Entscheidungsstichwort (Thema)
Eingruppierung einer Abpackerin
Leitsatz (redaktionell)
Bei der Eingruppierung eines Arbeitnehmers in die Vergütungsgruppen des Lohnrahmenabkommens für den Groß- und Außenhandel im Lande Nordrhein-Westfalen vom 14.3.1980 gelten folgende Grundsätze:
(1) Es ist von der überwiegend ausgeübten Tätigkeit eines Arbeitnehmers auszugehen. Dies ist die Tätigkeit, die mehr als die Hälfte der Gesamtarbeitszeit in Anspruch nimmt.
(2) Die überwiegend ausgeübte Tätigkeit ist nach den allgemeinen Tätigkeitsmerkmalen (Oberbegriffen) zu bewerten.
(3) Auf die den Oberbegriffen zugeordneten Beispieltätigkeiten ist nur dann maßgebend abzustellen, wenn diese im Tarifvertrag nur einmal in einer bestimmten Lohngruppe aufgeführt sind. Wird eine Beispielstätigkeit nur einmal in einer Tarifgruppe aufgeführt, besteht der allgemeine Grundsatz, daß auch die allgemeinen Tätigkeitsmerkmale als erfüllt angesehen werden können.
(4) Auf die allgemeinen Tätigkeitsmerkmale ist wieder zurückzugreifen, wenn von der Beispielstätigkeit nur ein Ausschnitt der überwiegend ausgeübten Tätigkeit erfaßt wird.
(5) Erfüllt die Beispielstätigkeit die Merkmale einer niedrigeren als der begehrten Vergütungsgruppe, so ist eine Eingruppierung in die höhere Vergütungsgruppe nicht mehr aufgrund der allgemeinen Merkmale möglich.
2. Ein Arbeitnehmer, der an einem Abfüllautomaten überwiegend damit beschäftigt ist, die von der Maschine gefüllten Tüten in 10-Packungen zu bündeln und abzuräumen, verrichtet keine einfachen Maschinenarbeiten, sondern Packtätigkeit.
Orientierungssatz
Maschinenarbeit ist gegeben, wenn das Arbeitsergebnis durch Maschinen erstellt wird oder wesentlich mittels Maschinen herbeigeführt wird. Handarbeit ist dagegen dann anzunehmen, wenn das Arbeitsergebnis überwiegend auf dem Einsatz menschlicher Arbeitskraft beruht.
Normenkette
TVG § 1
Verfahrensgang
LAG Düsseldorf (Entscheidung vom 19.12.1990; Aktenzeichen 4 Sa 1320/90) |
ArbG Solingen (Entscheidung vom 22.08.1990; Aktenzeichen 3 Ca 1644/89) |
Tatbestand
Die Parteien streiten über die tarifgerechte Eingruppierung der Klägerin nach dem Lohnrahmenabkommen für den Groß- und Außenhandel Nordrhein-Westfalen vom 14. März 1980 (LRA).
Die Beklagte vertreibt u. a. Blumen- und Gemüsesamen. Zu diesem Zweck wird als Schüttgut angeliefertes Saatgut im Betrieb der Beklagten von insgesamt 33 vollautomatischen Abfüll- und Verpackungsmaschinen (30 Höller Flachbeutel-Füll- und Schließautomaten sowie 3 Automaten anderer Fabrikate) in Papiertüten abgefüllt und verpackt.
Die Klägerin ist nach dem Arbeitsvertrag vom 26. Februar 1980 als "Packerin" eingestellt. Sie ist an einem "Höller-Automaten" tätig. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet aufgrund beiderseitiger Tarifgebundenheit und einzelvertraglicher Bezugnahme das Lohnrahmenabkommen für den Groß- und Außenhandel Nordrhein-Westfalen vom 14. März 1980 (LRA) Anwendung. Die Klägerin erhält Lohn nach Lohngruppe III LRA.
Die Klägerin hat den Automaten mit Tüten, Saatgut und Leim zu versorgen und die von der Maschine mit Samen gefüllten und verschlossenen Tüten zu bündeln und wegzustellen. Im einzelnen verrichtet sie dabei folgende Tätigkeiten: Zu Beginn der Schicht versorgt sie die Maschine mit Leim, indem sie den Maschinenleimbehälter (sog. Leimer) füllt und in die Maschine einsetzt. Vor Beginn der sich während einer Schicht ständig wiederholenden Abfüll- und Verpackungsvorgänge entnimmt die Klägerin Leertüten aus einem Tütenmagazin und legt diese in die Maschine ein. Danach schüttet sie das jeweilige Saatgut in die Maschinentrichter und setzt die Maschine durch Knopfdruck in Gang.
Die weit überwiegende Tätigkeit der Klägerin besteht darin, die durch die Maschine vollautomatisch mit Samen gefüllten und verschlossenen Tüten
aus der Auslaufrinne zu entnehmen,
jeweils zehn Tüten abzuzählen und diese durch
Überstreifen eines Gummiringes in Packungen (sog.
Zehnerpacks) zu bündeln,
diese Zehnerpacks in Kartons zu stellen,
die Kartons zu etikettieren und
die Kartons auf dem in Reichweite des Arbeits-
platzes stehenden Transportwagen zu stapeln.
Hierbei kontrolliert sie die Tüten auf ihre Feh-
lerfreiheit in der Füllung, Klebung und Stempe-
lung und sondert die fehlerhaften Tüten aus.
Nach jedem Abfüll- und Verpackungsvorgang stellt die Klägerin die Maschine in die Leerlaufposition. Am Ende der Schicht schaltet die Klägerin die Maschine aus, liest die Gesamtzahl der gefüllten Tüten am Zählwerk ab und trägt diese Zahl auf dem Auftragszettel ein; weiterhin entnimmt sie den Leimer und reinigt diesen.
Neu eingestellte Arbeitnehmer werden in der Regel durch eine Stammarbeitnehmerin während eines halben Tages eingewiesen, wobei sie lediglich zuschauen. Ab der zweiten Hälfte des ersten Arbeitstages verrichtet der neu eingestellte Arbeitnehmer sämtliche vorzunehmenden Tätigkeiten unter Beobachtung selbst. Dabei schaut eine Stammarbeiterin, die Rüstfrau oder ein Vorarbeiter einige Male pro Tag bei dem neu eingestellten Arbeitnehmer vorbei und kontrolliert dessen Arbeit. Spätestens nach fünf Arbeitstagen verrichten neu eingestellte Arbeitnehmer in aller Regel die vorzunehmenden Tätigkeiten selbständig und ohne Aufsicht.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, ihre Tätigkeit erfülle die Anforderungen der Lohngruppe IV LRA Tätigkeitsbeispiel Nr. 3, da sie an und mit einer Maschine arbeite und daher "einfache Maschinenarbeiten" verrichte. Sie überwache während der gesamten Schicht den ordnungsgemäßen Ablauf der Maschine und behebe auftretende Störungen. Sie erfülle auch die allgemeinen Tätigkeitsmerkmale der Lohngruppe IV LRA, da die von ihr ausgeübten Tätigkeiten nur nach einer jeweils erforderlichen Anlernzeit ausgeführt werden könnten.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin mit
Wirkung vom 1. Juli 1988 in Lohngruppe IV des
Lohnrahmenabkommens Groß- und Außenhandel NRW vom
14. März 1980 einzugruppieren.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Auffassung vertreten, die von der Klägerin überwiegend ausgeübte Tätigkeit des Bündelns und Abpackens der Tüten sowie des Wegstellens der Kartons sei keine Maschinenarbeit, sondern eine Packtätigkeit. Die Tätigkeit der Klägerin erfordere auch keine Anlernzeit, da diese Tätigkeit von neu eingestellten Arbeitnehmern nach einer halbtägigen Einweisung und anschließender mehrtägiger gelegentlicher Überwachung selbständig ausgeführt werde.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin nach Vernehmung eines Zeugen zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihren Klageantrag mit der Maßgabe weiter, er sei als Antrag auf Feststellung der Verpflichtung der Beklagten zu werten, die Klägerin entsprechend zu vergüten. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Vergütung nach der Lohngruppe IV LRA.
I. Der von der Klägerin in der Revisionsinstanz klargestellte Klageantrag stellt eine Eingruppierungsfeststellungsklage dar, welche auch im Bereich der Privatwirtschaft allgemein üblich ist und keinen prozeßrechtlichen Bedenken begegnet (BAG Urteil vom 20. Juni 1984 - 4 AZR 208/82 - AP Nr. 2 zu § 1 TVG Tarifverträge: Großhandel; BAG Urteil vom 15. März 1989 - 4 AZR 627/88 - AP Nr. 23 zu § 1 TVG Tarifverträge: Druckindustrie; BAG Urteil vom 20. Februar 1991 - 4 AZR 395/90 - nicht veröffentlicht).
II.1 Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden aufgrund beiderseitiger Verbandszugehörigkeit und einzelvertraglicher Bezugnahme die Vorschriften des Lohnrahmenabkommens für den Groß- und Außenhandel vom 14. März 1980 (LRA) unmittelbar und zwingend Anwendung (§ 3 Abs. 1 Satz 1, § 4 Abs. 1 Satz 1 TVG).
2. Zur Beurteilung des von der Klägerin geltend gemachten Anspruchs auf Eingruppierung in die Lohngruppe IV LRA sind deshalb folgende tarifliche Bestimmungen heranzuziehen:
" § 2
Grundsätze der Einstufung
1. Für die Einstufung der gewerblichen Arbeitneh-
mer nach diesem Lohngruppenplan sind in erster
Linie die Oberbegriffe maßgebend. Bei der
Festlegung der Oberbegriffe war es der Wille
der Verhandlungskommission, diese so zu formu-
lieren, daß die Steigerung in der Aufgaben-
schwierigkeit von den einfachsten bis zu den
qualifizierten Anforderungen zum Ausdruck ge-
bracht werden.
2. Die Tätigkeitsbeispiele wurden ergänzend und
nur beispielhaft zugeordnet; sie erheben kei-
nen Anspruch auf Vollständigkeit. Es wurde
eine Durchlässigkeit angestrebt. Ausschlagge-
bend sind in erster Linie die Oberbegriffe.
3. Für die Einstufung im einzelnen ist die Be-
rufsbezeichnung ohne Bedeutung, maßgebend ist
die ausgeübte Tätigkeit.
...
4. Werden von den gewerblichen Arbeitnehmern Tä-
tigkeiten verschiedener Lohngruppen ausgeübt,
so muß die Einstufung der überwiegenden Tätig-
keit entsprechen.
§ 3
Gruppenplan für gewerbliche Tätigkeiten
...
Lohngruppen
...
Lohngruppe II
Arbeiten einfacher Art, die ohne vorherige Ar-
beitskenntnis nach Einweisung ausgeführt werden.
Beispiele:
...
2. Pack-, Sortier-, Regalauffüll- und Zubringer-
tätigkeit
Lohngruppe III
Arbeiten, die ohne vorherige Arbeitskenntnisse
nach kurzer Einarbeit ausgeführt werden.
...
Beispiele:
...
2. Pack-, Hilfs- oder Platzarbeiten ...
Lohngruppe IV
Arbeiten, die nach einer jeweils erforderlichen
Anlernzeit ausgeführt werden.
Beispiele:
...
2. Packer oder Lagerarbeiter mit Material- und
Warenteilkenntnissen.
3. Einfache Maschinenarbeiten, z.B. an Trennsäge,
Schere oder Biegeeinrichtung."
a) Nach § 2 Abs. 3 Satz 1, Abs. 4 LRA ist für die tarifliche Bewertung die vom Arbeitnehmer überwiegend verrichtete Tätigkeit maßgebend. Dies ist die Tätigkeit, die mehr als die Hälfte der Gesamtarbeitszeit in Anspruch nimmt. Die Einstufung erfolgt unter Verwendung von allgemeinen Tätigkeitsmerkmalen (Oberbegriffen) und Beispielen. Nach § 2 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 3 LRA sind in erster Linie die Oberbegriffe maßgebend (BAG Urteil vom 20. Juni 1984 - 4 AZR 208/82 - AP Nr. 2 zu § 1 TVG Tarifverträge: Großhandel). Die Tätigkeitsbeispiele haben gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 LRA lediglich ergänzenden Charakter. Ihnen kommt nach der ständigen Senatsrechtsprechung nur dann ausschlaggebende Bedeutung zu, wenn sie nur einmal in einer Lohngruppe erscheinen. In diesen Fällen ist davon auszugehen, daß die Tarifvertragsparteien für die Beispielstätigkeit annehmen, daß sie die allgemeinen Merkmale erfüllt. Es gilt der allgemeine Grundsatz, daß bei Erfüllung eines konkreten Tätigkeitsbeispiels auch die allgemeinen Tätigkeitsmerkmale als erfüllt anzusehen sind. Auf die allgemeinen Merkmale muß wieder dann zurückgegriffen werden, wenn die vom Arbeitnehmer ausgeübte Tätigkeit von einem Tätigkeitsbeispiel nicht oder nicht voll erfaßt wird (vgl. BAG Urteil vom 8. Februar 1984, BAGE 45, 121 = AP Nr. 134 zu § 1 TVG Tarifverträge: Auslegung; Urteil vom 7. November 1984 - 4 AZR 286/83 - AP Nr. 6 zu § 1 TVG Tarifverträge: Einzelhandel, beide mit weiterem Nachweis). Soweit die allgemeinen Tätigkeitsmerkmale unbestimmte Rechtsbegriffe enthalten, sind die Tätigkeitsbeispiele im Rahmen der Auslegung dieser unbestimmten Rechtsbegriffe als Richtlinien für die Bewertung mitzuberücksichtigen (vgl. BAGE 45, 121, 126 = AP Nr. 134 zu § 1 TVG Auslegung; BAG Urteil vom 21. Oktober 1987 - 4 AZR 49/87 - AP Nr. 19 zu § 1 TVG Tarifverträge: Druckindustrie). Entspricht die vom Arbeitnehmer ausgeübte Tätigkeit einem Tätigkeitsbeispiel einer niedrigeren als der beantragten Lohngruppe, so kann diese Tätigkeit regelmäßig nicht unter die abstrakten Tätigkeitsmerkmale der begehrten Lohngruppe subsumiert werden (BAG Urteil vom 21. Oktober 1987, aaO).
b) Die Arbeitsaufgabe der Klägerin besteht darin, den Automaten zur Arbeit vorzubereiten, indem sie ihn mit Leim, Tüten und Samen auffüllt und im weiteren Verlauf der Schicht die abgefüllten Tüten aus der Ablaufrinne entnimmt, abzählt, bündelt, wegräumt und in Kartons legt. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts macht die Entsorgung des Automaten 70 v.H. der Arbeitszeit der Klägerin aus.
3. Die überwiegend ausgeübte Tätigkeit der Klägerin kann nicht nach Lohngruppe IV LRA Nr. 3 bewertet werden.
a) Die Klägerin meint zu Unrecht, sie erfülle das Beispiel Nr. 3 "einfache Maschinenarbeiten". Der Begriff der Maschinenarbeit wird im allgemeinen Sprachgebrauch im Gegensatz zu dem der Handarbeit verwandt. Maschinenarbeit ist dann gegeben, wenn das Arbeitsergebnis durch Maschinen erstellt wird oder wesentlich mittels Maschinen herbeigeführt wird. Handarbeit ist dagegen dann anzunehmen, wenn das Arbeitsergebnis überwiegend auf dem Einsatz menschlicher Arbeitskraft beruht (vgl. Duden, Das Große Wörterbuch der deutschen Sprache, Bd. 4, S. 1743; Brockhaus/Wahrig, Deutsches Wörterbuch, Bd. 4, S. 600). Von dieser Begriffsbildung sind auch die Tarifvertragsparteien ausgegangen. Im Lohnrahmenabkommen wird in Lohngruppe V Beispiel Nr. 3 der Begriff des Maschinenarbeiters, in Lohngruppe IV Nr. 3 und in Lohngruppe VI Nr. 3 der der Maschinenarbeiten verwandt. Die Begriffe stimmen ihrem Inhalt nach insoweit überein, daß einmal die gekennzeichneten Arbeiten und zum anderen derjenige, der sie verrichtet, bezeichnet wird. Der sachliche Gehalt ist aber gleich. Aus den dem Oberbegriff Maschinenarbeiten hinzugesetzten Beispielen Trennsäge, Schere, Biegeeinrichtung bzw. brennen, bohren, sägen oder scheren ist der Schluß zu ziehen, daß das Arbeitsergebnis durch den Einsatz von technischen Hilfsmitteln gestaltet sein muß. Das gilt im Produktionsbetrieb wie in einem Handelsbetrieb in gleichem Maße. Maschinenarbeiter ist nur derjenige, der das von ihm zu erbringende Arbeitsergebnis unter Zuhilfenahme technischer Einrichtungen erbringt und den von ihnen ausgehenden Gefahren ausgesetzt ist.
In diesem Sinne ist die Klägerin keine Maschinenarbeiterin. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts arbeitet die Klägerin an einem Abfüllautomaten, den sie zwar mit Leim, Tüten und Samen zu beschicken hat, ihr Arbeitsergebnis wird aber dadurch geprägt, daß sie in der überwiegenden Zeit die von den Automaten erstellten Produkte abräumt, zählt und verpackt, also reine Handarbeit verrichtet.
b) Aber auch dann, wenn der Senat die Arbeiten der Klägerin an der Maschine in die Gesamtbewertung einbezieht, erfüllt diese nicht die allgemeinen Voraussetzungen der Lohngruppe IV LRA. Die Klägerin war in der Lage, die Arbeiten am Abfüllautomaten ohne Anlernzeit auszuüben. Es ist zwischen der Einweisung, Einarbeitung und der Anlernung zu unterscheiden. Dies ergibt sich aus einem Vergleich der allgemeinen Merkmale der Lohngruppen II, III und IV. Insoweit wird in dem Tarifvertrag zwischen Arbeitseinweisung, Einarbeiten und Anlernung unterschieden. Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch wird von "einweisen" dann gesprochen, wenn jemand in eine neue Tätigkeit eingeführt wird, indem man ihm Instruktionen über die zu verrichtende Arbeit gibt (Duden, Deutsches Universalwörterbuch, 2. Aufl., Stichwort: einweisen, S. 416). "Einarbeiten" heißt, jemand praktisch mit einer Arbeit vertraut machen, sich hineinfinden, in der Arbeit Übung gewinnen (Duden, aa0, Stichwort: einarbeiten, S. 394; Wahrig, Deutsches Wörterbuch, S. 383). Von einem Anlernen kann nur dann gesprochen werden, wenn ein Arbeitnehmer bestimmte Fähigkeiten manueller, geistiger oder technischer Art erlernen muß, um seine Arbeit verrichten zu können. Lernen bedeutet, sich mit einer nicht ganz leichten geistigen Tätigkeit Kenntnisse und Wissen aneignen und einprägen. Die Zeitspanne, in der die berufliche Tätigkeit erlernt wird, darf nicht ganz unerheblich sein. Von einer Steigerung der beruflichen Anforderungen bei Einweisung, Einarbeitung und Anlernung sind auch die Tarifvertragsparteien bei der allgemeinen Gruppenmerkmale ausgegangen. Dies ergibt sich schon aus dem Aufbau der Gruppenmerkmale, die eine Steigerung von einfachen bis qualifizierten Merkmalen aufweisen (§ 2 Nr. 1 S. 2 LRA). Es kann unentschieden bleiben, ob die Tatbestandsmerkmale "einweisen" und "einarbeiten" hinreichend unterscheidungskräftig sind. Jedenfalls kann von einem "anlernen" bei der Arbeitsvorbereitung der Klägerin keine Rede sein. Das Landesarbeitsgericht hat festgestellt, daß die Klägerin nach einer Arbeitsbeobachtung von einem halben Tag die Arbeit selbständig erledigen konnte. Sie wurde danach nur noch gelegentlich überwacht. Besondere Fähigkeiten oder Kenntnisse waren für die von ihr zu verrichtenden Arbeitsergebnisse nicht erforderlich.
c) Ob für die Eingruppierung der Klägerin nach der von ihr verrichteten Arbeit wesentliche Umstände aus dem Funktionsschlüssel zu erzielen sind, kann der Senat dahingestellt sein lassen. Da die Klägerin weder die allgemeinen noch die besonderen Merkmale der Lohngruppe IV Nr. 3 LRA erfüllt, braucht der Senat nicht zu entscheiden, inwieweit eine Berücksichtigung des Funktionsschlüssels bei der Eingruppierung hilfreich ist.
5. Die Klägerin erfüllt entweder die Voraussetzungen der Lohngruppe II oder III des Lohnrahmenabkommens.
a) Von den Beispielstätigkeiten der Lohngruppe II werden Pack-, Sortier- und Regalauffüll- und Zubringertätigkeiten erfaßt. Dagegen werden von den Beispielstätigkeiten der Lohngruppe III Pack-, Hilfs- oder Platzarbeiten geregelt. In Lohngruppe IV ist der Packer- oder Lagerarbeiter mit Material- und Werkkenntnissen angesprochen. Unter packen wird verstanden, daß etwas in, auf, über, unter etwas gelegt wird, für den Versand vorbereitet und fertiggemacht wird (Brockhaus/Wahrig, Deutsches Wörterbuch, Bd. 5, S. 34) oder daß etwas mit etwas anderem gefüllt wird, indem etwas untergebracht wird, worin es transportiert wird (Duden, Das große Wörterbuch der deutschen Sprache, Bd. 5, S. 1938). Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts ist die Klägerin überwiegend mit Packarbeiten beschäftigt, indem sie das von ihr erstellte Arbeitsergebnis abräumt und weiterverpackt.
b) Ob die Klägerin nach Lohngruppe II oder III einzugruppieren ist, kann nur unter Berücksichtigung der Oberbegriffe ermittelt werden. Das aber kann der Senat unentschieden lassen, weil die Klägerin nach Lohngruppe III eingruppiert ist. Im keinem Fall erfüllt die Klägerin die Voraussetzungen der Lohngruppe IV Nr. 2. Die Klägerin hat nur einmal auf ihre Warenkenntnisse hingewiesen. Sie hat aber im Rahmen des Rechtsstreits die von ihr geforderten und eingesetzten Warenkenntnisse nicht substantiiert dargelegt. Damit kann die Lohngruppe IV Nr. 2 keine Anwendung finden.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZP0.
Schaub Dr. Etzel Schneider
Dr. Koffka Hauk
Fundstellen
DB 1992, 530-531 (LT1-2) |
NZA 1992, 273 |
NZA 1992, 273-275 (LT1-2) |
RdA 1992, 63 |
AP § 1 TVG, Nr 7 |
AR-Blattei, ES 880.2 Nr 19 (LT1-2) |
EzA § 4 TVG Großhandel, Nr 2 (LT1-2) |