1 Neue gesetzliche Regelung zum Hinausschieben der automatischen Beendigung des Arbeitsverhältnisses bei Erreichen der Regelaltersgrenze
In den letzten Monaten wurde in der Tagespresse, insbesondere im Zusammenhang mit der geplanten neuen "Flexi-Rente" angekündigt, dass die befristete Beschäftigung von Arbeitnehmern nach Erreichen der Regelaltersgrenze erleichtert werden soll. Der Gesetzgeber ist diesbezüglich im Rahmen des sog. Rentenreformpakets tätig geworden. Er hat jedoch nicht – wie teilweise erwartet wurde – einen neuen Befristungsgrund für die Beschäftigung älterer Menschen geschaffen. Vielmehr ermöglicht der Gesetzgeber, die bereits vereinbarte Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Erreichen der Regelaltersgrenze auf einen späteren Zeitpunkt hinauszuschieben.
§ 41 Satz 3 SGB VI in der Fassung des Gesetzes über Leistungsverbesserungen in der gesetzlichen Rentenversicherung (RV-Leistungsverbesserungsgesetz) vom 23.6.2014 bestimmt:
§ 41 Satz 3 SGB VI
"Sieht eine Vereinbarung die Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Erreichen der Regelaltersgrenze vor, können die Arbeitsvertragsparteien durch Vereinbarung während des Arbeitsverhältnisses den Beendigungszeitpunkt, ggf. auch mehrfach, hinausschieben."
Das Gesetz ist mit Wirkung zum 1.7.2014 in Kraft getreten.
Ausweislich der Begründung des Gesetzentwurfs soll die Neuregelung den in der Praxis bei Arbeitgebern und Arbeitnehmern vorhandenen Wünschen Rechnung tragen, das Arbeitsverhältnis auch nach Erreichen der Regelaltersgrenze einvernehmlich für einen bestimmten Zeitraum rechtssicher fortsetzen zu können. Nach dem neu gefassten § 41 SGB VI kann ein im Arbeitsvertrag oder Tarifvertrag bereits vereinbarter Beendigungszeitpunkt - ggf. auch mehrfach - zeitlich hinausgeschoben werden.
2 Tarifrechtliche Auswirkungen und arbeitsvertragliche Gestaltungsmöglichkeiten
Die Neuregelung in § 41 Satz 3 SGB VI erfasst jegliche "Vereinbarungen" über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Erreichen der Regelaltersgrenze. Sie ermöglicht deshalb auch das Hinausschieben von im Tarifvertrag vereinbarten Befristungen auf die Regelaltersgrenze.
Die Tarifverträge des öffentlichen Dienstes sehen eine solche automatische Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Erreichen der Regelaltersgrenze vor: Nach § 33 Abs. 1 Buchst. a TVöD/TV-L endet das Arbeitsverhältnis automatisch, ohne dass es einer Kündigung bedarf, "mit Ablauf des Monats, in dem die/der Beschäftigte das gesetzlich festgelegte Alter zum Erreichen der Regelaltersrente vollendet hat".
Der Tarifvertrag knüpft die automatische Beendigung des Arbeitsverhältnisses somit an das Erreichen des gesetzlich festgelegten Alters zum Erreichen der "Regelaltersrente" an. Die Regelaltersgrenze wird nach § 35 Satz 2 SGB VI mit Vollendung des 67. Lebensjahres erreicht. Versicherte, die vor dem 1.1.1947 geboren sind, erreichen die Regelaltersgrenze mit Vollendung des 65. Lebensjahres (§ 235 Abs. 2 Satz 1 SGB VI). Für Versicherte, die nach dem 31.12.1946, jedoch spätestens im Geburtsjahr 1963 geboren sind, wird die Regelaltersgrenze in 2-Monats-Schritten bis zur Regelaltersgrenze von 66 Jahren und 10 Monaten angehoben (§ 235 Abs. 2 Satz 2 SGB VI).
Die tarifliche vorgesehene Befristung auf das Erreichen der Regelaltersgrenze ist zulässig.
§ 41 Satz 3 lässt es zu, durch Abschluss individueller Vereinbarungen den tariflich vereinbarten Beendigungszeitpunkt über das Erreichen der Regelaltersgrenze hinauszuschieben. Erforderlich ist hierfür, dass Arbeitgeber und Beschäftigter während des laufenden Arbeitsverhältnisses eine entsprechende vertragliche Vereinbarung abschließen. Ein älterer Mitarbeiter kann über die für ihn geltende Altersgrenze hinaus beschäftigt werden, wenn z. B. noch kein Nachfolger für die an sich frei werdende Stelle gefunden ist oder ein solcher eingearbeitet werden muss. Auch kann auf diesem Weg ein Arbeitnehmer ein laufendes Projekt mit seiner Sachkunde noch zum Abschluss bringen.
Individuelle Vereinbarung vor Erreichen der Regelaltersgrenze abschließen
Die vertragliche Vereinbarung muss zwingend noch vor Erreichen der Regelaltersgrenze geschlossen werden! Es wird für notwendig erachtet, dass die Vereinbarung schriftlich abgeschlossen wird.
§ 41 Satz 3 SGB VI enthält nach dem Wortlaut zwar kein ausdrückliches Schriftformerfordernis. Die automatische Beendigung des Arbeitsverhältnisses wegen Erreichen der Regelaltersgrenze wird vom BAG als "kalendermäßige Befristung" des Arbeitsverhältnisses angesehen. Die Befristung eines Arbeitsverhältnisses ist nach § 14 Abs. 4 TzBfG nur wirksam, wenn diese schriftlich vereinbart wurde. Aus diesem Grund wird dringend empfohlen, auch die "Hinausschiebens-Vereinbarung" schriftlich niederzulegen, d. h. durch Arbeitgeber und Arbeitnehmer noch vor Erreichen der Regelaltersgrenze eigenhändig unterzeichnen zu lassen.