Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsbedingte Änderungskündigung. Auslegung eines Arbeitsvertrags im öffentlichen Dienst. Bestimmtheit des Änderungsangebots. Verzicht. rechtsmissbräuchlich widersprüchliches Verhalten. Änderungskündigung. Selbstwiderspruch
Leitsatz (amtlich)
Wenn der Arbeitgeber von einer „Rückgruppierung” in der für den Arbeitnehmer erkennbaren Annahme absieht, sie sei wegen Zeitablaufs unzulässig, verzichtet er damit nicht auf das Recht, eine entsprechende Änderungskündigung zu erklären. Auch wird das Vertrauen des Arbeitnehmers, eine „Rückgruppierung” werde nicht erfolgen, für die Zukunft regelmäßig nicht nach § 242 BGB geschützt.
Orientierungssatz
1. Die Auslegung des Arbeitsvertrags eines Arbeitnehmers im öffentlichen Dienst kann ergeben, dass die geschuldete Arbeitsleistung allein durch eine allgemeine Tätigkeitsbezeichnung (hier: Angestellte) und die Vereinbarung einer Vergütungsgruppe (hier: VG VII BAT-O) bestimmt ist.
2. Der Arbeitgeber verzichtet nicht darauf, ein Recht auszuüben, wenn er von diesem deshalb keinen Gebrauch macht, weil er – für den Arbeitnehmer erkennbar – glaubt, es bereits durch Zeitablauf verloren zu haben. In einem solchen Fall fehlt dem Arbeitgeber ersichtlich der erforderliche rechtsgeschäftliche Gestaltungswille.
3. Hat der Arbeitgeber von einer „Rückgruppierung” zunächst in der irrigen Annahme abgesehen, eine solche sei nicht – mehr – zulässig, wird das Vertrauen des Arbeitnehmers darauf für die Zukunft in der Regel nicht nach § 242 BGB geschützt. Anders liegt es nur, wenn besondere Umstände die spätere Rechtsausübung des Arbeitgebers als treuwidrig erscheinen lassen.
4. Eine Änderungskündigung gegenüber bloß einem von mehreren „übertariflich” vergüteten Arbeitnehmern, die vergleichbare Arbeiten ausführen, stellt sich nicht als „herausgreifend” dar, wenn der Arbeitgeber sich zur „Rückgruppierung” nur deshalb berechtigt sieht, weil der bisherige Arbeitsplatz des betreffenden Arbeitnehmers weggefallen ist.
Normenkette
KSchG § 1 Abs. 2-3, § 2 S. 1; BGB §§ 133, 157, 242; PersVG LSA § 61 Abs. 1, 3, § 67 Abs. 1 S. 1 Nr. 8
Verfahrensgang
LAG Sachsen-Anhalt (Urteil vom 05.06.2014; Aktenzeichen 3 Sa 123/13) |
ArbG Dessau (Urteil vom 23.01.2013; Aktenzeichen 11 Ca 191/12) |
Tenor
1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Sachsen-Anhalt vom 5. Juni 2014 – 3 Sa 123/13 – aufgehoben.
2. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Dessau-Roßlau vom 23. Januar 2013 – 11 Ca 191/12 – abgeändert:
Die Klage wird abgewiesen.
3. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Änderungskündigung.
Die 1955 geborene Klägerin ist Facharbeiterin für Schreibtechnik und besitzt den Abschluss als Sekretärin. Sie ist seit 1992 mit 25 Wochenstunden bei der beklagten Stadt beschäftigt, nach § 1 des Arbeitsvertrags der Parteien vom 8. November 1993 als „Angestellter”. In § 5 des Arbeitsvertrags heißt es:
„Der Arbeitnehmer erhält gemäß § 22 BAT-O die Vergütungsgruppe VII.”
Tatsächlich wurde die Klägerin als Schreibkraft im Umweltamt eingesetzt. Die Vergütung erfolgte zunächst aus Vergütungsgruppe (VG) VII, nach Überleitung ihres Arbeitsverhältnisses in den TVöD-VKA aus Entgeltgruppe (EG) 5.
Im September 2009 beanstandete der Landesrechnungshof die Bewertung der Schreibkraftstellen bei der Beklagten mit EG 5 und bat um „korrigierende Rückgruppierung”. Die Beklagte sah mit dem Stellenplan für das Jahr 2010 eine Bewertung der meisten Schreibkraftstellen mit EG 3 (vormals VG VIII) vor. Mit Schreiben vom 1. September 2009 teilte sie der Klägerin Folgendes mit:
„Eingruppierungsüberprüfung
…,
im Zuge der letzten Eingruppierungsüberprüfung wurde festgestellt, dass Ihre Stelle zu hoch eingruppiert wurde.
Seit Ausführung Ihrer Tätigkeit als Schreibkraft wird Ihnen hierfür Entgelt entsprechend der Eingruppierung in Vergütungsgruppe VII (EG 5) gewährt, auf welche Sie jedoch nach geltenden Tarifvorschriften keinen Anspruch haben.
Nach Prüfung einer eventuell anstehenden Herabgruppierung in die richtige Vergütungs- bzw. Entgeltgruppe möchte ich Ihnen gerne folgendes erläutern.
Wie oben bereits erwähnt, haben Sie nach Überprüfung der Eingruppierung Ihrer Stelle als Schreibkraft nur einen Anspruch auf Eingruppierung nach Vergütungsgruppe VIII (EG 3). Dies hängt mit einer irrtümlich fehlerhaften Eingruppierung seitens des Arbeitgebers zusammen.
Auch wenn der Arbeitgeber grundsätzlich berechtigt ist, eine irrtümlicherweise vorgenommene Eingruppierung einseitig zu korrigieren, so muss er doch darlegen, welcher Irrtum ihm bei der ursprünglich vorgenommenen Eingruppierung unterlaufen ist.
Dies konnte im Zuge der Neueingruppierung der Stelle „Schreibkraft” entsprechend dargelegt werden.
Zudem könnte einer Herabgruppierung in Ihrem Fall ein sogenanntes widersprüchliches Verhalten des Arbeitgebers nach Treu und Glauben gemäß § 242 BGB entgegenstehen. Dies ist der Fall, wenn durch die ursprüngliche Eingruppierung ein Vertrauenstatbestand geschaffen wurde und dieser sich über einen langen Zeitraum gefestigt hat.
In diversen Urteilen hierzu wurde ein Vertrauenstatbestand bejaht, wenn die entsprechende Tätigkeit über einen Zeitraum von 14 – 17 Jahren ausgeübt wurde und in dieser Zeit die Eingruppierung zu keinem Zeitpunkt vom Arbeitgeber angezweifelt wurde.
Sie üben die Tätigkeit als Schreibkraft seit dem 03.11.1993 in Verg.gr. VII bzw. EG 5 aus.
Ich gehe davon aus, dass Sie seit dieser Zeit auf die Richtigkeit der Eingruppierung vertraut haben. Ebenso hat der Arbeitgeber seit dieser Zeit keine Eingruppierungsüberprüfung durchgeführt.
Somit wurde aufgrund der langjährigen Ausübung Ihrer Tätigkeit und der nicht angezweifelten Eingruppierung auf beiden Seiten, ein o. g. Vertrauenstatbestand geschaffen und Sie können weiterhin auf das Entgelt nach Verg.gr. VII bzw. EG 5 vertrauen.
Eine Herabgruppierung seitens des Arbeitgebers wird somit nicht erfolgen und sie erhalten weiterhin Ihr Entgelt entsprechend Ihres Arbeitsvertrages.
Da die Stellen der Schreibkräfte und Sekretärinnen jedoch organisationsrechtlich tatsächlich runtergestuft worden sind, üben Sie hinsichtlich Ihrer vertraglich vereinbarten Vergütung bzw. Ihres vertraglich vereinbarten Entgeltes eine geringerwertige Tätigkeit aus und werden somit übertariflich bezahlt.
Der Arbeitgeber hat also nunmehr zu jedem Zeitpunkt das Recht, Ihnen entsprechende höherwertige Tätigkeiten im Rahmen Ihrer bestehenden vertraglichen Eingruppierung zu übertragen.
Da in den Tätigkeitsmerkmalen Ihrer bestehenden Eingruppierung zum Teil Kenntnisse und Fertigkeiten im Sachbearbeiterbereich gefordert werden, sehe ich einer Bereitschaft Ihrerseits zur Absolvierung des Beschäftigtenlehrganges I positiv entgegen. Anträge hierzu reichen Sie bitte in der Personalabteilung ein.
Sollten Sie noch Erklärungsbedarf haben, stehe ich Ihnen selbstverständlich gern zur Verfügung.”
Seit November 2011 war bei der Beklagten die Stelle einer Schreibkraft für den Personalrat mit 20 Wochenstunden zu besetzen. Im Juni 2012 beschloss der Stadtrat, die Stelle der Schreibkraft im Umweltamt zum Monatsende zu streichen und zugleich die Stelle eines Boten mit fünf Wochenstunden zu schaffen. Die Beklagte unterrichtete den Personalrat über ihre Absicht, das Arbeitsverhältnis der Klägerin zu kündigen und ihr dessen Fortsetzung „mit der Entgeltgruppe E 3” anzubieten. Der Personalrat stimmte der beabsichtigten Änderungskündigung zu.
Mit Schreiben vom 12. Juli 2012 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Klägerin zum 31. März 2013 und bot ihr dessen Fortsetzung ab dem 1. April 2013 zu folgenden geänderten Arbeitsbedingungen an:
„Die Vergütung erfolgt ab dem 01.04.2013 nach der Entgeltgruppe E 3 TVöD.”
Die Klägerin hat das Änderungsangebot unter Vorbehalt angenommen und fristgerecht die vorliegende Klage erhoben. Sie hat gemeint, die Änderungskündigung sei unwirksam. Die Stellenstreichung sei rechtsmissbräuchlich. Die bislang von ihr ausgeführten Arbeiten könnten nicht auf andere Arbeitnehmer umverteilt werden, ohne diese übermäßig zu belasten. Im Übrigen habe ihr vorrangig eine Tätigkeit mit 20 Wochenstunden in der vertraglich vereinbarten EG 5 angeboten werden müssen. Alle Schreibkraftstellen entsprächen dieser Entgeltgruppe. Jedenfalls habe die Beklagte ihr mit dem Schreiben vom 1. September 2009 eine Vergütung nach EG 5 für die Zeit „zugesichert”, in der sie überwiegend als Schreibkraft – gleich auf welchem Arbeitsplatz – eingesetzt werde. Schließlich sei die Sozialauswahl nicht ordnungsgemäß erfolgt und der Personalrat nicht korrekt informiert worden.
Die Klägerin hat sinngemäß beantragt
festzustellen, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen gemäß der Änderungskündigung vom 12. Juli 2012 sozial ungerechtfertigt ist.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Kündigung als wirksam verteidigt. Die Stellenstreichung sei nicht zu beanstanden. Die bisher von der Klägerin verrichteten Tätigkeiten könnten von anderen Arbeitnehmern innerhalb ihrer regulären Arbeitszeiten miterledigt werden. Möglicherweise auftretende Verzögerungen würden hingenommen. Es seien lediglich Arbeitsplätze der EG 3 frei gewesen. Um der Klägerin einen solchen zuweisen zu können, habe ihr Arbeitsvertrag geändert werden müssen. Aus dem Schreiben vom 1. September 2009 folge nicht, dass die Klägerin für Tätigkeiten nach EG 3 unter allen Umständen eine Vergütung aus EG 5 beanspruchen könne. Soweit darin überhaupt eine rechtsgeschäftliche Erklärung abgegeben oder ein „Vertrauenstatbestand” geschaffen worden sei, beziehe sich dies allenfalls auf den weggefallenen Arbeitsplatz als Schreibkraft im Umweltamt. Die Sozialauswahl sei unter den Arbeitnehmern der EG 5 ordnungsgemäß erfolgt und der Personalrat vollständig unterrichtet worden.
Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit der Revision begehrt die Beklagte weiterhin, die Klage abzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Die Vorinstanzen haben der Klage zu Unrecht stattgegeben. Sie ist unbegründet. Die von der Beklagten fristgerecht zum 31. März 2013 erklärte Änderungskündigung hält einer rechtlichen Überprüfung stand. Sie ist sozial gerechtfertigt (A.). Der Personalrat wurde ordnungsgemäß beteiligt (B.). Der Senat hat davon auszugehen, dass das Arbeitsverhältnis der Klägerin ordentlich kündbar war (C.). Damit kann die Klägerin, die das mit der Kündigung verbundene Änderungsangebot wirksam unter Vorbehalt angenommen hat, seit dem 1. April 2013 „nur” noch Beschäftigung und Vergütung gemäß EG 3 beanspruchen.
A. Die Änderungskündigung ist sozial gerechtfertigt.
I. Eine betriebsbedingte Änderungskündigung ist nur wirksam, wenn sich der Arbeitgeber bei Vorliegen eines Kündigungsgrundes darauf beschränkt hat, solche Änderungen vorzuschlagen, die der Arbeitnehmer billigerweise hinnehmen muss. Im Rahmen von § 1 Abs. 2 Satz 1 iVm. § 2 KSchG ist zu prüfen, ob das Beschäftigungsbedürfnis für den Arbeitnehmer zu den bisherigen Vertragsbedingungen entfallen ist. Ob der Arbeitnehmer eine ihm vorgeschlagene Änderung billigerweise hinnehmen muss, ist nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu ermitteln. Die Änderungen müssen geeignet und erforderlich sein, um den Inhalt des Arbeitsvertrags an die verbliebenen Beschäftigungsmöglichkeiten anzupassen. Die angebotenen Änderungen dürfen sich nicht weiter vom bisherigen Inhalt des Arbeitsverhältnisses entfernen, als dies zur Erreichung des angestrebten Ziels erforderlich ist (BAG 29. September 2011 – 2 AZR 523/10 – Rn. 28 mwN).
II. Ein Kündigungsgrund lag vor. Es bestand kein Bedarf an einer Beschäftigung der Klägerin zu den bisherigen Vertragsbedingungen.
1. Die Klägerin wäre nach dem Arbeitsvertrag vom 8. November 1993 mit Tätigkeiten entsprechend VG VII (EG 5) zu betrauen gewesen.
a) Die vom Landesarbeitsgericht unterlassene Auslegung des Arbeitsvertrags, die der Senat aufgrund des feststehenden Sachverhalts selbst vornehmen kann, ergibt, dass die Klägerin als Angestellte (§ 1) mit Aufgaben gemäß VG VII (§ 5) eingestellt wurde. Es handelte sich um eine im öffentlichen Dienst übliche Vertragsgestaltung, die die geschuldete Arbeitsleistung allein durch eine allgemeine Tätigkeitsbezeichnung („Angestellter”) und die Nennung einer Vergütungsgruppe („VG VII”) beschreibt. Bei einer solchen Vereinbarung können dem Arbeitnehmer kraft Direktionsrechts alle – aber auch nur solche – Arbeiten zugewiesen werden, die die Merkmale der Vergütungsgruppe erfüllen, in die er „eingestuft” ist. Die Übertragung einer Tätigkeit, die geringere Qualifikationsmerkmale erfüllt, ist auch dann unzulässig, wenn der Arbeitgeber die vertraglich vereinbarte Vergütung (weiter) zahlt (vgl. BAG 17. August 2011 – 10 AZR 322/10 – Rn. 15 mwN).
b) Zwar wurde die Klägerin lange Jahre als Schreibkraft im Umweltamt mit Aufgaben beschäftigt, die nur der VG VIII entsprachen, weil sie über eine abgeschlossene Berufsausbildung hinaus keine (gründlichen) Fachkenntnisse im Tarifsinne erforderten. Dadurch haben die Parteien den Arbeitsvertrag jedoch nicht – zumal nicht bloß auf „Tätigkeitsseite” – stillschweigend geändert. Ihnen fehlte schon deshalb der entsprechende Wille, weil sie übereinstimmend davon ausgingen, dass der Klägerin Aufgaben gemäß VG VII übertragen seien. Die Beklagte wurde erst durch den Landesrechnungshof eines besseren belehrt. Die Klägerin wurde folglich nicht übertariflich vergütet, sondern „untervertraglich” beschäftigt.
c) Die Beklagte hat auch mit dem Schreiben vom 1. September 2009 nicht angeboten, den Arbeitsvertrag dahin abzuändern, dass fortan Tätigkeiten entsprechend EG 3 (VG VIII) bei einer Vergütung nach EG 5 (VG VII) geschuldet sein sollten. Vielmehr hat sie sich im drittletzten Absatz des Schreibens ausdrücklich vorbehalten, der Klägerin „entsprechende höherwertige Tätigkeiten im Rahmen (ihrer) bestehenden vertraglichen Eingruppierung zu übertragen”. Danach sollte die Klägerin weiterhin Tätigkeiten gemäß der vereinbarten Vergütungsgruppe (VG VII) schulden.
2. Es bestand kein Bedarf an einer Beschäftigung der Klägerin mit Aufgaben der Wertigkeit EG 5. Weder waren – nach dem unwidersprochenen Vorbringen der Beklagten – Arbeitsplätze dieser Entgeltgruppe im Kündigungszeitpunkt frei, noch war absehbar, dass solche vor Ablauf der Kündigungsfrist am 31. März 2013 frei würden. Im Übrigen hat die Klägerin nicht dargetan, dass sie einen entsprechenden Arbeitsplatz – ggf. nach zumutbarer Einarbeitungszeit – habe besetzen können.
III. Die Beklagte hat mit der Kündigung ein hinreichend bestimmtes Änderungsangebot unterbreitet. Die Klägerin konnte dem Kündigungsschreiben zweifelsfrei entnehmen, welche Arbeitsbedingungen künftig gelten sollen (vgl. dazu BAG 25. April 2013 – 2 AZR 960/11 – Rn. 31 mwN).
1. Die Klägerin sollte fortan Tätigkeiten nach EG 3 bei Vergütung aus eben dieser Entgeltgruppe schulden. Hierzu musste lediglich in § 5 des – vom Landesarbeitsgericht nicht mit in den Blick genommenen – „Ausgangsvertrags” vom 8. November 1993 „VG VII” durch „EG 3” ersetzt werden. Damit wurde nicht bloß die zu beanspruchende Vergütung, sondern zugleich die geschuldete Tätigkeit geändert. Sogar der Verweis auf § 22 BAT-O für die Bestimmung der zuweisbaren Tätigkeiten konnte „unangetastet” bleiben, weil die Vorschrift über § 17 TVöD-VKA solange weiter gilt, bis die §§ 12, 13 TVöD-VKA belegt sind.
2. Dass die Beklagte der Klägerin schon am 16. Juli 2012 – weit vor Ablauf der Kündigungsfrist am 31. März 2013 – die Tätigkeiten als Schreibkraft für den Personalrat und als Botin übertragen hat, spielt für die Auslegung des Angebots keine Rolle. Insofern kommt es auf den objektiven Empfängerhorizont im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung an. Dieser lag vor dem 16. Juli 2012. Die vorfristige Umsetzung besagt nicht mehr, als dass die Beklagte sich berechtigt sah, vorübergehend vertragsfremde Tätigkeiten unter Fortzahlung der (noch) vereinbarten höheren Vergütung zuzuweisen. Daraus kann nicht geschlossen werden, dass sie die vertragliche Tätigkeitsbeschreibung dauerhaft hätte „unberührt” lassen wollen. Das hätte im Übrigen bedeutet, dass die Klägerin Tätigkeiten entsprechend EG 5 künftig für eine Vergütung aus EG 3 hätte verrichten sollen. Diese behauptet selbst nicht, sie habe das ihr mit der Kündigung angesonnene Änderungsangebot so verstehen müssen.
IV. Das Änderungsangebot wahrt die Grenzen der Verhältnismäßigkeit.
1. Das gilt zunächst für die erstrebte Änderung der geschuldeten Arbeitstätigkeit.
a) Einerseits war die Änderung – unbeschadet der Frage, ob dies der Klage zum Erfolg verhülfe – nicht „überflüssig”. Die Beklagte konnte der Klägerin Tätigkeiten entsprechend EG 3 (VG VIII) nicht im Wege des Direktionsrechts nach § 106 GewO übertragen. Damit hätte sie die Grenzen des Arbeitsvertrags vom 8. November 1993 überschritten.
b) Andererseits war die Änderung nicht deshalb weitergehend als nötig, weil der Klägerin wenigstens Tätigkeiten gemäß EG 4 hätten übertragen werden können. Sie hat nicht behauptet, dass bei Zugang der Kündigung entsprechende, von ihr qualifikationsgemäß „auszufüllende” Arbeitsplätze unbesetzt gewesen oder doch absehbar während des Laufs der Kündigungsfrist frei geworden wären.
2. Das Änderungsangebot ist auch hinsichtlich der mit ihm verbundenen Entgeltminderung weder unverhältnismäßig noch sonst unbillig.
a) Werden einem Arbeitnehmer im Wege der Änderungskündigung Tätigkeiten gemäß den Qualifikationsmerkmalen einer bestimmten Vergütungsgruppe eines im Betrieb angewandten tariflichen Vergütungssystems angeboten, ist es grundsätzlich nicht unverhältnismäßig, wenn er künftig auch „nur” entsprechend dieser Entgeltgruppe bezahlt wird (vgl. BAG 24. Mai 2012 – 2 AZR 163/11 – Rn. 37 mwN). Hier hatten die Parteien die Geltung des BAT-O bzw. seit Oktober 2005 des TVöD-VKA und des TVÜ-VKA vereinbart. Diese Abrede blieb von der Änderungskündigung unberührt.
b) Im Streitfall ist von dem Grundsatz des Gleichklangs von Tätigkeit und tariflich für sie vorgesehenem Entgelt keine Ausnahme zu machen. Das Änderungsangebot der Beklagten musste nicht aufgrund besonderer Umstände dahin gehen, dass die Klägerin für Tätigkeiten entsprechend EG 3 ein Entgelt aus EG 5 beanspruchen könne.
aa) Die Beklagte hat das Recht, die streitgegenständliche Änderungskündigung zu erklären, nicht allein dadurch verwirkt, dass sie die Klägerin von November 1993 bis September 2009 „übertariflich” vergütet hätte. Es fehlte an hinreichenden zusätzlichen vertrauensbegründenden Umständen (vgl. BAG 24. Januar 2007 – 4 AZR 28/06 – Rn. 30 ff.). Das hat die Beklagte – anders als in ihrem Schreiben vom 1. September 2009 zum Ausdruck kommt – inzwischen selbst erkannt und dies wird auch von der Klägerin nicht anders gesehen.
bb) Die Vergütungsabsenkung verbot sich auch nicht aufgrund eben dieses Schreibens vom 1. September 2009.
(1) Mit ihrem Schreiben hat die Beklagte nicht auf das Recht zu einer – nunmehr erklärten – Änderungskündigung verzichtet. Sie hat der Klägerin darin im Kern Folgendes mitgeteilt: Die Tätigkeit als Schreibkraft im Umweltamt entspreche richtigerweise nur EG 3. Die Vergütung aus EG 5 beruhe auf einem Irrtum. Grundsätzlich dürfe deshalb eine „Korrektur” erfolgen. Eine solche sei indes gemäß § 242 BGB ausgeschlossen, weil die Klägerin „Vertrauensschutz” genieße. Eine „Herabgruppierung” werde „somit” unterbleiben. Hiernach wollte die Beklagte – für die Klägerin erkennbar – nicht davon absehen, ein auch nach ihrer Auffassung durchaus bestehendes Recht geltend zu machen. Sie ging vielmehr davon aus, die Befugnis zur „Herabgruppierung” durch Zeitablauf verloren zu haben. Darin liegt keine konstitutive, rechtsgeschäftliche Verzichtserklärung – ebensowenig wie umgekehrt eine sog. betriebliche Übung nicht dadurch begründet wird, dass der Arbeitgeber Leistungen in der irrigen Annahme erbringt, zu diesen bereits aus anderen Gründen verpflichtet zu sein (vgl. BAG 29. August 2012 – 10 AZR 571/11 – Rn. 20). Die Beklagte hätte auch schwerlich „aus freien Stücken” auf eine „Rückgruppierung” der Klägerin verzichten können. Sie befand sich in der Haushaltskonsolidierung gemäß § 158 Abs. 3 iVm. § 156 Abs. 3 GO LSA aF. Zudem war sie durch den Landesrechnungshof angehalten worden, die „Fehlvergütung” der bei ihr beschäftigten Schreibkräfte zu korrigieren (zur Maßgeblichkeit dieses Umstands bei der Korrektur einer irrtümlichen „Eingruppierung” vgl. ErfK/Oetker 15. Aufl. § 2 KSchG Rn. 66).
(2) Es stellt sich aufgrund der Ausführungen in dem Schreiben vom 1. September 2009 und der anschließenden Weiterbeschäftigung der Klägerin mit „vertragswidrigen” Aufgaben entsprechend EG 3 nicht als rechtsmissbräuchlich widersprüchlich dar, dass die Beklagte später dennoch die streitgegenständliche Änderungskündigung erklärt hat. Die Voraussetzungen des engen Ausnahmetatbestands eines treuwidrigen Selbstwiderspruchs liegen nicht vor (vgl. dazu BAG 16. Februar 2012 – 6 AZR 553/10 – Rn. 53, BAGE 141, 1; BGH 15. November 2012 – IX ZR 103/11 – Rn. 12). Hat ein Arbeitgeber von einer „Rückgruppierung” in der irrigen Annahme abgesehen, eine solche sei nicht zulässig, wird das Vertrauen des Arbeitnehmers auf ein solches Unterlassen für die Zukunft in der Regel nicht geschützt. Anders liegt es nur dann, wenn ausreichende vertrauensbegründende Umstände vorliegen (BAG 24. Januar 2007 – 4 AZR 28/06 – Rn. 30 ff.; MüKoBGB/Roth/Schubert 6. Aufl. § 242 Rn. 307). Das ist hier nicht der Fall. Die Klägerin, die im Übrigen noch im hiesigen Rechtsstreit davon ausgeht, alle Schreibkraftstellen bei der Beklagten seien mit EG 5 zu bewerten, hat nicht behauptet, sie habe im Vertrauen auf den ihr mitgeteilten „Bestandsschutz” bestimmte Vermögensdispositionen getroffen. Das Verhalten der Beklagten stellt sich auch nicht deshalb als rechtsmissbräuchlich dar, weil sie selbst aus der Mitteilung mit Schreiben vom 1. September 2009 erhebliche Vorteile gezogen hätte (vgl. dazu Palandt/Grüneberg BGB 74. Aufl. § 242 Rn. 59). Zwar hat sie die Klägerin anschließend weiter „untervertraglich” beschäftigt. Das beruhte jedoch nicht darauf, dass sie diese über die tarifliche Rechtslage „getäuscht” hätte. Sie hat der Klägerin vielmehr ausdrücklich nahe gelegt, an dem Beschäftigtenlehrgang I teilzunehmen, damit sie – erst dann – entsprechend ihrer „vertraglichen Eingruppierung” eingesetzt werden könne, falls ein solcher Arbeitsplatz frei würde. Es war allein die Klägerin, die aus der Fehleinschätzung der Beklagten, eine „Herabgruppierung” sei nicht möglich, einen Vorteil gezogen hat. Sie hat für ihre von ihr selbst als vertragsgemäß erachteten Arbeiten, die in Wahrheit nur EG 3 entsprachen, noch bis zum 31. März 2013 eine „übertarifliche” Vergütung nach EG 5 erhalten.
V. Die Änderungskündigung gegenüber der Klägerin stellt sich nicht deshalb als „herausgreifend” (vgl. dazu BAG 20. August 1998 – 2 AZR 84/98 – zu II 2 e der Gründe; 22. Februar 1979 – 2 AZR 115/78 – zu 2 a der Gründe) dar, weil andere Schreibkräfte, die ebenfalls Tätigkeiten nach EG 3 verrichteten, von einer Vertragsänderung „verschont” geblieben sind. Die Beklagte sah sich nur deshalb zur „Herabgruppierung” der Klägerin berechtigt, weil deren bisheriger Arbeitsplatz weggefallen war. Aus diesem Anlass hat sie die Situation hinsichtlich der Entgeltgruppe als Neueinstellung gemäß dem seit 2010 geltenden Haushaltsplan betrachtet. Es lässt sich nicht erkennen, dass der Anlass bloß vorgeschoben wäre. Die Klägerin ist dem schlüssigen Vortrag der Beklagten dazu, dass die Stelle einer Schreibkraft im Umweltamt in Umsetzung des für sich plausiblen, nicht offenkundig unsachlichen Beschlusses des Stadtrats weggefallen ist, nicht in erheblicher Weise entgegen getreten. Einen Rechtsmissbrauch der Beklagten hat sie nicht dargetan. Wenn die Klägerin übermäßige Belastungen zweier Kolleginnen vermutet, übersieht sie, dass es sich bei den fraglichen Tätigkeiten nicht um streng taktgebundene Arbeiten handelt und die Beklagte mögliche Verzögerungen als Teil ihres Konzepts hinnimmt. Das steht ihr – entgegen der Ansicht der Klägerin – frei (zu den Anforderungen an den Vortrag des öffentlichen Arbeitgebers bei der Streichung von Stellen durch den gemeindlichen Haushaltsgesetzgeber vgl. allgemein BAG 23. November2004 – 2 AZR 38/04 – zu B I 1 der Gründe, BAGE 112, 361; 22. Mai 2003 – 2 AZR 326/02 – zu B I 2 der Gründe).
VI. Die Änderungskündigung ist nicht aufgrund einer unzureichenden Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG unwirksam.
1. Die Beklagte hat den in die soziale Auswahl einzubeziehenden Personenkreis zutreffend bestimmt.
a) Sie hat die Auswahl zu Recht nur auf Arbeitnehmer mit vertraglichen Aufgaben gemäß EG 5 erstreckt. Eben solche Tätigkeiten schuldete die Klägerin. Das galt zwar auch für andere Schreibkräfte, die von der Beklagten nicht in die Auswahl einbezogen worden sind. Jedoch konnten der Klägerin deren tatsächlich ausgeübte Aufgaben der tariflichen Wertigkeit EG 3 nicht – wie für die Vergleichbarkeit erforderlich – kraft Direktionsrechts übertragen werden. Für die Klägerin hätte es sich, weil sie – wie gezeigt – bis dahin mit Arbeiten nach EG 5 zu betrauen war, um „untervertragliche” Tätigkeiten gehandelt.
b) Es ist nicht zu beanstanden, dass die Beklagte lediglich zwei Arbeitnehmerinnen für auch nach Qualifikation und Arbeitsplatz vergleichbar erachtet hat. Die Klägerin ist dem detaillierten Vorbringen der Beklagten zu den Umständen, die einer Vergleichbarkeit mit anderen tatsächlich nach EG 5 beschäftigten Arbeitnehmern entgegenstehen sollen, nicht ausreichend entgegen getreten. Sie hat nicht konkret dargelegt, welchen Arbeitsplatz sie unter Beachtung der arbeitgeberseitig aufgestellten Qualifikationsmerkmale – ggf. nach kurzer Einarbeitung – hätte besetzen können und welcher Arbeitnehmer statt ihrer ein Angebot zur Weiterbeschäftigung mit Aufgaben nach EG 3 hätte erhalten müssen. Zum einen beschränkt sie sich darauf, den Vortrag der Beklagten zu den für eine Tätigkeit nach EG 5 erforderlichen Qualifikationen (insbesondere entsprechende Verwaltungsausbildungen) mit Nichtwissen zu bestreiten. Zum anderen hat sie nicht aufgezeigt, dass andere Arbeitnehmer mit Tätigkeiten der Wertigkeit EG 5 binnen kurzer Einarbeitungszeit in der Lage gewesen wären, Aufgaben entsprechend EG 3 – namentlich solche einer Schreibkraft (beim Personalrat) – auszuüben.
2. Innerhalb der korrekt bestimmten Vergleichsgruppe hat die Beklagte die sozialen Gesichtspunkte gemäß § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG zumindest ausreichend berücksichtigt. Die Klägerin weist nach dem von der Beklagten verwendeten Schema eine deutlich geringere Punktzahl auf als die beiden vergleichbaren Arbeitnehmerinnen. Entscheidend kommt hinzu, dass bei Berücksichtigung aller Sozialdaten die Auswahlentscheidung der Beklagten mindestens vertretbar ist. Keine der drei in die Auswahl einbezogenen Arbeitnehmerinnen ist schwerbehindert oder Dritten zum Unterhalt verpflichtet. Zwar ist die Klägerin zwei bzw. vier Jahre älter als die beiden anderen Arbeitnehmerinnen, diese weisen jedoch eine fünf bzw. elf Jahre längere Betriebszugehörigkeit auf als sie. Unter diesen Umständen kann nicht davon ausgegangen werden, die von der Beklagten vorgenommene Sozialauswahl sei mangelhaft. Die Klägerin ist im Verhältnis zu ihren beiden Kolleginnen jedenfalls nicht – zumal nicht deutlich (vgl. BAG 29. Januar 2015 – 2 AZR 164/14 – Rn. 11 mwN) – schutzbedürftiger.
B. Der Personalrat ist ordnungsgemäß beteiligt worden. Die Beklagte hat ihn gemäß § 61 Abs. 3 Satz 1 PersVG LSA vollständig über den maßgeblichen Kündigungssachverhalt unterrichtet. Insbesondere hat sie ihm mitgeteilt, dass mangels Möglichkeiten zu vertragsgemäßer Beschäftigung entsprechend EG 5 sich künftig Tätigkeit und Vergütung nach EG 3 richten sollen, und hat sie die vorgenommene Sozialauswahl umfangreich erläutert. Der Personalrat hat der beabsichtigten Kündigung gemäß § 67 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 iVm. § 61 Abs. 1 PersVG LSA zugestimmt.
C. Die Klägerin hat sich nicht darauf berufen, dass ihr Arbeitsverhältnis ordentlich unkündbar sei. Einen solchen Unwirksamkeitsgrund hätte sie prozessual ordnungsgemäß geltend machen müssen (vgl. BAG 8. November 2007 – 2 AZR 314/06 – Rn. 17, BAGE 124, 367). Deshalb war nicht der Frage nachzugehen, ob Art. 3 Abs. 1 GG eine „Erstreckung” des Sonderkündigungsschutzes nach § 34 Abs. 2 Satz 1 TVöD auf Arbeitnehmer im Tarifgebiet Ostbedingen könnte (zur Problematik vgl. Linck/Scholz AR-Blattei SD 1010.7 Rn. 157 ff.; Schaub/Linck 16. Aufl. § 183 Rn. 24).
D. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Kreft, Rachor, Niemann, Gans, Nielebock
Fundstellen
Haufe-Index 9108729 |
BAGE 2016, 9 |
BB 2016, 627 |
DB 2016, 7 |