Entscheidungsstichwort (Thema)
Interessenausgleich und Sozialplan im Konkurs
Leitsatz (amtlich)
Ein Anspruch auf Abfindung im Rang des § 61 Abs. 1 Nr. 1 KO setzt nach den Vorschriften über den Sozialplan im Konkurs- und Vergleichsverfahren einen Sozialplan iS von § 112 BetrVG voraus. Eine entsprechende Anwendung dieser Bestimmungen auf eine als Sozialplan bezeichnete Vereinbarung zwischen dem Konkursverwalter und allen Arbeitnehmern eines Betriebs mit in der Regel mehr als zwanzig wahlberechtigten Arbeitnehmern kommt nicht in Betracht.
Ob ein Arbeitnehmer die im Feststellungsrechtsstreit nach § 146 Abs. 1 KO verfolgte Forderung auf den Grund stützt, den er in der Anmeldung zur Konkurstabelle angegeben hat (§ 146 Abs. 4 KO), bestimmt sich aus der Sicht der konkurrierenden Konkursgläubiger. Ein angemeldeter „Anspruch nach § 61 Abs. 1 Nr. 1 KO: aus Sozialplan” ist nicht deckungsgleich mit einem zwischen dem Konkursverwalter und dem Arbeitnehmer vereinbarten Masseanspruch auf Abfindung.
Normenkette
GG Art. 3 Abs. 1; BetrVG §§ 111-112; SozplKonkG § 1; KO § 59 Abs. 1, § 61 Abs. 1 Nr. 1, §§ 139, 146 Abs. 1, 4
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 9. Oktober 1998 – 3 Sa 561/98 – aufgehoben.
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Osnabrück vom 27. Januar 1998 – 1 Ca 554/97 – abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.
Tatbestand
Der Kläger war Arbeitnehmer der I. GmbH & Co. KG, in deren Betrieb regelmäßig mehr als 20 Arbeitnehmer beschäftigt waren. Einen Betriebsrat hatten die Arbeitnehmer nicht gewählt. Über das Vermögen der Arbeitgeberin wurde am 1. Februar 1994 das Konkursverfahren (28 N 201/94 Amtsgericht Osnabrück) eröffnet und der Beklagte zum Konkursverwalter bestellt. Dieser kündigte allen Arbeitnehmern und legte den Betrieb still. Am 29. April 1994 schloß der Beklagte in einer Betriebsversammlung mit „den Arbeitnehmern der…” einen „Interessenausgleich und Sozialplan”. Dort heißt es ua.:
„I. Interessenausgleich
Geltungsbereich
…
Betriebsstillegung
Die Mitarbeiter sind seit dem 01.02.1994 von der Arbeit freigestellt. Eine Fortführung des Betriebes im Rahmen des Konkursverfahrens erscheint ausgeschlossen, da die dafür notwendigen Mittel nicht zur Verfügung stehen.
Der Betrieb kann daher im Rahmen des Konkursverfahrens nicht wieder aufgenommen werden, ausgenommen hiervon ist eine Notmannschaft, die für die Abwicklung von Restarbeiten, Konkursausfallgeld-Bearbeitung, Prüfung und Abwicklung von Eigentumsvorbehalten sowie Forderungseinzug usw. erforderlich ist.
II. Sozialplan
Geltungsbereich
…
Grundsätze
Für den Ausgleich bzw. zur Milderung der wirtschaftlichen Nachteile, die den Arbeitnehmern, die unter den persönlichen Geltungsbereich dieses Sozialplans fallen, infolge der Insolvenz der oben angeführten Firma und der Betriebsschließung entstanden sind oder entstehen, wird auf der Grundlage des Gesetzes über den Sozialplan im Konkurs- und Vergleichsverfahren vom 20.01.1985 die Zahlung folgender Leistungen vereinbart.
Sozialplanvolumen
Das Volumen des Sozialplanes wird gemäß § 2, Gesetz über den Sozialplan im Konkurs- und Vergleichsverfahren zunächst auf das 2,5fache der Monatsverdienste der Arbeitnehmer im Abrechnungsmonat Januar 1994 in Höhe von 219.866,13 DM festgelegt.
Dieses Sozialplanvolumen gilt vorbehaltlich der noch zu ermittelnden Konkursmasse und wird gegebenenfalls entsprechend § 4, Gesetz über den Sozialplan im Konkurs- und Vergleichsverfahren nach unten korrigiert.
Sollte eine Korrektur des Sozialplanvolumens nach Abschluß des Konkurses notwendig werden, erfolgt die Zahlung der ermittelten Abfindungen im gleichen Verhältnis.
Individuelle Leistungen aus diesem Sozialplan
Das oben angeführte Sozialplanvolumen wird gemäß Anlage auf die Arbeitnehmer verteilt.
Stichtag für die Berechnung von Lebensalter und Betriebszugehörigkeit ist in jedem Fall das individuelle Ende des Arbeitsverhältnisses.
Die Abfindungen gemäß Anlage sind solche im Sinne der §§ 9, 10 KSchG in Verbindung mit § 3 Ziff. 9 EStG. Sie werden bis zu den gesetzlichen Höchstgrenzen der steuerlichen Freibeträge steuer- und sozialversicherungsfrei gegen Ausgleichsquittung ausgezahlt.
Aussetzung des Sozialplans
Erhebt ein Arbeitnehmer gegen die Entlassung Klage, so ruhen die Ansprüche aus diesem Sozialplan bis zum rechtskräftigen Abschluß des Kündigungsschutzprozesses. Wird im Kündigungsschutzprozeß eine Abfindung zuerkannt oder im Vergleichswege vereinbart, so werden Leistungen nach diesem Sozialplan auf die Abfindung angerechnet bzw. mit der Abfindung verrechnet.”
Darunter befinden sich die Unterschrift des Beklagten, die er mit dem Zusatz „unter Vorbehalt der gerichtlichen Bestätigung” versehen hat, und seitlich ausgerückt der Text „Arbeitnehmer laut Anlage”. In der Anlage mit der Überschrift „Sozialplanvolumen” sind die Arbeitnehmer namentlich aufgeführt. Die Gesamtsumme des Sozialplans beträgt 219.866,13 DM; hiervon sind 17.852,96 DM für den Kläger vorgesehen. Der Kläger meldete diesen Betrag zur Konkurstabelle mit der Begründung an: „meine noch ausstehenden Ansprüche nach § 61 Abs. 1 Ziff. 1 KO: aus Sozialplan”. Der Beklagte hat die Forderung bestritten.
Mit seiner im September 1997 erhobenen und im November 1997 um den Hilfsantrag erweiterten Klage hat der Kläger beantragt,
seine Forderung in Höhe von 17.852,96 DM aus dem Sozialplan der Gemeinschuldnerin zur Konkurstabelle des Amtsgerichts Osnabrück, Aktenzeichen 28 N 201/94, im Range des § 61 Abs. 1 Nr. 1 a KO festzustellen mit der Maßgabe, daß die Feststellung unter dem Vorbehalt der Korrektur gemäß § 4 Gesetz über den Sozialplan im Konkurs- und Vergleichsverfahren erfolgt;
hilfsweise,
- zu erkennen, daß die Forderung aus der vertraglichen Vereinbarung zwischen dem Konkursverwalter der Gemeinschuldnerin und ihm in Höhe von 17.852,96 DM zur Konkurstabelle des Amtsgerichts Osnabrück, Aktenzeichen 28 N 201/94, im Range einer Masseschuld des § 59 Abs. 1 KO festgestellt wird.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Das Arbeitsgericht und das Landesarbeitsgericht haben dem Hauptantrag mit der Maßgabe stattgegeben, festgestellt werde eine Forderung „aus Interessenausgleich und Sozialplan”. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt der Beklagte Abweisung der Klage. Der Kläger beantragt deren Zurückweisung.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Beklagten ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Entscheidung der Vorinstanzen und zur Abweisung der Klage.
A. Die Revision ist zulässig. Das für die Einlegung des Rechtsmittels erforderliche Rechtsschutzbedürfnis ist gegeben; der Beklagte ist durch die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts beschwert. Gegen eine Belastung der Konkursmasse mit einem kollektivrechtlich begründeten Anspruch des Klägers hätte er zwar keine rechtlichen Bedenken, wie er ausdrücklich anführt. Das Landesarbeitsgericht hat aber einen einzelvertraglich begründeten Anspruch des Klägers bejaht und die vom Beklagten gegen einen solchen Anspruch erhobene Einrede der Verjährung nicht greifen lassen.
B. Die Revision hat auch in der Sache Erfolg.
I.1. Der Hauptantrag ist zulässig, soweit der Kläger mit ihm die Feststellung eines kollektivrechtlich begründeten Anspruchs begehrt.
a) Der Antrag ist hinreichend bestimmt im Sinne von § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Betrag und Rang der Forderung sind angegeben. Das Feststellungsinteresse des Klägers folgt aus § 146 Abs. 1 KO. Eine zur Konkurstabelle angemeldete Forderung, die bestritten geblieben ist, kann vom Gläubiger durch Feststellungsklage gerichtlich verfolgt werden.
b) Die besondere Sachurteilsvoraussetzung iS von § 146 Abs. 4 KO liegt vor. Angemeldeter und gerichtlich verfolgter Anspruch sind deckungsgleich. Der angemeldete Forderungsgrund „Sozialplan” ist zwar ein Rechtsbegriff. Die Verwendung eines Rechtsbegriffs ist aber unschädlich, wenn aus ihm auf die zugrundeliegenden Tatsachen geschlossen werden kann. Der Begriff „Sozialplan” ist in § 112 Abs. 1 Satz 2 BetrVG gesetzlich bestimmt. Er ist eine zwischen Betriebsrat und Unternehmer getroffene Vereinbarung über den Ausgleich oder die Milderung wirtschaftlicher Nachteile, die sich für die Arbeitnehmer aus einer wesentlichen Betriebsänderung im Sinne von § 111 BetrVG ergeben. Auch wenn an dem „Sozialplan” kein Betriebsrat beteiligt war, hat der Kläger deutlich gemacht, daß er seinen Anspruch auf eine solche kollektivrechtlich verstandene Vereinbarung mit dem Beklagten stützt.
2. Die insoweit zulässige Klage ist unbegründet. Der Kläger hat aus dem Sozialplan keine Forderung von 17. 852,96 DM, die im Rang des § 61 Abs. 1 Nr. 1 KO festzustellen ist.
a) Ein Anspruch des Klägers läßt sich nicht aus § 112 Abs. 1 Satz 4 BetrVG iVm. § 77 Abs. 2 BetrVG herleiten. Ein Anspruch auf Abfindung setzt nach diesen Vorschriften einen Sozialplan iS des BetrVG voraus. An seinem Zustandekommen muß ein im Betrieb gewählter Betriebsrat mitgewirkt haben. Daran fehlt es. Damit sind auch die Vorschriften über den Sozialplan im Konkurs nicht anzuwenden. In § 1 SozplKonkG ist ausdrücklich auf § 112 BetrVG Bezug genommen. Andere Ansprüche auf Abfindung sind damit nicht nach § 4 SozplKonkG im Rang des § 61 Abs. 1 Nr. 1 KO zu berichtigen.
b) Eine entsprechende Anwendung dieser Vorschriften kommt nicht in Betracht. Weder das BetrVG noch das SozplKonkG sind planwidrig lückenhaft.
Der Ausschluß der Arbeitnehmer eines Betriebs ohne gewählten Betriebsrat aus dem Geltungsbereich der §§ 111 ff. BetrVG entspricht der Grundentscheidung des Gesetzgebers zur Betriebsverfassung. Haben die Arbeitnehmer die Wahl eines Betriebsrats versäumt, hat es damit sein Bewenden. Eine Auffangzuständigkeit der Belegschaft oder einer Mehrheit von Arbeitnehmern zur Wahrnehmung der dem Betriebsrat nach Maßgabe des BetrVG zustehenden Aufgaben besteht nicht.
Der auf Sozialpläne im Sinne des BetrVG beschränkte Geltungsbereich des SozplKonkG beruht ebenfalls auf einer bewußten Entscheidung des Gesetzgebers. Nach der vom Bundesverfassungsgericht als verfassungswidrig beurteilten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts waren Ansprüche aus einem Sozialplan im Konkurs des Arbeitgebers in der sogenannten Rangstelle Null vor den in § 61 Abs. 1 Nr. 1 KO genannten Forderungen zu berichtigen (BVerfG 19. Oktober 1983 – 2 BvR 485/80 – BVerfGE 65, 182; BAG 13. Dezember 1978 – GS 1/77 – BAGE 31, 177; 19. Dezember 1979 – 5 AZR 96/76 – AP BetrVG 1972 § 112 Nr. 10). Dem hat der Gesetzgeber Rechnung getragen und für Sozialplanansprüche eine eigenständige konkursrechtliche Lösung bestimmt. Andere Ansprüche von Arbeitnehmern auf Abfindung oder Nachteilsausgleich nach §§ 9, 10 KSchG, § 113 BetrVG oder einer Individualvereinbarung sind nach den allgemeinen konkursrechtlichen Bestimmungen zu behandeln (vgl. BAG 9. Juli 1985 – 1 AZR 323/83 – BAGE 49, 160).
c) Eine im Konkurs bevorrechtigte Forderung des Klägers läßt sich entgegen der Auffassung der Parteien nicht mit dem Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG begründen. Die Parteien machen zwar zutreffend geltend, daß Arbeitnehmer, die wegen einer insolvenzbedingten Betriebsstillegung ihren Arbeitsplatz verlieren, ungleich behandelt werden. Sind sie in einem Betrieb mit regelmäßig mehr als 20 wahlberechtigten Arbeitnehmern beschäftigt, können sie einen gesetzlich im Konkurs bevorrechtigten Sozialplananspruch auf Abfindung erwerben, wenn sie einen Betriebsrat gewählt haben. Haben die Arbeitnehmer die Wahl eines Betriebsrats unterlassen, entfällt diese rechtliche Möglichkeit.
aa) Art. 3 Abs. 1 GG verbietet, Ungleiches gleich und Gleiches ungleich zu behandeln. Nicht jede Ungleichbehandlung vergleichbarer Sachverhalte ist verfassungswidrig. Untersagt sind nur solche Differenzierungen, die sich bei näherer Prüfung als sachfremd oder willkürlich erweisen. Deshalb kommt es nicht darauf an, ob der Gesetzgeber unter den verschiedenen Möglichkeiten die gerechteste und zweckmäßigste Lösung getroffen hat. Ein engerer Prüfungsmaßstab ist angezeigt, wenn es um die Abgrenzung eines Personenkreises geht, für den eine gesetzliche Regelung gelten soll. Eine solche Differenzierung ist nur dann verfassungsrechtlich unbedenklich, wenn Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, daß sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen. Eine personenbedingte Benachteiligung und ein entsprechender Prüfmaßstab sind dann gegeben, wenn die Benachteiligten durchgängig von der Ungleichbehandlung belastet werden, weil sie den begünstigten Sachverhalt in ihrer Person nicht oder nur schwer erfüllen können (BAG 17. Oktober 1989 – 1 ABR 80/88 – BAGE 63, 162).
bb) Eine personenbedingte Benachteiligung des Klägers liegt nicht vor. Er wird nicht deshalb ungleich behandelt, weil er aufgrund der gesetzlichen Bestimmungen keine rechtliche Möglichkeit gehabt hätte, aufgrund eines Sozialplans iS von § 112 BetrVG einen im Konkurs bevorrechtigten Abfindungsanspruch zu erwerben. Sie beruht vielmehr auf dem Umstand, daß die Arbeitnehmer der Gemeinschuldnerin keinen Betriebsrat gewählt hatten, obwohl der Betrieb sowohl betriebsratsfähig (§ 1 BetrVG) wie auch aufgrund der regelmäßigen Beschäftigtenzahl von mehr als zwanzig wahlberechtigten Arbeitnehmern (§ 111 BetrVG) sozialplanfähig war. Der danach anzulegende allgemeine Willkürmaßstab ist nicht verletzt. Der Gleichheitssatz gebietet nicht, das Versäumnis der Arbeitnehmer auszugleichen.
II. Eine Forderung zugunsten des Klägers aus dem „Interessenausgleich und Sozialplan” ist nicht aus anderen Gründen im Rang des § 61 Abs. 1 Nr. 1 KO festzustellen. Der Hauptantrag ist insoweit unzulässig.
1. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, der Beklagte habe mit dem Kläger vereinbart, daß dieser einen einzelvertraglichen Anspruch gegen die Konkursmasse erwerbe. Zugleich hätten die Parteien einen Rangrücktritt dieses Anspruchs auf den Rang des § 61 Abs. 1 Nr.1 KO vereinbart. Die Verjährungsfrist für diesen Anspruch betrage 30 Jahre, so daß nicht zu entscheiden sei, ob der Kläger ihn verjährungsunterbrechend zur Konkurstabelle angemeldet habe.
2. Das ist nicht richtig. Das Landesarbeitsgericht konnte nicht offen lassen, ob der Kläger diese Forderung zur Konkurstabelle angemeldet hat. Nach § 146 Abs. 4 KO kann die konkursrechtliche Feststellungsklage des § 146 Abs. 1 KO nur auf den Grund der Forderung gestützt werden, den der Gläubiger in der Anmeldung zur Konkurstabelle nach § 139 KO oder dem Prüfungstermin angegeben hat. Fehlt diese von Amts wegen zu berücksichtigende Sachurteilsvoraussetzung, ist die Klage als zur Zeit unzulässig zurückzuweisen (vgl. BAG 3. Dezember 1985 – 1 AZR 545/84 – BAGE 50, 221). Die Regelung in § 146 Abs. 4 KO ist zwingend und keiner Vereinbarung durch die Prozeßparteien zugänglich. Auch § 268 ZPO, wonach eine vom Gericht zugelassene Klageänderung unanfechtbar ist, ist insoweit nicht anzuwenden (Thomas/Putzo ZPO 21. Aufl. § 268 Rn. 3; Zöller/Greger ZPO 20. Aufl. § 268 Rn. 2). Es ist deshalb unerheblich, daß die Vorinstanzen diese Frage nicht geprüft und ohne nähere Ausführungen zu einer möglichen Klageänderung über einen individualrechtlichen Anspruch des Klägers entschieden haben.
3. Dieser Rechtsfehler des Landesarbeitsgerichts führt indessen nicht zur Zurückverweisung des Rechtsstreits. Der Senat kann selbst entscheiden, da die zugrunde liegenden Tatsachen festgestellt sind und weiterer Sachvortrag nicht zu erwarten ist (§ 565 Abs. 3 ZPO). Der Kläger hat den erhobenen Anspruch ausschließlich schriftlich auf dem ihm vom Beklagten überlassenen Formblatt zur Konkurstabelle angemeldet.
a) „Grund” im Sinne von §§ 139, 146 Abs. 4 KO ist der Sachverhalt, aus dem der Gläubiger die beanspruchte Forderung herleitet. Hierzu gehören alle Tatsachen, die sich bei einer natürlichen Betrachtung dem in der Anmeldung angegebenen Tatsachenkomplex zuordnen lassen. Das schließt eine Änderung des angegebenen Anspruchs dann nicht aus, wenn nur das tatsächliche Vorbringen unwesentlich ergänzt wird und der eigentliche Klagegrund unverändert bleibt.
Welcher Anspruchsgrund die Forderung stützen soll, bestimmt sich aus der Sicht der konkurrierenden Konkursgläubiger, da jede zur Konkurstabelle festgestellte Forderung die Konkursmasse belastet und damit ihre Aussichten mindert, Befriedigung zu erlangen. Sie können deshalb der Anmeldung widersprechen und damit die gerichtliche Verfolgung des behaupteten Anspruchs veranlassen. Unterstrichen wird diese Schutzfunktion von § 146 Abs. 4 KO durch die Regelung in § 147 KO. Danach wirkt das Feststellungsurteil zugleich für und gegen alle anderen Konkursgläubiger. Die Erstreckung der Rechtskraft auf die nicht am Prozeß beteiligten Gläubiger rechtfertigt sich aus ihrer vorherigen Einbindung in das Prüfungsverfahren. Das bedingt zugleich, daß die dort gemachten Angaben zum Anspruchsgrund sie auch tatsächlich in die Lage versetzen, eine sachliche Prüfung der angemeldeten Forderung vorzunehmen.
b) Diesen Anforderungen wird die Anmeldung des Klägers „meine noch ausstehenden Ansprüche nach § 61 Abs. 1 Nr. 1 KO: aus Sozialplan” nicht gerecht. Das gilt auch dann, wenn – wie zugunsten des Klägers zu unterstellen ist –, „Interessenausgleich und Sozialplan” dem Konkursgericht vorlagen und die Gläubiger mithin Einblick in diese Unterlagen nehmen konnten. Sie konnten dann zwar feststellen, daß an der Vereinbarung kein Betriebsrat beteiligt war. Daraus mußten sie aber entgegen der Auffassung des Klägers nicht ohne weiteres schließen, der Kläger mache unabhängig von den Vorschriften des Sozialplankonkursgesetzes oder ihrer entsprechenden Anwendung einen einzelvertraglichen Abfindungsanspruch geltend.
aa) Dagegen spricht bereits, daß „Interessenausgleich und Sozialplan” nach Aufbau, Wortlaut und Gegenstand in jeder Hinsicht den §§ 111 f. BetrVG nachgebildet sind. Als Grundlage wird allein das SozplKonkG genannt. Die dort für Sozialpläne bestimmten Grenzen des Gesamtvolumens sind ebenso berücksichtigt wie die Begrenzung der Berichtigung der Abfindungsansprüche bei unzureichender Konkursmasse.
bb) Die Anmeldung eines nach Auffassung des Klägers „an sich” gegebenen einzelvertraglichen Anspruchs wird zudem durch die gleichzeitige Anmeldung des Vorrechts nach § 61 Abs. 1 Nr. 1 KO verdeckt. Ein Abfindungsanspruch, der auf einer einzelvertraglichen Abrede mit dem Konkursverwalter beruht, ist keine Konkursforderung (§ 3 KO). Er nimmt als Masseanspruch nach § 59 Abs. 1 KO am Konkursverfahren nicht teil, ist deshalb auch nicht zur Konkurstabelle anzumelden, vielmehr nach § 57 KO vorweg aus der Konkursmasse zu befriedigen. Zwar ist rechtlich unbedenklich, wenn ein Arbeitnehmer mit dem Konkursverwalter vereinbart, daß ein solcher Masseanspruch nur nach Maßgabe von § 61 Abs. 1 Nr. 1 KO und mit der auf diese Rangstelle entfallenden Quote berichtigt wird. Der Anmeldung war dieser Sachverhalt indessen nicht zu entnehmen: Aus der angemeldeten Sozialplanforderung im Rang des § 61 Abs. 1 Nr. 1 KO wird nunmehr ein auf einer Individualvereinbarung beruhender Masseanspruch nach § 59 Abs. 1 Nr. 1 KO mit Rangrücktritt. Das läßt sich nicht als nur unwesentliche Erweiterung des tatsächlichen Sachverhalts oder als eine unbeachtliche andere rechtliche Beurteilung bewerten.
Die Erwägung des Landesarbeitsgerichts, die anderen Gläubiger würden hierdurch nicht benachteiligt, trifft zudem nicht zu. Die Beschränkung eines Massegläubigers auf die Konkursquote ist nur vorteilhaft, wenn der zurücktretende Gläubiger tatsächlich bereits Inhaber eines Masseanspruchs war. Abfindungsanspruch und Rangrücktritt wurden hier aber zeitgleich vereinbart. Die für den Kläger vorgesehene Abfindung würde daher unmittelbar die Konkursmasse schmälern.
cc) Auch der Umstand, daß der Beklagte seine Unterschrift vorbehaltllich der „gerichtlichen Bestätigung” geleistet hat, läßt sich mit der Angabe eines individualrechtlichen Anspruchsgrundes nicht vereinbaren. Aus Sicht der Gläubiger macht er nur Sinn, wenn er sich auf die Wirksamkeit der mitgeteilten kollektivrechtlichen Regelung bezieht. Der Konkursverwalter, der aufgrund seiner Vertretungsbefugnis (§ 6 Abs. 2 KO) mit einem Arbeitnehmer einzelvertraglich eine Abfindung vereinbart, setzt sich damit zwar gegenüber den am Konkurs Beteiligten der Gefahr einer persönlichen Haftung nach § 82 KO aus, wenn für die Begründung dieser Verbindlichkeit kein Grund besteht. Das ändert aber nichts an der Wirksamkeit dieser Abrede nach den allgemeinen Vorschriften des Schuldrechts. Der Vorbehalt konnte insoweit keine Bedeutung haben, weil jeder Anspruch nur nach „gerichtlicher Bestätigung” durchgesetzt werden kann.
III. Der vom Kläger gestellte Hilfsantrag ist unzulässig. Masseschulden sind nicht zur Konkurstabelle festzustellen.
IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
Unterschriften
Leinemann, Richter Düwell ist durch Krankheit verhindert zu unterschreiben Leinemann, Reinecke, Ott, Dr. Gaber
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 21.09.1999 durch Brüne, Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 436564 |
BB 1999, 2247 |
BB 2000, 1245 |
DB 1999, 2014 |
DB 2000, 1230 |
ARST 1999, 287 |
ARST 2000, 251 |
EWiR 2000, 689 |
FA 1999, 374 |
FA 2000, 198 |
KTS 2000, 442 |
NZA 2000, 662 |
SAE 2000, 215 |
ZIP 2000, 846 |
AP, 0 |
AuA 1999, 514 |
DZWir 2001, 364 |
NZI 2000, 337 |
NZI 2001, 88 |
ZInsO 2000, 568 |