abs. 2 BAT maßgeblichen Bezugsfrist besteht, stellt sie im Ergebnis eine Zumutbarkeitsregelung dar. Dem Angestellten, der nicht mindestens vier Wochen wieder tatsächlich gearbeitet hat und der aufgrund derselben Krankheitsursache erneut arbeitsunfähig wird, werden Krankenbezüge insgesamt nur für die von § 37 Abs. 2 BAT angeordnete Dauer gezahlt. Danach wird eine neue Bezugsfrist zu Lasten des Arbeitgebers nicht in Lauf gesetzt, wenn das Grundleiden des Angestellten in einem zeitlichen Abstand von weniger als vier Wochen erneut aufgetreten ist und wiederum zur Arbeitsunfähigkeit geführt hat. In diesem Fall werden die Krankheitszeiten zusammengerechnet, als ob der Angestellte ohne Unterbrechung wegen einer einzigen Krankheit arbeitsunfähig gewesen wäre. Hat der Angestellte dagegen vier Wochen oder länger wieder gearbeitet, so wird ohne Rücksicht auf einen möglichen medizinischen Zusammenhang zwischen der alten Krankheit und einer erneut aufgetretenen Krankheit – arbeitsrechtlich – der Fortsetzungszusammenhang zwischen der früheren und der erneut aufgetretenen Arbeitsunfähigkeit unterbrochen. In diesem Falle ist die spätere Arbeitsunfähigkeit als neue Krankheit anzusehen; sie löst deshalb auch einen neuen Anspruch auf Gehaltsfortzahlung aus (so bereits BAGE 48, 235, 244 f. = AP Nr. 7 zu § 37 BAT, zu B II 3 der Gründe).

Von dem Erfordernis, daß der Angestellte bei einer Fortsetzungskrankheit zwischen den beiden Krankheitszeiträumen mindestens vier Wochen wieder tatsächlich gearbeitet haben muß, stellt die Protokollnotiz zu § 37 Abs. 5 Unterabs. 1 BAT zwei Ausnahmen auf: Die Voraussetzung des Mindestzeitraums von vier Wochen wird als erfüllt angesehen, wenn der Angestellte innerhalb dieses Zeitraumes nach Arbeitsaufnahme einen Erholungsurlaub antritt, weil dies im Urlaubsplan vorgesehen war oder weil der Arbeitgeber dies verlangt hatte.

2. Die Klägerin hatte gemäß § 37 Abs. 2 BAT Anspruch auf Gehaltsfortzahlung bis zum 5. Juni 1987. Für die Zeit vom 6. Juni bis zum 18. August 1987 könnte sie Gehaltsfortzahlung verlangen, wenn sie vom 16. April bis zum 1. Juni 1987 vier Wochen gearbeitet hätte. Das war zwar nicht der Fall, jedoch muß der aus dem Jahre 1986 stammende Resturlaub von zehn Tagen, den die Klägerin in der Zeit vom 28. April bis zum 12. Mai 1987 genommen hat, auf die Zwischenfrist von vier Wochen angerechnet werden.

Der Begriff des Urlaubsplanes wird weder vom Gesetz (§ 75 Abs. 3 Nr. 3 BPersVG, § 87 Abs. 1 Nr. 5 BetrVG) noch vom BAT definiert. In der Literatur wird er umschrieben. Danach ist unter Urlaubsplan zu verstehen das Programm für die zeitliche Reihenfolge, in der den Beschäftigten Erholungsurlaub erteilt wird. Der Urlaubsplan kann sich darauf beschränken, allgemeine Grundsätze für die Erteilung des Urlaubs aufzustellen, er kann aber auch bis in die Einzelheiten hinein die Lage des Urlaubs der einzelnen Beschäftigten festlegen (vgl. Dietz/Richardi, BPersVG, 2. Aufl., § 75 Rz 254, 255, 256; vgl. ferner Fitting/Auffarth/Kaiser/Heither, BetrVG, 16. Aufl., § 87 Rz 60, die davon sprechen, der Urlaubsplan sei auf Grund der allgemeinen Urlaubsgrundsätze aufzustellen). Ein Urlaubsplan in diesem Sinne hat bei der Beklagten in der Dienststelle, in der die Klägerin tätig war, nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht bestanden. Darauf kann sich die Beklagte jedoch nicht berufen.

Ein Urlaubsplan muß die für die Erteilung des Urlaubs maßgeblichen Grundsätze beachten. Dazu gehören auch die besonderen Regelungen eines Tarifvertrages über die Übertragung und den Verfall des Urlaubsanspruchs. Diese Regelungen ergeben sich für den Streitfall aus § 47 Abs. 7 Unterabs. 1 sowie Unterabs. 2 Satz 1 und Unterabs. 4 BAT. Danach ist der Urlaub spätestens bis zum Ende des Urlaubsjahres anzutreten; kann das u. a. wegen Arbeitsunfähigkeit nicht geschehen, muß er bis zum 30. Juni angetreten werden; ist der Urlaub nicht fristgerecht angetreten, verfällt er.

Für die Klägerin bedeutet dies, daß sie ihren aus dem Jahre 1986 übertragenen Resturlaub von 10 Tagen bis zum 30. April 1987 angetreten haben mußte, wenn er nicht verfallen sollte. Ein späterer Urlaubsantritt bis zum 30. Juni kam nicht in Betracht, weil keiner der Gründe vorlag, von denen nach § 47 Abs. 7 Unterabs. 2 Satz 1 BAT die Übertragung des Resturlaubs über den 30. April hinaus abhing. Die Klägerin war daher nicht frei in der Entscheidung, ob sie vier Wochen tatsächlich arbeiten oder ihren Resturlaub antreten wollte. Jedenfalls brauchte sie den Resturlaub nicht verfallen zu lassen, um die Vier-Wochen-Frist der Arbeitsleistung zu erfüllen. Das hätte die Beklagte von ihr ebensowenig verlangen können wie ein Urlaubsplan es hätte regeln dürfen. Insgesamt war die Klägerin danach wegen des drohenden Verfalls des Urlaubsanspruchs ebenso einem Zwang zum Urlaubsantritt ausgesetzt wie bei einem bestehenden Urlaubsplan oder einem entsprechenden Verlangen des Arbeitgebers. Das rechtfertigt es, die hier gegebene Fallgestaltung unter den Begriff des Urlaubsplans in der Protokollnotiz zu § 37 Abs. 5 Unterabs. 1 BAT fallen zu lassen. Denn die der getroffenen Regelung zugrunde liegende Erwägung, daß nur ein nicht vom Belieben des Angestellten abhängiger Urlaubsantritt wie tatsächliche Arbeit gewertet werden soll, trifft auch zu, wenn der drohende Verfall des Urlaubs nur durch seinen Antritt vermieden werden kann.

Hiermit steht die in der Kommentarliteratur vertretene Auffassung im Einklang, wonach der Arbeitgeber aufgrund seiner Fürsorgepflicht dem Angestellten gegenüber gehalten ist, dafür zu sorgen, daß dieser seinen restlichen, noch nicht genommenen und damit übertragenen Urlaub aus dem Vorjahr bis zum 30. April antritt (vgl. Uttlinger/Breier/Kiefer, BAT, Stand 1. Januar 1990, § 47, Erl. 26).

3. Der Klägerin läßt sich schließlich auch nicht entgegenhalten, sie hätte den ihr noch zustehenden restlichen Urlaub vom 16. April 1987 an – dem Tag nach Beedigung ihrer Krankheit – nehmen und dann am 5. Mai ihren Dienst wieder aufnehmen können, weil die Dauer bis zum 1. Juni die Vier-Wochen-Frist gerade noch hätte erfüllen können. Die Protokollnotiz zu § 37 Abs. 5 Unterabs. 1 BAT verlangt nach Krankheitsende zunächst die Arbeitsaufnahme. Erst danach kann der im Urlaubsplan vorgesehene oder vom Arbeitgeber verlangte Urlaub genommen werden. Auch insoweit war die Klägerin nicht frei in ihrer den Resturlaub betreffenden Entschließung.

 

Unterschriften

Dr. Thomas, Dr. Gehring, Dr. Olderog, Dr. Frey, Buschmann

 

Fundstellen

Haufe-Index 841045

BAGE, 260

BB 1990, 1560

RdA 1990, 255

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