Entscheidungsstichwort (Thema)
Eingruppierung: Myofunktionstherapeutin
Leitsatz (amtlich)
1. Für die Eingruppierung einer Zahnarzthelferin in der Tätigkeit einer Myofunktionstherapeutin gibt es (noch) keine speziellen Tätigkeitsmerkmale im BAT/BL.
2. Ihre Eingruppierung richtet sich weder nach den speziellen Tätigkeitsmerkmalen für Krankengymnasten oder Logopäden noch nach denen für Angestellte des allgemeinen Verwaltungsdienstes, sondern nach denen für Zahnarzthelferinnen.
Normenkette
BAT 1975 §§ 22-23; Anlage 1a Teil II Abschn. D - Angestellte in medizinischen Hilfsberufen und medizinisch-technischen Berufen - zum BAT/BL, VergGr. VIII, VII, VI b
Verfahrensgang
Tenor
1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 29. Mai 1997 - 16a Sa 1462/96 E - wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die tarifgerechte Vergütung der Klägerin als Myofunktionstherapeutin. Die Klägerin verlangt Vergütung nach VergGr. VI b BAT für die Zeit vom 1. Januar 1992 bis 31. Mai 1996.
Die am 26. Juni 1946 geborene Klägerin absolvierte vom 1. April 1961 bis 31. März 1963 eine Lehre als Zahnarzthelferin und erhielt nach bestandener Lehrabschlußprüfung den "Helferinnen-Brief" "zahnärztliche Helferin" und war anschließend als Zahnarzthelferin in verschiedenen Zahnarztpraxen tätig. Seit dem 1. Januar 1983 war sie als Zahnarzthelferin bei dem beklagten Land in der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) beschäftigt "unter Eingruppierung in die VergGr. VII im Teil II/D der Anlage 1 a BAT". Nach § 2 des Arbeitsvertrages vom 23. Dezember 1982 bestimmt sich das Arbeitsverhältnis nach dem Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) vom 23. Februar 1961 und den diesen ergänzenden und ändernden Tarifverträgen. Die Klägerin bezieht ab 1. Juni 1996 Erwerbsunfähigkeitsrente und schied mit Ablauf des 31. August 1996 aus den Diensten des beklagten Landes aus. Sie erhielt bis zuletzt Vergütung nach VergGr. VII BAT.
Seit September 1984 nahm sie in der Abteilung Kieferorthopädie bei Prof. Dr. T, dem Leiter des Zentrums Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde, u.a. myofunktionstherapeutische Aufgaben war. Der Umfang dieser Tätigkeit ist unter den Parteien umstritten. Myofunktionelle Therapie ist eine Behandlungsmethode, die im orofacialen Bereich (Gesicht, Mund, Hals) falsche Muskel- und Schluckgewohnheiten korrigieren soll. Der Behandlungsplan umfaßt die Gebiete Muskelausbildung, Schluckbehandlung und Techniken des Unterbewußtseins, um das neue Schlucken zu einem Reflex zu machen. Sie umfaßt die Unterweisung in Muskelübungen bei Patienten, die in kieferorthopädischer Behandlung stehen, die Überwachung des Behandlungserfolges, die Führung von Behandlungsprotokollen, Aufklärung und Einweisung der Patienten und ggf. der Eltern (deren Mitarbeit erforderlich ist), Zusammenstellen der Hausaufgaben und Zeigen der Übungen sowie der Kontrolle am Patienten. Sie soll präventive und unterstützende Maßnahme bei der kieferorthopädischen Überwachung und Behandlung sein.
Vom Arbeitskreis für myofunktionelle Therapie e.V. Hamburg wurde am 13. September 1994 ein "Entwurf zur Qualifikation eines MF-Therapeuten" erstellt, nach dem dafür u.a. zahnmedizinische Fachhelferinnen, Dental Hygienisten, erfahrene zahnärztliche Assistentinnen (fünf Berufsjahre), Logopäden, Sprachtherapeuten, Sprachheilpädagogen, Krankengymnasten, Physiotherapeuten in Frage kommen, die eine therapeutische oder medizinisch-therapeutische Ausbildung ausweisen, nachweisbare Kenntnisse u.a. in funktioneller Zahnheilkunde, Kieferorthopädie, pädagogischer Psychologie, Sprachtherapie/Logopädie haben und die dann eine "spezielle Ausbildung" erfahren sollen. Bislang werden Seminare "myofunktionelle Therapie" angeboten, z.B. vom Zahnärztlichen Fortbildungszentrum Niedersachsen der Zahnärztekammer Niedersachsen in Hannover. An solchen Seminaren nahm die Klägerin teil. Überdies wurde sie von Prof. Dr. T in Myotherapie unterwiesen. Außerdem hat die Klägerin das nicht datierte "Zertifikat" vorgelegt, nach dem sie vom Arbeitskreis für myofunktionelle Therapie e.V. aufgrund erfolgreicher Teilnahme an der Aus- und Weiterbildung in myofunktioneller Therapie die Qualifikation als "Muskelfunktions-Therapeutin" erhielt mit dem Hinweis, die Inhaberin des Zertifikats habe die Anforderungen des Arbeitskreises für myofunktionelle Therapie e.V./Gesellschaft für orofaciale Diskinesen (AK-MFT e.V.) erfüllt.
Am 7. März 1988 beantragte Prof. Dr. T erfolglos die Anhebung der Stelle der Klägerin. Die Klägerin verlangte ihrerseits wiederholt erfolglos Vergütung nach VergGr. VI b BAT, zuletzt mit Schreiben vom 16. November 1992. Mit der am 22. Dezember 1994 beim Arbeitsgericht Hannover eingegangenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.
Die Klägerin hat auf die "Beschreibung des Arbeitsplatzes" vom 28. Februar 1986 verwiesen. Sie hat behauptet: Die Tätigkeit einer Myofunktionstherapeutin habe sie in dem streitbefangenen Zeitraum nahezu ausschließlich und überwiegend ausgeübt. Sie verweist insoweit auf "einen durchschnittlichen Tagesablauf". Die Myofunktionstherapie nehme einen wöchentlichen Umfang von etwa 31 Stunden in Anspruch.
Der Klägerin sei die Tätigkeit einer Myofunktionstherapeutin eingruppierungswirksam von Prof. Dr. T im September 1984 übertragen worden. Das sei dem beklagten Land schon aufgrund des Schriftwechsels wegen der Anhebung der Stelle bekannt gewesen.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Tätigkeit einer Myofunktionstherapeutin gehöre nicht zum Berufsbild der Zahnarzthelferin, sondern eher zu dem einer Krankengymnastin. Sie knüpfe an beide Berufsfelder an. Die myofunktionelle Therapie sei eine zeitaufwendige Unterrichtung am Patienten und bei Kindern auch gegenüber den Eltern und dem Kind sowie ein Muskelübungsprogramm, das vorexerziert werde, von dem Patienten nachvollzogen werden müsse und dann wieder von der Therapeutin überprüft werde. Dies seien keine normalen Zahnarzthelferinnentätigkeiten. Die über die bloße Tätigkeit als Zahnarzthelferin hinausgehende Tätigkeit mit der besonderen Qualifikation im krankengymnastischen Bereich, also die Ausführung der Myofunktionstherapie umfasse zum einen die Tätigkeiten als Zahnarzthelferin und zum anderen die Tätigkeiten einer "Krankengymnastin im Bereich der Gesichts- und Zungenmuskulatur" (Krankengymnastik im kleinen). Die Tätigkeit als Myofunktionstherapeutin erfordere eine höhere Eingruppierung. Dies hätten die Tarifvertragsparteien offensichtlich übersehen, so daß von einer Tariflücke auszugehen sei, zumal es ein gesichertes Berufsbild als Myofunktionstherapeutin nicht gebe. Die Regelungslücke ergebe sich schon daraus, daß die Tätigkeiten der Klägerin sowohl dem Aufgabenbereich einer Krankengymnastin als auch dem Aufgabenbereich einer Zahnarzthelferin zuzuordnen seien. Es sei auch anerkannt, daß Krankengymnastinnen eine Zusatzqualifikation als Myofunktionstherapeutin erwerben könnten. Auch hier seien Ähnlichkeiten im therapeutischen Umgang mit den Patienten gegeben. Zumindest die Höhergruppierung in die VergGr. VI b BAT erscheine als zwingend.
Die Klägerin hat zuletzt beantragt
festzustellen, daß das beklagte Land der Klägerin statt gewährter Vergütung aus der VergGr. VII vom 1. Januar 1992 bis zum 31. Mai 1996 Vergütung aus der VergGr. VI b BAT zuzüglich 4 % Zinsen auf die jeweiligen monatlichen Nettodifferenzbeträge seit 2. Januar 1995 schulde.
Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen. Es hat bestritten, daß Prof. Dr. T der Klägerin die Aufgabe einer Myofunktionstherapeutin zugewiesen habe. Der Klägerin seien keine höherwertigen Tätigkeiten übertragen worden, weder ausdrücklich noch konkludent. Dies sei stets abgelehnt worden. Die Klägerin übe eine derartige Tätigkeit auch nicht überwiegend aus. Die Tätigkeit der Myofunktionstherapeutin sei nicht dem Berufsbild des Krankengymnasten zuzuordnen. Im übrigen fehle der Klägerin das persönliche Tarifmerkmal. Die Klägerin habe die Erlaubnis zur Führung der Berufsbezeichnung einer Krankengymnastin nicht. Es liege auch keine auslegungsfähige Tariflücke vor, die im Wege der Lückenausfüllung geschlossen werden könne. Die Myofunktionstherapie werde seit über zehn Jahren angewandt. Seither sei die Anlage 1 a zum BAT mehrfach geändert und ergänzt worden. Gleichwohl sei die Tätigkeit von Myofunktionstherapeuten nicht mit aufgenommen worden. Dies sei auch nicht erforderlich, weil ihre Tätigkeiten dem Berufsbild von Zahnarzthelferinnen zuzuordnen seien.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren zuletzt gestellten Klageantrag weiter. Das beklagte Land beantragt, die Revision der Klägerin zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben zu Recht die Klage abgewiesen.
Die als Eingruppierungsfeststellungsklage zulässige Klage ist nicht begründet. Die Klägerin hat gegen das beklagte Land keinen Anspruch auf Vergütung nach VergGr. VI b BAT für die Zeit vom 1. Januar 1992 bis 31. Mai 1996.
I. Das Landesarbeitsgericht hat sich auf den Standpunkt gestellt, der Vortrag der Klägerin, ihr seien zum überwiegenden Teil ihrer Tätigkeit myofunktionstherapeutische Aufgaben übertragen worden, führe nicht zu einer Eingruppierung in die VergGr. VI b. Die Klägerin erfülle weder die Tarifmerkmale der VergGr. VI b Zahnarzthelferin, Krankengymnastin oder Logopädin des Teils II D der Anlage 1 a zum BAT noch führe Nr. 1 Abs. 3 der Vorbemerkungen zu allen Vergütungsgruppen zu einer Höhergruppierung noch folge der Anspruch aus einer zu schließenden Tariflücke. Deshalb habe die Frage unentschieden bleiben können, ob diese Tätigkeit der Klägerin von dem beklagten Land wirksam übertragen worden sei, und ob sie mindestens 50 % ihres Aufgabenbereiches ausmache und ob insoweit von einem einzigen Arbeitsvorgang auszugehen sei.
II. Das ist im Ergebnis zutreffend.
1. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden der BAT und die diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträge in der für die Bereiche des Bundes und der Länder geltenden Fassung kraft arbeitsvertraglicher Vereinbarung Anwendung.
2. Für Myofunktionstherapeuten/-innen ist die Eingruppierung nicht tarifvertraglich speziell geregelt.
3. Für die Eingruppierung der Klägerin kommen die Vergütungsgruppen für "Angestellte in medizinischen Hilfsberufen und medizinisch-technischen Berufen des Teils II der Anlage 1 a zum BAT/BL" in Betracht.
Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend erkannt, daß aufgrund der als richtig unterstellten speziellen Aufgabenstellung - myofunktionelle Therapie mit einem Anteil von mindestens 60 % an der Gesamtarbeitszeit - die Heranziehung der Tätigkeitsmerkmale für Angestellte in medizinischen Hilfsberufen und medizinisch-technischen Berufen aus dem Teil II D der Anlage 1 a zum BAT/BL naheliegt.
Diese haben, soweit für den vorliegenden Rechtsstreit von Bedeutung, folgenden Wortlaut:
Vergütungsgruppen für Krankengymnasten
Vergütungsgruppe VIII
7. Angestellte in der Tätigkeit von Krankengymnasten.
Vergütungsgruppe VII
4. Angestellte in der Tätigkeit von Krankengymnasten nach dreijähriger Bewährung in dieser Tätigkeit.
Vergütungsgruppe VI b
19. Krankengymnasten mit entsprechender Tätigkeit, die in nicht unerheblichem Umfange schwierige Aufgaben erfüllen.
("Schwierige Aufgaben" sind z.B. Krankengymnastik nach Lungen- oder Herzoperationen, nach Herzinfarkten, bei Querschnittslähmungen, in Kinderlähmungsfällen, mit spastisch Gelähmten, in Fällen von Dysmelien, nach Verbrennungen, in der Psychiatrie oder Geriatrie, nach Einsatz von Endoprothesen.)
(Hierzu Protokollnotiz Nr. 12)
20. Krankengymnasten mit entsprechender Tätigkeit nach sechsmonatiger Berufsausübung nach erlangter staatlicher Erlaubnis.
Vergütungsgruppen für Logopäden
Vergütungsgruppe VIII
8. Angestellte in der Tätigkeit von Logopäden.
Vergütungsgruppe VII
5. Angestellte in der Tätigkeit von Logopäden nach dreijähriger Bewährung in dieser Tätigkeit.
Vergütungsgruppe VI b
21. Logopäden mit staatlicher Anerkennung oder mindestens zweijähriger Fachausbildung an Universitätskliniken oder medizinischen Akademien mit Prüfung und entsprechender Tätigkeit, die in nicht unerheblichem Umfange schwierige Aufgaben erfüllen.
("Schwierige Aufgaben" sind z.B. die Behandlung von Kehlkopflosen, von Patienten nach Schlaganfällen oder Gehirnoperationen, von schwachsinnigen Patienten, von Aphasiepatienten, von Patienten mit spastischen Lähmungen im Bereich des Sprachapparates.)
(Hierzu Protokollnotiz Nr. 12)
22. Logopäden mit staatlicher Anerkennung oder mit mindestens zweijähriger Fachausbildung an Universitätskliniken der medizinischen Akademien mit Prüfung und entsprechender Tätigkeit nach sechsmonatiger Berufsausübung nach erlangter staatlicher Anerkennung bzw. nach Abschluß der genannten Fachausbildung.
Protokollnotiz Nr. 12
Der Umfang der schwierigen Aufgaben bzw. der Tätigkeiten ist nicht mehr unerheblich, wenn er etwa ein Viertel der gesamten Tätigkeit ausmacht.
Vergütungsgruppen für zahnärztliche Helferinnen
Vergütungsgruppe IX b
5. Angestellte in der Tätigkeit von zahnärztlichen Helferinnen.
Vergütungsgruppe VIII
19. Zahnärztliche Helferinnen mit Abschlußprüfung und entsprechender Tätigkeit.
Vergütungsgruppe VII
34. Zahnärztliche Helferinnen mit Abschlußprüfung und entsprechender Tätigkeit nach dreijähriger Bewährung in dieser Tätigkeit.
Vergütungsgruppe VI b
38. Zahnärztliche Helferinnen mit Abschlußprüfung und entsprechender Tätigkeit, denen mindestens fünf zahnärztliche Helferinnen oder Angestellte in der Tätigkeit von zahnärztlichen Helferinnen durch ausdrückliche Anordnung ständig unterstellt sind.
a) Wie das Landesarbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, verlangen die Tarifvertragsparteien als Voraussetzung für die Eingruppierung in die von der Klägerin für sich in Anspruch genommene VergGr. VI b der Vergütungsgruppen für Krankengymnasten, daß die Angestellte Krankengymnastin im Tarifsinne ist. Sie muß Krankengymnastin mit staatlicher Erlaubnis sein. Diese wurde bis 31. Mai 1994 nach Teilnahme an einem zweijährigen Lehrgang in einer staatlich anerkannten Lehranstalt für Krankengymnasten und nach einjähriger praktischer Tätigkeit erteilt. Erst von diesem Zeitpunkt an waren die Voraussetzungen für die Eingruppierung in diese Vergütungsgruppen gegeben.
aa) Am 1. Juni 1994 ist das Gesetz über die Berufe in der Physiotherapie (MPhG) vom 26. Mai 1994 (BGBl I S. 1084) in Kraft getreten. Die bisherige Berufsbezeichnung "Krankengymnast" ist durch die Berufsbezeichnung "Physiotherapeut" ersetzt worden. Zwar gelten die Vergütungsgruppen für Krankengymnasten nicht für Inhaber einer Erlaubnis als "Physiotherapeut/Physiotherapeutin". Nach der Übergangsvorschrift in § 16 Abs. 1 MPhG gilt aber eine nach dem Gesetz über die Ausübung u.a. des Berufes des Krankengymnasten vom 21. Dezember 1958 (BGBl IS. 985) erteilte Erlaubnis als "Krankengymnast" als Erlaubnis nach § 1 Nr. 2 MPhG "Physiotherapeut". Deswegen bestehen keine Bedenken, die Tätigkeitsmerkmale für Krankengymnasten bis zu einer Anpassung des Wortlauts des Tarifvertrages auch auf Physiotherapeuten anzuwenden (vgl. Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese, BAT, VergO/BL, Stand November 1994, Anm. 194 II a).
bb) Die Klägerin hat eine solche Berufsbefähigung nicht nachgewiesen. Sie hat weder eine staatliche Erlaubnis als Krankengymnastin noch eine Erlaubnis als Physiotherapeutin.
Angestellte in der Tätigkeit von Krankengymnasten, also solche, die die subjektive Voraussetzung der Krankengymnasten mit staatlicher Erlaubnis nicht aufweisen, aber Tätigkeiten ausüben, die dem Berufsbild des Krankengymnasten entsprechen, sind lediglich in VergGr. VIII Fallgr. 7 eingruppiert mit der Möglichkeit des Bewährungsaufstiegs in VergGr. VII Fallgr. 4. Ein weiterer (Bewährungs-) Aufstieg ist für solche Angestellten nicht vorgesehen.
Selbst wenn die Myofunktionstherapie - auch - dem Berufsbild der Krankengymnasten zuzuordnen wäre, nach der Klägerin "Krankengymnastik im kleinen", ist die Klägerin wegen Fehlens der subjektiven Voraussetzungen nicht in VergGr. VI b eingruppiert und hat daher auch keinen Anspruch auf die dementsprechende Vergütung.
b) Die Vergütungsgruppen für Logopäden weisen eine ähnliche Struktur auf.
aa) Logopäden sind medizinische Hilfskräfte, deren Aufgabe es ist, Patienten mit Hör-, Stimm- und Sprachkrankheiten nach ärztlicher Anordnung durch eine zweckmäßige Behandlung zu helfen. Nach dem Gesetz über den Beruf des Logopäden vom 7. Mai 1980 (BGBl I S. 529) bedarf derjenige der Erlaubnis, der eine Tätigkeit unter der Bezeichnung "Logopäde" oder "Logopädin" ausüben will. Diese Erlaubnis wird, von weiteren Voraussetzungen abgesehen, erteilt, wenn nach dreijähriger Ausbildung die staatliche Prüfung für Logopäden bestanden wurde. Zwar fallen unter die Vergütungsgruppen für Logopäden mit einschlägiger Ausbildung nur die Logopäden mit staatlicher Anerkennung, die nur nach den bis zum 30. September 1980 geltenden Vorschriften erworben werden konnte. Die Tarifvertragsparteien haben aber in § 4 des Tarifvertrages zur Änderung und Ergänzung der Anlage 1 a zum BAT vom 11. Juni 1981, gültig ab 1. Juni 1981 vorgesehen, daß auf die Logopäden mit Erlaubnis bis zu einer anderweitigen tarifvertraglichen Regelung die Vergütungsgruppen für Logopäden mit staatlicher Anerkennung oder mit mindestens zweijähriger Fachausbildung an Universitätskliniken oder medizinischen Akademien mit Prüfung anzuwenden sind.
bb) Die Klägerin erfüllt keine der genannten subjektiven Voraussetzungen.
Die Klägerin ist weder Logopädin mit staatlicher Anerkennung noch verfügt sie über eine Erlaubnis im Sinne des § 1 des Gesetzes über den Beruf des Logopäden noch weist sie eine mindestens zweijährige Fachausbildung nebst Prüfung auf; die Anforderungen der VergGr. VI b Fallgr. 21 sind schon deswegen nicht gegeben. Ob myofunktionelle Therapie als "schwierige Aufgaben" im Tarifsinne anzusehen ist, braucht nicht mehr entschieden zu werden.
Deshalb hilft auch der Hinweis der Revision auf die Entscheidung des Senats vom 14. August 1985 (- 4 AZR 11/84 - PersR 1986, 91 ff.) nicht weiter, nach der eine Angestellte mit der Erlaubnis, eine Tätigkeit unter der Berufsbezeichnung "Logopädin" auszuüben, auch in den ersten sechs Monaten ihrer Tätigkeit bereits in VergGr. VI b Fallgr. 21 eingruppiert ist, wenn sie in diesem Zeitraum schon in nicht unerheblichem Umfange schwierige Aufgaben zu erfüllen hatte.
Angestellte in der Tätigkeit von Logopäden, also solche, die die Berufsbefähigung oder Prüfung nicht nachweisen können, aber Tätigkeiten ausüben, die dem Berufsbild des Logopäden entsprechen, sind nur in VergGr. VIII Fallgr. 8 eingruppiert mit der Möglichkeit des Bewährungsaufstiegs in die VergGr. VII Fallgr. 5. Ein weiterer (Bewährungs-) Aufstieg ist für solche Angestellte nicht vorgesehen.
Selbst wenn die Myofunktionstherapie - auch - dem Berufsbild des Logopäden zuzuordnen wäre, ist die Klägerin nicht in VergGr. VI b eingruppiert und hat daher auch keinen Anspruch auf die entsprechende Vergütung.
c) Da die Klägerin eine Ausbildung zur Zahnarzthelferin aufweist, kommen auch die Vergütungsgruppen für Zahnarzthelferinnen in Betracht.
Die VergGr. VI b, die die Klägerin für sich beansprucht, ist aber nur für zahnärztliche Helferinnen mit Abschlußprüfung und entsprechender Tätigkeit vorgesehen, denen mindestens fünf zahnärztliche Helferinnen oder Angestellte in der Tätigkeit von zahnärztlichen Helferinnen durch ausdrückliche Anordnung unterstellt sind.
Das war bei der Klägerin offensichtlich nicht der Fall.
Andere Fallgruppen für Zahnarzthelferinnen weist die VergGr. VI b des Teils II D der Anlage 1 a zum BAT/BL nicht auf.
4. Eine Myofunktionstherapeutin ist auch nicht in die Tätigkeitsmerkmale für die Angestellten des allgemeinen Verwaltungsdienstes (Anlage 1 a zum BAT) eingruppiert. Die speziellen Tätigkeitsmerkmale für Angestellte in medizinischen Hilfsberufen des Teils II D der Anlage 1 a BAT/BL gehen vor. Das ergibt sich bereits aus der Nr. 1 Abs. 1 der Vorbemerkungen zu allen Vergütungsgruppen (vgl. insoweit auch die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 28. Januar 1997- 12 Sa 2121/95 E - n. v. zur "Prophylaxe-Fachkraft für den jugendzahnärztlichen Dienst").
5. Auch Nr. 1 Abs. 3 der Vorbemerkungen zu allen Vergütungsgruppen der Anlage 1 a zum BAT/BL führt zu keinem anderen Ergebnis.
Dieser Absatz stellt im Anschluß an Unterabs. 1 a.E. nur klar, daß der Grundsatz der Spezialität auch dann gilt, wenn berufsmäßig bezeichnete Tätigkeitsmerkmale keine Eingruppierung für sogenannte sonstige Angestellte vorsehen, also diese nicht den Ausgebildeten gleichgestellt sind, und deshalb der Angestellte, der vergleichbare Tätigkeiten verrichtet, eine Vergütungsgruppe niedriger eingruppiert ist. Die Vergütungsgruppen für Krankengymnasten, Logopäden und Zahnarzthelferinnen kennen zwar keine "sonstigen Angestellten", sehen aber die Eingruppierung von Angestellten ohne entsprechende Ausbildung in der Tätigkeit von Ausgebildeten vor. Schon von daher sind die Voraussetzungen der Vorbemerkung nicht erfüllt. Selbst bei Anwendung der Vorbemerkung Nr. 1 hätte die Klägerin nur eine Vergütung von maximal nach VergGr. VII BAT zu beanspruchen.
6. Die Klageforderung ergibt sich auch nicht aus einer analogen Anwendung der Tarifmerkmale der VergGr. VI b Fallgruppe 19 oder 20 (Krankengymnasten) oder Fallgruppen 21 oder 22 (Logopäden).
Entgegen der Auffassung der Revision liegt eine unbewußte Tariflücke nicht vor, die von der Rechtsprechung durch Anwendung der Tätigkeitsmerkmale für Krankengymnasten, Logopäden mit nachgewiesener Berufsbefähigung zu schließen wäre.
a) Das Landesarbeitsgericht hat das Vorliegen einer unbewußten Tariflücke verneint. Es hat ausgeführt, die Klägerin unterstütze nach wie vor durch ihre Tätigkeit den Zahnarzt hilfeleistend bei der Wahrnehmung seiner Aufgaben. Die Tätigkeit der Zahnarzthelferin sei äußerst vielseitig. Die Tätigkeit der Myofunktionstherapie bestehe zum Teil aus Elementen der typischen Tätigkeiten einer Zahnarzthelferin.
Das trifft im Ergebnis zu. Für zahnärztliche Helferinnen oder Zahnarzthelferinnen besteht die Möglichkeit, sich zur zahnmedizinischen Fachhelferin fortzubilden. Auch daraus ergibt sich kein Anspruch auf eine höhere Vergütung, solange die Tarifvertragsparteien dies nicht vereinbaren. Die Beschreibung des Arbeitsplatzes vom 28. Februar 1986 (Bl. 2) hält fest, daß für die Myotherapie die Ausbildung zur Zahnarzthelferin und die Unterweisung in Myotherapie erforderlich sei. Nach dem Entwurf zur Qualifikation eines MF-Therapeuten des Arbeitskreises für myofunktionelle Therapie e.V. vom 13. September 1994 kommen für die Qualifizierung zur MF-Therapeutin u. a. die zahnmedizinische Fachhelferin und die erfahrene zahnärztliche Assistentin (fünf Berufsjahre) in Betracht, also letztlich Zahnarzthelferinnen, die sich fortgebildet haben. Von daher kann der Revision nicht darin gefolgt werden, der Aufgabenbereich der Klägerin bezüglich der myofunktionellen Therapie habe keinen Bezug zu zahnarzthelferischen Tätigkeiten.
In anderen Tarifwerken wird die Fortbildung von Zahnarzthelferinnen honoriert. So sind z.B. in den Manteltarifverträgen und Vergütungsverträgen für Zahnarzthelferinnen zwischen der Arbeitsgemeinschaft zur Regelung der Arbeitsbedingungen des Hilfspersonals für Zahnärzte und der Deutschen Angestellten Gewerkschaft, dem Verband der Weiblichen Arbeitnehmer e.V. und der Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr soweit ersichtlich Myofunktionstherapeutinnen nicht angesprochen, allerdings erhalten nach § 46 BBiG fortgebildete Zahnarzthelferinnen einen Zuschlag von 25 % v. H. Auch dies führt nicht zu der Annahme einer unbewußten Lücke im BAT.
b) Unterstellt man eine unbewußte Tariflücke, kann der Senat sie nicht in der von der Klägerin gewünschten Form schließen.
Denn aus der Abfassung der Tätigkeitsmerkmale für Krankengymnasten und Logopäden, an die die Klägerin anknüpft, folgt, daß nach dem erkennbaren Willen der Tarifvertragsparteien eine Vergütung nach VergGr. VI b erst dann gewährt wird, wenn eine staatliche Anerkennung oder Erlaubnis oder eine einschlägige Ausbildung mit Prüfung nachgewiesen wird. Das folgt daraus, daß Angestellte in der Tätigkeit von Krankengymnasten oder Logopäden ohne Fachausbildung niedriger vergütet werden als diejenigen mit Fachausbildung, Prüfung oder einer sonstigen näher bezeichneten Qualifikation und über die VergGr. VII BAT nicht hinauskommen. Solange der Myofunktionstherapeut kein anerkannter Ausbildungsberuf ist wie der Beruf des Krankengymnasten/Physiotherapeuten oder des Logopäden und die Bezeichnung lediglich von privaten Institutionen verliehen wird, besteht für das Gericht kein zwingender Anlaß, im Wege der Lückenausfüllung die Tätigkeitsmerkmale für Krankengymnasten und Logopäden mit staatlicher Anerkennung oder Erlaubnis auf Myofunktionstherapeuten auszudehnen.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Schliemann Schneider Friedrich Seifner Wolf
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 22.07.1998 durch Bartel, Reg.-Hauptsekretärin als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 436409 |
BB 1998, 2532 |
RdA 1999, 228 |
ZTR 1999, 125 |
AP, 0 |