Entscheidungsstichwort (Thema)
Tarifliche Schichtzulage im Pflegedienst
Orientierungssatz
Hinweise des Senats: "Fortführung der Rechtsprechung des Senats zur Nichterforderlichkeit eines gleichmäßigen Einsatzes eines Arbeitnehmers in den verschiedenen Schichten (Urteile vom 13. Oktober 1993 - 10 AZR 294/92 - AP Nr 2 zu § 33a BAT; vom 18. Mai 1994 - 10 AZR 391/93 - AP Nr 4 zu § 3a BAT; vom 14. September 1994 - 10 AZR 598/93 - ZTR 1995, 75; vom 25. Januar 1995 - 10 AZR 173/94 - nicht veröffentlicht)".
Normenkette
BAT § 15 Abs. 8, § 33a Abs. 2, § 15 Abs. 8 Unterabs. 7
Verfahrensgang
LAG Hamburg (Entscheidung vom 25.08.1993; Aktenzeichen 8 Sa 55/93) |
ArbG Hamburg (Entscheidung vom 25.03.1993; Aktenzeichen 10 Ca 220/92) |
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Voraussetzungen für eine tarifliche Schichtzulage.
Die Klägerin ist als vollzeitbeschäftigte Krankenpflegekraft im Universitätskrankenhaus der beklagten Stadt beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet aufgrund arbeitsvertraglicher Vereinbarung der Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) Anwendung.
Die Klägerin ist seit dem 1. Oktober 1991 im Schichtdienst beschäftigt. Ihre Frühschicht beginnt um 6.00 Uhr und endet um 14.30 Uhr. Ihre Spätschicht beginnt um 13.30 Uhr und endet um 22.00 Uhr.
Im Zeitraum von Oktober 1991 bis zum 31. Mai 1992 leistete die Klägerin 73 Frühschichten, 30 Spät- und 2 sog. Zwischenschichten. Ihren zunächst für diese Zeit geltend gemachten Anspruch auf eine Schichtzulage in Höhe von 70,-- DM monatlich hat die Beklagte nach Abschluß des ersten Rechtszugs erfüllt.
Zur Schichtarbeit und deren Bezahlung bestimmt der BAT:
"§ 15 Abs. 8 Unterabs. 7 BAT:
...
Schichtarbeit ist die Arbeit nach einem Schichtplan (Dienstplan), der einen regelmäßigen Wechsel der täglichen Arbeitszeit in Zeitabschnitten von längstens einem Monat vorsieht.
§ 33 a
Wechselschicht- und Schichtzulagen
...
(2) Der Angestellte, der ständig Schichtarbeit (§ 15 Abs. 8 Unterabs. 7) zu leisten hat, erhält eine Schichtzulage, wenn
...
b) die Schichtarbeit innerhalb einer Zeitspanne von mindestens
...
bb) 13 Stunden
geleistet wird.
Die Schichtzulage beträgt in den Fällen des
a) ...
b) Unterabsatzes 1 Buchst. b
aa) ...
bb) Doppelbuchst. bb 70,-- DM
monatlich.
Protokollnotiz zu Absatz 2 Satz 1 Buchst. b: Zeitspanne ist die Zeit zwischen dem Beginn der frühesten und dem Ende der spätesten Schicht in- nerhalb von 24 Stunden. Die geforderte Stunden- zahl muß im Durchschnitt an den im Schichtplan vorgesehenen Arbeitstagen erreicht werden. Sieht der Schichtplan mehr als fünf Arbeitstage wö- chentlich vor, können, falls dies günstiger ist, der Berechnung des Durchschnitts fünf Arbeitstage wöchentlich zugrunde gelegt werden."
Die Klägerin vertritt die Auffassung, ihr Anspruch auf die monatliche Schichtzulage in Höhe von 70,-- DM hänge nicht davon ab, in welchem Umfang sie innerhalb eines Monats Früh- und Spätschichten leiste. Es sei nicht erforderlich, daß das Verhältnis von Früh- zu Spätschichten gleichgewichtig sei bzw. das Verhältnis der Früh- zu den Spätschichten in etwa 2:1 betrage. Die tariflichen Voraussetzungen lägen immer dann vor, wenn regelmäßig innerhalb eines Monats ein Wechsel von der Früh- in die Spätschicht stattfinde.
Die Klägerin hat zuletzt beantragt,
festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, ihr zukünftig die monatliche Schichtzulage in Höhe von derzeit 70,-- DM zu zahlen, soweit sie weiterhin die dafür nach den Regelungen des Ar- beitsvertrages in Verbindung mit den einschlägi- gen Vorschriften des BAT maßgebenden Vorausset- zungen, nämlich die regelmäßige Arbeitsleistung von Schichtdienst, erfüllt, und zwar unabhängig von der Gleichgewichtigkeit der geleisteten Schichten, insbesondere unabhängig von einem Ver- hältnis von etwa 2:1 der Frühschichten zu den Spätschichten.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Die Beklagte vertritt die Auffassung, ein Anspruch auf die Schichtzulage setze einen regelmäßigen Wechsel der Arbeitszeit voraus. Ein regelmäßiger Wechsel liege aber nur dann vor, wenn das Verhältnis der Früh- zu den Spätschichten in etwa gleichgewichtig sei. Dies sei noch dann anzunehmen, wenn das Verhältnis der Frühschichten zu den Spätschichten in etwa 2:1 sei. Dem entsprächen auch die von ihr erlassenen Durchführungsbestimmungen zu § 33 a BAT.
Ein einmaliger Wechsel der täglichen Arbeitszeit innerhalb eines Monats sei kein regelmäßiger Wechsel mehr. In einem solchen Fall handele es sich auch nicht um ständige, sondern nur um gelegentliche Schichtarbeit.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat den in der Berufungsinstanz allein noch verfolgten Feststellungsantrag abgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Der Klägerin steht ein Anspruch auf die Schichtzulage nach § 33 a Abs. 2 Buchst. b) bb) BAT unabhängig davon zu, in welchem Verhältnis die innerhalb eines Monats von ihr geleisteten verschiedenen Schichten zueinander stehen.
I. Die Klage ist zulässig.
Der Klageantrag ist hinreichend bestimmt im Sinne des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Wie sich aus dem Sachvortrag der Klägerin, der zur Auslegung des Klageantrags heranzuziehen ist, ergibt, begehrt die Klägerin die Feststellung, daß ihr ein Anspruch auf die Schichtzulage - bei Vorliegen der tariflichen Voraussetzungen - unabhängig davon zusteht, in welchem Verhältnis die von ihr innerhalb eines Monats geleisteten Früh- und Spätschichten zueinander stehen. Diese damit konkretisierte Frage der Tarifauslegung umfaßt nicht nur das im Klageantrag ausdrücklich bezeichnete Verhältnis der Gleichgewichtigkeit von Früh- und Spätschichten und das Verhältnis von "in etwa 2:1" der Früh- und Spätschichten, sondern auch die zwischen den Parteien umstrittene Fallgestaltung eines einmaligen Wechsels von der Früh- zur Spätschicht innerhalb eines Monats. Die Klägerin hat ferner in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat klargestellt, daß sich die begehrte Feststellung auf die Zeit nach Rechtskraft der Entscheidung bezieht.
Mit Recht hat das Landesarbeitsgericht auch ein Feststellungsinteresse im Sinne von § 256 ZPO angenommen.
Gegenstand einer Feststellungsklage können auch einzelne sich aus einem Rechtsverhältnis ergebende Ansprüche sein (vgl. BAGE 47, 238, 245 = AP Nr. 1 zu § 4 TVG Bestimmungsrecht). Dabei ist zwischen den Parteien hinsichtlich des Anspruchs auf die Schichtzulage allein umstritten, ob dieser von einem bestimmten Verhältnis der innerhalb eines Monats geleisteten Früh- und Spätschichten abhängt. Die Klärung dieser Streitfrage kann auf prozeßwirtschaftlichstem Wege durch ein entsprechendes Feststellungsurteil herbeigeführt werden. Dem hat das Landesarbeitsgericht dadurch Rechnung getragen, daß es eine die Streitfrage konkretisierende Fassung des Feststellungsantrags angeregt hat (vgl. BAG Urteil vom 24. März 1993 - 4 AZR 282/92 - AP Nr. 5 zu § 1 TVG Tarifverträge: Süßwarenindustrie).
II. Die Klage ist auch begründet. Der Anspruch auf die Schichtzulage nach § 33 a Abs. 2 Buchst. b) bb) BAT hängt nicht davon ab, in welchem Verhältnis die von der Klägerin innerhalb eines Monats geleisteten Früh- und Spätschichten zueinander stehen.
1. Der Senat hat im Urteil vom 13. Oktober 1993 (- 10 AZR 294/92 - AP Nr. 2 zu § 33 a BAT) zur Wechselschichtzulage nach § 33 a Abs. 1 BAT im einzelnen ausgeführt, daß das Erfordernis eines annähernd gleichen Einsatzes in den verschiedenen Schichten in den tariflichen Bestimmungen keine Stütze findet. Diese Rechtsprechung ist in den Urteilen vom 18. Mai 1994 (- 10 AZR 391/93 - zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen) und vom 25. Januar 1995 (- 10 AZR 173/94 - nicht veröffentlicht) bestätigt worden.
Ein annähernd gleichmäßiger Einsatz in den verschiedenen Schichten wird nach der Senatsrechtsprechung auch bei der Schichtzulage nach § 33 a Abs. 2 Buchst. b) bb) BAT tariflich nicht gefordert (BAG Urteil vom 14. September 1994 - 10 AZR 598/93 - nicht veröffentlicht). Diese Rechtsprechung hat in der Literatur Zustimmung erfahren (Rudolph, AuR 1995, 112).
2. In den tariflichen Bestimmungen kommt auch nicht zum Ausdruck, daß die Tarifvertragsparteien bei der Schichtzulage nach § 33 a Abs. 2 BAT überhaupt ein bestimmtes Verhältnis der innerhalb eines Monats zu leistenden verschiedenen Schichten zueinander fordern.
a) Nach § 33 a Abs. 2 BAT erhält der Angestellte - bei Vorliegen der Voraussetzungen der Buchstaben a) oder b) - eine Schichtzulage, der "ständig Schichtarbeit (§ 15 Abs. 8 Unterabs. 7)" zu leisten hat. Schichtarbeit im Sinne des § 15 Abs. 8 Unterabs. 7 BAT ist die Arbeit nach einem Schichtplan (Dienstplan), der einen regelmäßigen Wechsel der täglichen Arbeitszeit in Zeitabständen von längstens einem Monat vorsieht.
Nach dem Wortlaut der tariflichen Bestimmungen erfüllt damit ein dienstplanmäßiger Einsatz die Voraussetzungen der Schichtarbeit im Sinne des § 15 Abs. 8 Unterabs. 7 BAT, wenn der Dienstplan überhaupt regelmäßig einen Wechsel der täglichen Arbeitszeit in Zeitabständen von längstens einem Monat vorsieht. Daraus folgt, daß auch ein Dienstplan, der nur einen einmaligen Wechsel der täglichen Arbeitszeit in Zeitabständen von längstens einem Monat vorsieht, die tariflichen Voraussetzungen der Schichtarbeit erfüllt. Nach den tariflichen Bestimmungen kommt es nicht auf den zeitlichen Umfang der verschiedenen Schichten, sondern auf den regelmäßigen Wechsel der täglichen Arbeitszeit an. Dabei ist der Zeitraum, in dem dieser Wechsel zu erfolgen hat, mit längstens einem Monat vorgegeben.
Diese Auslegung wird auch durch den tariflichen Gesamtzusammenhang, der neben dem Tarifwortlaut bei der Tarifauslegung maßgebend zu berücksichtigen ist (vgl. BAGE 46, 310, 313 = AP Nr. 135 zu § 1 TVG Auslegung), bestätigt. Die Tarifvertragsparteien haben den Belastungen durch die verschiedenen Arten von Schichtarbeit in § 33 a BAT im einzelnen Rechnung getragen. Sie haben deshalb unterschiedliche Voraussetzungen für die der Höhe nach differierenden Schichtzulagen aufgestellt. Werden diese tariflichen (Mindest-)voraussetzungen erfüllt, so entsteht der Anspruch auf die jeweilige Schichtzulage unabhängig davon, ob durch den Schichtplan in den tariflich vorgegebenen Grenzen auch eine höhere Belastung des Angestellten herbeigeführt werden könnte. Deshalb ist es nicht zulässig, über die tariflichen Anspruchsvoraussetzungen hinaus einen annähernd gleichmäßigen Einsatz in den verschiedenen Schichten bzw., wie die Beklagte, ein Verhältnis von in etwa 2:1 der Früh- zu den Spätschichten innerhalb eines Monats als ungeschriebene Anspruchsvoraussetzung zusätzlich zu fordern.
b) Entgegen der Auffassung der Beklagten kann auch bei einem einmaligen Wechsel der täglichen Arbeitszeit innerhalb eines Monats "ständige" Schichtarbeit im Sinne von § 33 a Abs. 2 BAT vorliegen.
Der Begriff "ständig" bezieht sich auf die Leistung von Schichtarbeit im Sinne von § 15 Abs. 8 Unterabs. 7 BAT. Der Angestellte muß also auf Dauer aufgrund von Schichtplänen eingesetzt werden, die die Anforderungen nach § 15 Abs. 8 Unterabs. 7 BAT erfüllen. Dies ist auch dann der Fall, wenn diese Schichtpläne nur einen einmaligen Wechsel der täglichen Arbeitszeit in Zeitabständen von längstens einem Monat vorsehen sollten. Demgegenüber liegt nur gelegentliche und damit nicht "ständige" Schichtarbeit vor, wenn der Angestellte nicht dienstplanmäßig mit Schichtarbeit beschäftigt wird, sondern zur Schichtarbeit nur aufgrund besonderer Umstände herangezogen wird.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91, 97 Abs. 1 ZPO.
Matthes Dr. Freitag Böck
Lindemann Walther
Fundstellen
Haufe-Index 436582 |
ZTR 1995, 407-408 (ST1) |