Leitsatz (redaktionell)
Nach § 10 Nr. 5 der Manteltarifverträge für das Bäckerhandwerk in Nordrhein-Westfalen vom 2. Januar 1994 und 3. März 1997 hat ein Arbeitnehmer bei krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit keinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung in Höhe von 100 %.
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Höhe der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall.
Die Klägerin war bei der Beklagten in der Zeit vom 1. Juli 1996 bis zum 31. Januar 1997 als Verkäuferin beschäftigt. In der Zeit vom 9. Dezember 1996 bis zum 18. Januar 1997 und vom 22. Januar 1997 bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses war sie arbeitsunfähig erkrankt. Die Beklagte leistete Entgeltfortzahlung jeweils in Höhe von 80 % der regelmäßigen Vergütung. Die Klägerin verlangt Fortzahlung in voller - rechnerisch unstreitiger - Höhe.
Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien fanden die Manteltarifverträge für das Bäckerhandwerk in Nordrhein-Westfalen vom 2. Januar 1994 und vom 3. März 1997 - letzterer gültig ab dem 1. Januar 1997 - Anwendung. Beide Tarifverträge sind wortgleich. Der Manteltarifvertrag vom 3. März 1997 (MTV 1997) enthält lediglich die Vorschrift des § 18 des Manteltarifvertrages vom 2. Januar 1994 (MTV 1994) nicht mehr. Darin hatten sich die Tarifvertragsparteien verpflichtet, gemeinsam die Allgemeinverbindlicherklärung des Vertrages zu beantragen.
§ 10 der beiden Tarifwerke enthält Regelungen über "Leistungen des Betriebes bei Arbeitsbehinderung und bei Arbeitsunfähigkeit der Beschäftigten und im Sterbefall". Die Vorschrift lautet auszugsweise wie folgt:
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"5.a) |
Wird ein Arbeitnehmer infolge unverschuldeter Erkrankung an der Arbeitsleistung verhindert, so finden die entsprechenden gesetzlichen Bestimmungen Anwendung. |
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b) |
Für die Angestellten und ihnen Gleichgestellte gelten die gesetzlichen Bestimmungen (§ 63 HGB), wonach bis zu 6 Wochen das volle Monatsgehalt zu zahlen ist, jedoch nicht über die Dauer des Arbeitsverhältnisses hinaus." |
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Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, § 10 Nr. 5 MTV stelle in beiden Tarifwerken eine konstitutive tarifliche Regelung der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall dar. Dies ergebe sich für § 10 Nr. 5 b MTV aus dessen Wortlaut und aus dem Umstand, daß die Tarifvertragsparteien bei Abschluß des MTV 1997 auf eine gesetzliche Vorschrift Bezug genommen hätten, die bereits außer Kraft getreten sei.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 595,66 DM brutto nebst 4 % Zinsen aus dem sich hieraus ergebenden Nettobetrag seit Klagezustellung zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, die Regelungen in § 10 Nr. 5 MTV enthielten jeweils lediglich deklaratorische Verweisungen auf die gesetzlichen Bestimmungen.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben, soweit die Klägerin Entgeltfortzahlung für den Monat Januar 1997 begehrt hat. Gegen sein Urteil haben beide Parteien Berufung eingelegt. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage insgesamt abgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihren Klageantrag in vollem Umfang weiter. Die Parteien haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Höhe der der Klägerin zustehenden Entgeltfortzahlung bestimmt sich nach § 4 Abs. 1 Satz 1 EFZG in seiner seit dem 1. Oktober 1996 geltenden Fassung. Aus § 10 Nr. 5 a oder b MTV folgt nichts anderes. Auch die letztgenannte Bestimmung stellt keine eigenständige Regelung durch eine statische Verweisung auf die genannte Gesetzesbestimmung dar. Dies gilt sowohl für den MTV 1994 als auch für den MTV 1997. Den der Klägerin gesetzlich zustehenden Anspruch auf Entgeltfortzahlung hat die Beklagte unstreitig erfüllt. Die Klageforderung besteht nicht.
I. Vor dem Inkrafttreten des Entgeltfortzahlungsgesetzes am 1. Juni 1994 gab es für die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall für Arbeiter und Angestellte unterschiedliche Rechtsgrundlagen. Für Arbeiter galt das "Gesetz über die Fortzahlung des Arbeitsentgelts im Krankheitsfalle (Lohnfortzahlungsgesetz)" vom 27. Juli 1969, zuletzt geändert durch Gesetz vom 20. Dezember 1988. Angestellte hatten nach § 616 Abs. 2 BGB, § 63 HGB und § 133 c GewO Anspruch auf Gehaltsfortzahlung im Krankheitsfall. Durch das Entgeltfortzahlungsgesetz vom 26. Mai 1994 wurde die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall für Arbeiter und Angestellte auf eine einheitliche gesetzliche Grundlage gestellt. Dabei blieb die Höhe des fortzuzahlenden Entgelts zunächst unverändert. Durch das Arbeitsrechtliche Beschäftigungsförderungsgesetz vom 25. September 1996 (BGBl. I, S. 1476) wurde die Höhe der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall herabgesetzt. Sie beträgt nunmehr nach § 4 Abs. 1 Satz 1 EFZG "80 vom Hundert des dem Arbeitnehmer bei der für ihn maßgebenden regelmäßigen Arbeitszeit zustehenden Arbeitsentgelts".
Bestehende tarifliche Regelungen sind durch das Gesetz vom 25. September 1996 nicht aufgehoben worden. Der Gesetzgeber wollte in bestehende Tarifverträge nicht eingreifen (vgl. BT-Drucks. 13/4612, S. 2; Buchner, NZA 1996, 1177, 1179/80).
II. Nach § 10 Nr. 5 a beider Manteltarifverträge finden im Falle unverschuldeter Erkrankung eines Arbeitnehmers "die entsprechenden gesetzlichen Bestimmungen" Anwendung. Nach § 10 Nr. 5 b der Manteltarifverträge gelten für Angestellte "die gesetzlichen Bestimmungen (§ 63 HGB), wonach bis zu 6 Wochen das volle Monatsgehalt zu zahlen ist". Das Landesarbeitsgericht hat offengelassen, ob die Klägerin als gewerbliche Arbeitnehmerin oder als Angestellte anzusehen ist. Das Arbeitsgericht hat ohne nähere Begründung die Vorschrift des § 10 Nr. 5 b der Manteltarifverträge auf die Klägerin angewendet. Die Frage braucht nicht abschließend geklärt zu werden. In keinem der beiden Fälle steht der Klägerin ein ungekürzter Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall zu.
§ 10 Nr. 5 a und b der beiden Manteltarifverträge stellen keine statischen Verweisungen auf bestimmte gesetzliche Bestimmungen bzw. auf die genannte Vorschrift des § 63 HGB dar. Sie sind darum keine inhaltlich eigenständigen tariflichen Regelungen der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Es handelt sich entweder um bloße Hinweise auf das geltende Gesetzesrecht, bei denen schon jeglicher Normsetzungswille der Tarifvertragsparteien fehlt, oder es handelt sich zwar um Tarifnormen, die jedoch als dynamische Verweisungen auch für die Tarifunterworfenen nur die jeweils geltenden gesetzlichen Vorschriften für anwendbar erklären. Als Tarifnormen im Sinne einer statischen Verweisung auf § 63 HGB bzw. "die entsprechenden gesetzlichen Bestimmungen" in ihrer bei Abschluß des MTV 1994 geltenden Fassung können § 10 Nr. 5 a und b MTV dagegen nicht verstanden werden. Dies ergibt die Auslegung der Bestimmungen.
1. Die Regelungen richten sich nicht an die Tarifvertragsparteien selbst, sondern an die Tarifunterworfenen. Ihre Auslegung betrifft deshalb den normativen Bereich des Tarifvertrages. Dessen Auslegung richtet sich nach den Grundsätzen der Gesetzesauslegung. Daß deren Anwendung voraussetze, es müsse die Normqualität der auszulegenden tariflichen Bestimmung bereits feststehen (so Menssen, AuR 1998, 234), ist nicht zutreffend. Es geht darum, wie Dritte - die Tarifunterworfenen und die Gerichte - die Bestimmung zu verstehen haben. Die Frage nach ihrem Inhalt und die Frage danach, ob es sich um eine Norm handelt, lassen sich nicht trennen. Beide sind nach den Grundsätzen der Gesetzesauslegung zu beantworten (zutreffend Kamanabrou, RdA 1997, 22, 23; zu den Auslegungsgrundsätzen im einzelnen vgl. BAG Urteile vom 16. Juni 1998 - 5 AZR 67/97 -, - 5 AZR 638/97 - und 1. Juli 1998 - 5 AZR 545/97 - sämtlich zur Veröffentlichung vorgesehen).
2. Im Rahmen ihrer Rechtsprechung zur tariflichen Übernahme gesetzlicher Kündigungsfristen haben der Zweite und der Siebte Senat des Bundesarbeitsgerichts für tarifliche Verweisungen auf gesetzliche Vorschriften die Auslegungsregel entwickelt, im Zweifel seien diese Verweisungen - ebenso wie die wort- oder inhaltsgleiche Übernahme des Gesetzestextes - deklaratorisch. Wenn nicht gegenteilige Anhaltspunkte vorlägen, sei davon auszugehen, daß es den Tarifvertragsparteien lediglich darum gegangen sei, eine unvollständige Darstellung der Rechtslage zu vermeiden und die Tarifgebundenen im Interesse von Klarheit und Übersichtlichkeit möglichst umfassend zu unterrichten (BAGE 40, 102 = AP Nr. 133 zu § 1 TVG Auslegung; BAG Beschluß vom 28. Januar 1988 - 2 AZR 296/87 - AP Nr. 24 zu § 622 BGB; BAG Urteil vom 4. März 1993 - 2 AZR 355/92 - AP Nr. 40 zu § 622 BGB). Die Literatur hat sich dem Bundesarbeitsgericht für die Auslegung von Verweisungen - nicht so für die Auslegung von wörtlichen oder inhaltsgleichen Übernahmen des Gesetzestextes - im Ergebnis weitgehend angeschlossen (Buchner, NZA 1996, 1177, 1182; Kamanabrou, RdA 1997, 22, 27; Rieble, RdA 1997, 134, 140; Giesen, RdA 1997, 193, 201, Fußnote 93; K. Gamillscheg, Anm. zu BAG Urteil vom 5. Okto-ber 1995, SAE 1996, 274, 278; Bengelsdorf, Anm. zu BAG AP Nr. 48 zu § 622 BGB; Wiedemann, Anm. zu BAG AP Nr. 133 zu § 1 TVG Auslegung).
Auch der erkennende Senat ist der Rechtsprechung des Zweiten und Siebten Senats hinsichtlich der Auslegung tariflicher Verweisungen gefolgt (Urteil vom 16. Juni 1998 - 5 AZR 67/97 - zur Veröffentlichung vorgesehen). Mit einer Verweisung auf geltende - ohnehin anwendbare - gesetzliche Vorschriften bringen die Tarifvertragsparteien in aller Regel zum Ausdruck, daß nur das Gesetz und nicht der Tarifvertrag maßgeblich sein soll. Dabei macht es keinen Unterschied, ob allgemein auf "die gesetzlichen Bestimmungen" oder auf bestimmte Gesetze, z. B. das Lohnfortzahlungsgesetz bzw. die für Angestellte geltenden gesetzlichen Vorschriften verwiesen wird, oder ob es heißt, der Arbeitnehmer habe Anspruch auf Fortzahlung "des Gehalts" oder "seiner Bezüge" nach Maßgabe bestimmter gesetzlicher Vorschriften. Ob sich die Verweisung als bloßer Hinweis oder als Tarifnorm im Sinne einer dynamischen Verweisung darstellt, kann dabei im Einzelfall unterschiedlich zu beurteilen sein. Individualrechtlich sind die Rechtsfolgen die gleichen.
3. Nach Maßgabe dieser Grundsätze stellen § 10 Nr. 5 a und b MTV 1994 keine statischen Verweisungen dar. Es finden sich weder in den Regelungen selbst noch an anderer Stelle des Tarifvertrages hinreichende Anhaltspunkte dafür, daß sich die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall für die Tarifunterworfenen nicht nach den jeweils geltenden, sondern nach bestimmten seit dem 1. Oktober 1996 außer Kraft getretenen Vorschriften bzw. nach dem schon seit dem 1. Juni 1994 nicht mehr geltenden § 63 HGB richten sollte.
a) Wortlaut und Wortsinn von § 10 Nr. 5 a MTV 1994 zeigen, daß die Tarifvertragsparteien auf die jeweils aktuellen gesetzlichen Bestimmungen über die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall verwiesen haben. Selbst wenn zugunsten der Klägerin angenommen wird, daß § 10 Nr. 5 a MTV 1994 überhaupt eine Tarifnorm und nicht nur einen bloßen Hinweis darstellt, sollen ihr zufolge bei unverschuldeter Erkrankung "die entsprechenden gesetzlichen Bestimmungen" Anwendung finden. Von einer zeitlichen Einschränkung ist dabei keine Rede. Ohne nähere Kennzeichnung sind "die entsprechenden gesetzlichen Bestimmungen" diejenigen, die jeweils aktuell gelten. Im Zeitpunkt der Arbeitsunfähigkeit der Klägerin im Dezember 1996 und Januar 1997 vermochte ein Tarifanwender den Text des § 10 Nr. 5 a MTV nicht anders zu verstehen, als daß die gesetzlichen Bestimmungen über die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, wie sie zu dieser Zeit galten, zur Anwendung gelangen sollten. Für ein anderes Verständnis gibt es keine sprachliche Begründung.
b) Für § 10 Nr. 5 b MTV 1994 gilt nichts anderes. "Die gesetzlichen Bestimmungen (§ 63 HGB), wonach bis zu 6 Wochen das volle Monatsgehalt zu zahlen ist", sind ebenfalls diejenigen, die für Angestellte aktuell zur Anwendung kommen. Dadurch, daß die bei Tarifabschluß im Januar 1994 geltende Vorschrift des § 63 HGB nur in einem Klammerzusatz aufgeführt ist, wird die Bedeutung des vorstehenden Textes als Verweisung auf die jeweils geltenden Bestimmungen zur Entgeltfortzahlung für Angestellte besonders deutlich. In Klammerzusätzen wird nach allgemeinen sprachlichen Regeln lediglich erklärt und erläutert, nicht aber Eigenständiges festgelegt (BAG Urteil vom 10. Mai 1997 - 3 AZR 721/93 - AP Nr. 3 zu § 1 TVG Tarifverträge: Verkehrsgewerbe; BAG Urteil vom 16. Juni 1998 - 5 AZR 728/97 - zur Veröffentlichung auch in der Amtlichen Sammlung vorgesehen). Auch der anschließende Halbsatz, "wonach bis zu 6 Wochen das volle Monatsgehalt zu zahlen ist", stellt nicht selbst eine entsprechende Verpflichtung zur Entgeltfortzahlung auf, sondern ist lediglich eine Erläuterung des Inhalts der gesetzlichen Bestimmungen. Für die Ansicht, es sei in § 10 Nr. 5 b MTV 1994 auf § 63 HGB ausschließlich in seiner bei Tarifabschluß im Januar 1994 geltenden Fassung verwiesen worden, gibt es deshalb ebenfalls keine sprachliche Begründung. Jedenfalls bis zu dem Zeitpunkt, zu welchem § 63 HGB außer Kraft trat und durch das Entgeltfortzahlungsgesetz vom 26. Mai 1994 ersetzt wurde, konnte die tarifliche Regelung ihrem Wortlaut nach nicht als statische Verweisung verstanden werden.
c) Etwas anderes folgt auch nicht aus sonstigen Umständen. Zwar kann sich der Wille zur Schaffung einer eigenständigen Regelung auch bei Verweisungsvorschriften nicht nur aus dem Wortlaut, sondern auch aus dem tariflichen Gesamtzusammenhang ergeben. Dazu bedarf es jedoch besonders deutlicher Anhaltspunkte (BAG Urteil vom 16. Juni 1998 - 5 AZR 67/97 - zur Veröffentlichung auch in der Amtlichen Sammlung vorgesehen). Daran fehlt es. Zwar sind in § 10 Ziffern 1 bis 4 MTV 1994 mehrere Verhinderungsgründe vorgesehen, bei deren Eintritt der "Grundsatz, daß nur die tatsächliche Arbeitszeit bezahlt wird" nicht gelten soll. Aufgeführt sind darunter der Arztbesuch des Arbeitnehmers und - für einen Tag - die plötzlich eintretende ernste Erkrankung von Familienangehörigen. Mit diesen Verhinderungsfällen ist tariflich die Weiterzahlung des vollen Entgelts verbunden. Daraus folgt aber nicht, daß die Tarifvertragsparteien die Höhe der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall ebenfalls eigenständig geregelt haben. Zwischen den Bestimmungen besteht auch kein nicht hinnehmbarer Wertungswiderspruch. Auch der Gesetzgeber hat die Höhe der Entgeltfortzahlung nur für den Krankheitsfall herabgesetzt. § 616 BGB - vormals § 616 Abs. 1 BGB - ist unverändert geblieben, so daß bei vorübergehender Dienstverhinderung das Entgelt in voller Höhe weiterzuzahlen ist, falls nicht abweichende Vereinbarungen getroffen wurden (vgl. § 619 BGB). Die Tarifvertragsparteien haben die Möglichkeit, für die Zukunft eine einheitliche Regelung für beide Fälle zu schaffen.
Weitere aus dem MTV 1994 selbst ableitbare Anhaltspunkte für eine eigenständige Regelung der Höhe der Entgeltfortzahlung gibt es nicht.
4. Haben § 10 Nr. 5 a und b MTV vom 2. Januar 1994 ursprünglich auf die in Bezug genommenen Gesetze in ihrer jeweils geltenden Fassung verwiesen, so ist aus der Verweisung in § 10 Nr. 5 b MTV mit dem Außerkrafttreten von § 63 HGB zum 1. Juni 1994 keine normativ selbständige Regelung geworden. Eine ursprünglich nur dynamische Verweisung oder ein bloßer Hinweis auf das bei Tarifabschluß geltende Gesetzesrecht wird nicht allein mit dessen Wegfall nachträglich zu einer statischen Verweisung und konstitutiven Regelung. Dazu bedürfte es klarer Anhaltspunkte dafür, daß die Tarifvertragsparteien nach Änderung der Gesetzeslage einen entsprechenden Regelungswillen gehabt haben (BAG Urteil vom 16. Juni 1998 - 5 AZR 67/97 - zur Veröffentlichung vorgesehen). Daran fehlt es. Allein in der unverändert beibehaltenen Erwähnung des § 63 HGB liegt ein solches Anzeichen für die weitere Zeit der Geltung des MTV 1994 nicht.
5. Die Tarifvertragsparteien haben am 3. März 1997 den bis dahin geltenden Manteltarifvertrag vom 2. Januar 1994 - bis auf die weggefallene Vorschrift des früheren § 18 MTV - wortgleich neu abgeschlossen und damit im Ergebnis mit Wirkung vom 1. Januar 1997 wieder in Kraft gesetzt. Zu diesem Zeitpunkt war § 63 HGB, auf den § 10 Nr. 5 b MTV verweist, außer Kraft getreten. Dieser Umstand könnte für den MTV 1997 trotz seiner Wortgleichheit mit dem MTV 1994 eine andere Auslegung nahelegen. Verweist ein Tarifvertrag auf eine nicht mehr gültige gesetzliche Vorschrift, so spricht dies zunächst dafür, daß es sich bei der tariflichen Bestimmung um eine eigenständige, von der jeweiligen Gesetzeslage unabhängige Regelung handelt. Wenn allerdings die entsprechende tarifliche Formulierung unverändert aus vorangegangenen Tarifverträgen übernommen wurde, so bedarf es weitergehender Anhaltspunkte dafür, daß die Tarifvertragsparteien der gleichgebliebenen Formulierung nunmehr eine andere Bedeutung beimessen wollten als zu der Zeit, zu welcher das Gesetz noch galt. § 10 Nr. 5 a und b MTV vom 3. März 1997 sind - wie der gesamte übrige Tariftext auch - gleichlautend mit § 10 Nr. 5 a und b MTV vom 2. Januar 1994. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, daß die Tarifvertragsparteien im März 1997 den Bereich der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall anders regeln wollten als bislang. Zwar wird ihnen nicht verborgen geblieben sein, daß § 63 HGB mittlerweile durch die Vorschriften des Entgeltfortzahlungsgesetzes ersetzt wurde. Aber gerade unter dieser Voraussetzung hätten sie deutlich zum Ausdruck bringen müssen, daß sie nunmehr mit der gleichgebliebenen Formulierung in § 10 Nr. 5 b MTV eine andere Bedeutung verbanden als ihr bislang zukam. Im übrigen kann ohne entsprechenden Anhaltspunkt nicht angenommen werden, daß die Tarifvertragsparteien nunmehr zwischen "Arbeitnehmern" im Sinne des § 10 Nr. 5 a MTV und "Angestellten" im Sinne des § 10 Nr. 5 b MTV hinsichtlich der Höhe der Entgeltfortzahlung unterscheiden wollten. Eine solche Ungleichbehandlung wäre aber die Folge, würde die Regelung in § 10 Nr. 5 b MTV als konstitutive Verweisung auf § 63 HGB verstanden. In diesem Fall wäre zudem die tarifliche Bestimmung aus der Sicht des Jahres 1997 in sich widersprüchlich, da "die gesetzlichen Bestimmungen" durch den Klammerzusatz unzutreffend bezeichnet würden und weil ihnen zufolge gerade kein volles Monatsgehalt zu zahlen wäre. Es sprechen daher alle maßgeblichen Umstände dafür, daß die Tarifvertragsparteien mit der unveränderten Übernahme des § 10 Nr. 5 b MTV in den Tarifvertrag vom 3. März 1997 keine andere als seine bisherige Bedeutung und damit weiterhin keine eigenständige Regelungsabsicht verbanden. Ob dies darauf beruhte, daß sie sich auf eine Höhe der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall unter den gesetzlichen Bedingungen des Jahres 1997 nicht haben einigen können, mag dahinstehen.
6. Weitere Anhaltspunkte für das Bestehen einer eigenständigen tariflichen Regelung der Höhe der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall sind nicht ersichtlich. § 10 Nr. 5 a und b MTV 1994 und MTV 1997 enthalten lediglich eine dynamische Verweisung auf die jeweils geltenden gesetzlichen Vorschriften und stellen keine inhaltlich eigenständigen Tarifnormen dar. Die Klageforderung besteht nicht.
Fundstellen
BB 1999, 112 |
DB 1999, 746 |
ARST 1999, 68 |
NZA 1999, 332 |
RdA 1999, 232 |
SAE 1999, 208 |
AP, 0 |