Entscheidungsstichwort (Thema)
„Ballungsräumzulage”. Gleichbehandlung
Normenkette
BAT § 27 Abschn. A, Abschn. C; GG Art. 3 Abs. 1
Verfahrensgang
Tenor
1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 3. Juni 1993 – 13 Sa 1070/92 – wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Höhe der Vergütung der Klägerin.
Die 57 Jahre alte Klägerin ist seit dem 1. Mai 1974 bei dem Arbeitsgericht … als Protokollführerin und Kanzleikraft beschäftigt. Der Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) findet kraft Bezugnahme im Arbeitsvertrag auf das Arbeitsverhältnis Anwendung, Die Klägerin erhält Vergütung nach der Vergütungsgruppe IV b der Anl. 1 a zum BAT. Aufgrund ihres Lebensalters hat sie die Grundvergütung der letzten Lebensaltersstufe (Endgrundvergütung) i.S.d. § 27 Abschn. A Abs. 1 Satz 3 BAT i. V. mit dem Vergütungstarifvertrag zum BAT (Tabelle der Grundvergütung) erreicht.
Durch den 65. Tarifvertrag zur Änderung des BAT vom 30. Oktober 1990 wurde § 27 BAT um einen Abschn. C erweitert. Dieser lautet:
„C. Vorweggewährung von Lebensaltersstufen/Stufen
Soweit es zur Deckung des Personalbedarfs erforderlich ist, kann dem Angestellten im Rahmen der dafür verfügbaren Mittel bis zum 31. Dezember 1995 anstelle der ihm nach Abschnitt A oder B zustehenden Lebensaltersstufe/Stufe der Grundvergütung eine um bis zu höchstens vier – in der Regel nicht mehr als zwei – Lebensaltersstufen/Stufen höhere Grundvergütung vorweg gewährt werden; die Endgrundvergütung darf nicht überschritten werden. … Grundsätze für die Vorweggewährung werden durch die für das Tarifrecht zuständige Stelle des Arbeitgebers festgelegt.”
Für die Anwendung dieser Bestimmung traf das beklagte Land im Rundschreiben des Hessischen Ministerium des Inneren (künftig Rundschreiben) vom 28. Dezember 1990 folgende Regelung:
„…
Angestellte der Vergütungsgruppen X bis IV b und Kr. I bis IX im Geltungsbereich des BAT sowie Arbeiter und Arbeiterinnen aller Lohngruppen im Geltungsbereich des MTL II erhalten ab der ersten Stufe der Grundvergütung (21. Lebensjahr/Stufe 1) oder des Monatstabellenlohns (Stufe 1) einen vorweggewährten Betrag in Höhe von 150,– DM monatlich. Weitere Voraussetzung ist der Dienst- oder Beschäftigungsort im Gebiet des Umlandverbands Frankfurt, in den kreisfreien Städten Darmstadt und Wiesbaden sowie in den Gemeinden. … Bei der Bestimmung des Dienst- oder Beschäftigungsortes sind die Regelungen wie beim dienstlichen Wohnsitz der Beamten nach § 15 Abs. 1 BBesG entsprechend anzuwenden.
…
Die Vorweggewährung der Lebensaltersstufen/Stufen wird erstmals zum 1. Januar 1991 wirksam.”
Mit Schreiben vom 11. Juli 1991 verlangte die Klägerin vom beklagten Land Zahlung des Betrages in Höhe von 150,00 DM monatlich rückwirkend ab 1. Januar 1991. Das beklagte Land lehnte dies ab.
Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, ihr stehe dieser Anspruch aus Gründen der Gleichbehandlung zu. § 27 Abschn. C BAT diene der Gewinnung von Bewerbern und der Bindung des vorhandenen Personals des öffentlichen Dienstes, indem er die höheren Lebenshaltungskosten in den Ballungsgebieten ausgleiche. Dieser Gerichtspunkt treffe auf die Angestellten, die die Endgrundvergütung bereits erreicht hätten, in gleicher Weise zu, wie auf die übrigen Angestellten. Es sei daher sachlich nicht gerechtfertigt, die Angestellten mit Endgrundvergütung von dieser „Ballungsraumzulage” auszunehmen. Die Klägerin hat beantragt,
das beklagte Land zu verurteilen, an die Klägerin 1.200,00 DM brutto nebst 4 % Zinsen aus dem sich hieraus ergebenden Nettobetrag seit dem 4. September 1991 zu zahlen
und festzustellen,
daß das beklagte Land verpflichtet ist, der Klägerin eine monatliche Ballungsraumzulage i. H. von 150,00 DM brutto zu zahlen.
Das beklagte Land hat Klageabweisung beantragt.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin blieb erfolglos. Mit der zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Klageanspruch weiter. Das beklagte Land bittet um Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat keinen Erfolg.
Zu Recht haben die Vorinstanzen die Klage als unbegründet abgewiesen.
1. Die Klägerin hat keinen tariflichen Anspruch nach § 27 Abschn. C BAT i. V. mit dem Rundschreiben. Die Klägerin hat aufgrund ihres Lebensalters die Endgrundvergütung nach § 27 Abschn. A BAT bereits erreicht. Damit kann ihr keine weitere Lebensaltersstufe vorweg gewährt werden, weil die Endgrundvergütung tarifrechtlich nicht überschritten werden darf (§ 27 Abschn. C Satz 1 Halbs. 2 BAT).
2. Die tarifliche Regelung, die die Klägerin von der „Ballungsraumzulage” ausschließt, verstößt nicht gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG, wie die Klägerin zu Unrecht meint.
a) Eine tarifliche Regelung als solche stellt noch keinen sachlichen Grund für den Ausschluß einer Arbeitnehmergruppe von tariflichen Leistungen dar (BAG Urteil vom 28. Juli 1992 – 3 AZR 173/92 – AP Nr. 18 zu § 1 BetrAVG Gleichbehandlung, Leitsatz 5 a, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen). Die Tarifvertragsparteien sind vielmehr an die Grundrechte gebunden. Demgemäß haben sie ebenso wie der staatliche Gesetzgeber Art. 3 Abs. 1 GG zu beachten (BAG Urteil vom 1. Juni 1983 – 4 AZR 566/80 – AP Nr. 5 zu § 611 BGB Deputat, m.w.N.; BAG Urteil vom 25. Februar 1987 – 8 AZR 430/84 – BAGE 54, 210, 213 = AP Nr. 3 zu § 52 BAT, zu B I 2 a der Gründe, m.w.N.; BAG Urteil vom 28. Juli 1992, a.a.O.).
Der Gleichheitssatz wird von den Tarifvertragsparteien nur dann verletzt, wenn sie es versäumen, tatsächliche Gleichheiten oder Ungleichheiten der zu ordnenden Lebensverhältnisse zu berücksichtigen, die so bedeutsam sind, daß sie bei einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise zu beachten sind. Dabei ist es nicht Sache der Gerichte zu überprüfen, ob die Tarifvertragsparteien jeweils die gerechteste und zweckmäßigste Regelung getroffen haben, sondern die Gerichte sind nur befugt zu kontrollieren, ob die getroffene Regelung die Grenzen der Tarifautonomie überschreitet, was nur dann der Fall ist, wenn sie Differenzierungen enthält, für die sachlich einleuchtende Gründe nicht vorhanden sind (vgl. BVerfG Beschlüsse vom 26. März 1980 – 1 BvR 121/76 und 122/76 – AP Nr. 116 zu Art. 3 GG, zu B I 1 der Gründe, und vom 15. Oktober 1985 – 2 BvL 4/83 – BVerfGE 71, 39; BAG Urteil vom 24. März 1993 – 4 AZR 265/92 – AP Nr. 106 zu § 242 BGB Gleichbehandlung, zu I 3 b der Gründe, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen; Wiedemann/Stumpf, TVG, 5, Aufl., Einl. Rz 62 m.w.N.). Der Differenzierungsgrund und die Art der Differenzierung müssen sachbezogen und vertretbar erscheinen.
b) Vorliegend sind Grund und Art der tarifrechtlichen Differenzierung plausibel und vertretbar, jedenfalls nicht sachfremd oder willkürlich. Dies haben beide Vorinstanzen zutreffend angenommen.
§ 27 Abschn. C BAT unterscheidet zwischen Angestellten, deren Gehälter noch um weitere den Lebensaltersstufen steigen und Angestellten, die die Endgrundvergütung bereits erreicht haben. Erstere erhalten ab der ersten Stufe der Grundvergütung einen vorweggewährten Betrag in Höhe von 150,00 DM monatlich, der mit steigender Lebensaltersstufe aufgezehrt wird, letzteren wird kein zusätzlicher Betrag gewährt. Diese Regelung führt keine neue Vergütungskomponente in das Ordnungssystem der tariflichen Vergütung im öffentlichen Dienst ein, sondern erhöht lediglich die Vergütungen jüngerer Angestellter, ohne daß das Endgrundgehalt überschritten werden darf.
Der Zweck der Vorweggewährung von Lebensaltersstufen ist nach dem Tarifwortlaut § 27 Abschn. C Einleitung Satz 1 BAT allein die Deckung des Personalbedarfs durch eine Verbesserung des Vergütungsangebots für junge Angestellte. In dem im Rundschreiben genannten „Ballungsraum” sind die Lebenshaltungskosten, z.B. die Mieten, höher als außerhalb dieses Gebiets. Unter anderem dafür sollen jüngere Angestellte durch Vorweggewährung von Lebensaltersstufen einen Ausgleich erhalten. Angestellte, die die Endgrundvergütung bereits erreicht haben, haben mehr finanzielle Mittel zur Verfügung und können damit in der Regel auch ohne die Zulage diese erhöhten Kosten leichter ausgleichen. Demgegenüber sind die jüngeren Angestellten vielfach auf den zusätzlichen Betrag angewiesen, um überhaupt in dem „Ballungsraum” leben und arbeiten zu können. Die höheren Lebenshaltungskosten im Ballungsraum treffen somit nicht alle Angestellten gleich, sondern mit steigender Vergütung weniger hart. Die Klägerin hat verkannt, daß darin der sachliche Grund für die in § 27 Abschn. C BAT getroffene Unterscheidung liegt.
3. Auch der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz ist nicht verletzt. Die Klägerin hat nicht geltend gemacht, daß die Beklagte Arbeitnehmer, die mit der Klägerin vergleichbar sind, günstiger behandelt als es die nicht gleichheitswidrige Tarifregelung vorsieht.
4. Die Klägerin hat die Kosten ihrer erfolglosen Revision nach § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen.
Unterschriften
Dr. Peifer, Dr. Jobs, Dr. Armbrüster, Ehrenamtlicher Richter Fürbeth ist aus dem Amt geschieden und kann daher nicht unterzeichnen. Dr. Peifer, Ehrenamtlicher Richter Femppel ist aus dem Amt geschieden und kann daher nicht unterzeichnen. Dr. Peifer
Fundstellen