Verfahrensgang
Tenor
Der Antrag des Klägers, ihm für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 28. April 2020 Prozesskostenhilfe zu bewilligen und einen Rechtsanwalt beizuordnen, wird abgelehnt.
Gründe
I
Im Streit sind die Höhe der Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (Grundsicherungsleistungen) nach dem Vierten Kapitel des Sozialgesetzbuchs Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII) und die Direktzahlung von Beiträgen zur privaten Kranken- und sozialen Pflegeversicherung des Klägers im Zeitraum vom 1.6.2014 bis 30.9.2016.
Der verheiratete Kläger war bis 2012 als Rechtsanwalt tätig und bezieht seit 2011 eine Altersrente. Am 10.12.2012 ist das Insolvenzverfahren über sein Vermögen eröffnet worden; Einnahmen aus der Abwicklung der Kanzlei sind nach klägerischen Angaben an den Treuhänder geflossen, während er die "Kosten" getragen habe. Die Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2015 und 2016 weisen Verluste aus. Der beklagte Träger der Grundsicherung bewilligte ua für die Zeit vom 1.6.2014 bis zum 30.9.2016 Grundsicherungsleistungen. Als Bedarfe für Unterkunft berücksichtigte er seit dem Einzug in die aus seiner Sicht von Beginn an nicht kostenangemessene Wohnung nur einen Teil der auf den hälftigen Anteil des Klägers entfallenden Bruttokaltmiete sowie die Hälfte der Heizkostenvorauszahlung. Bedarfe für eine Kranken- und Pflegeversicherung legte er in Höhe des halben Basistarifs in der privaten Krankenversicherung (KV) und sozialen Pflegeversicherung (PV) zugrunde. Der von ihm bewilligte Betrag überstieg in der Zeit vom 1.6.2014 bis 30.6.2015 sowie vom 1.8.2015 bis 31.7.2016 (unter Berücksichtigung der Rente als Einkommen in voller Höhe) die Beiträge zur KV und zur PV nicht, sodass der Beklagte die gesamten bewilligten Leistungen direkt an das Versicherungsunternehmen zahlte. Für Juli 2015 und August 2016 berücksichtigte er zusätzlich einen Teil der Betriebskostennachforderung des Vermieters. In diesen beiden Monaten zahlte der Beklagte Leistungen teilweise an den Kläger aus. Die Klagen zum Sozialgericht (SG) Halle gegen die Bewilligungsentscheidungen für die Zeit vom 1.6.2014 bis zum 30.9.2015 (S 7 SO 21/15) und gegen die Bewilligungsentscheidungen für die Zeit vom 1.10.2015 bis zum 30.9.2016 (S 7 SO 33/16) haben teilweise Erfolg gehabt (Urteile des SG vom 14.11.2018). Die Berufungen des Klägers hat das Landessozialgericht (LSG) Sachsen-Anhalt zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden. Der Beklagte hat die Leistungen für die streitbefangenen Zeiträume neu festgesetzt und dabei niedrigere Leistungen als zuvor bewilligt (Bescheide vom 28.3.2019); dem Widerspruch des Klägers hiergegen hat er in vollem Umfang abgeholfen (Abhilfebescheid vom 6.6.2019). Das LSG hat die Berufungen zurückgewiesen (Beschluss vom 28.4.2020).
Der Kläger beantragt beim Bundessozialgericht (BSG) die Gewährung von Prozesskostenhilfe (PKH) für die Durchführung des Verfahrens der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des LSG und die Beiordnung von Rechtsanwalt M., M.
II
Der Antrag auf Bewilligung von PKH ist nicht begründet. PKH ist nur zu bewilligen, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint (§ 73a Abs 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫ iVm § 114 Zivilprozessordnung ≪ZPO≫); daran fehlt es hier. Hinreichende Aussicht auf Erfolg wäre nur zu bejahen, wenn einer der drei in § 160 Abs 2 SGG abschließend aufgeführten Zulassungsgründe durch einen zugelassenen Prozessbevollmächtigten (§ 73 Abs 4 SGG) mit Erfolg geltend gemacht werden könnte; denn nur diese Gründe können zur Zulassung der Revision führen. Dies ist vorliegend nicht der Fall.
Der Rechtssache kommt nach Aktenlage keine grundsätzliche Bedeutung zu (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG). Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist.
Wegen der Frage, in welcher Höhe bei der Bedarfsberechnung Beiträge an das Versicherungsunternehmen zu berücksichtigen sind (nach den Feststellungen des LSG hier auf Grundlage des Notlagentarifs nach § 153 Abs 2 des Gesetzes über die Beaufsichtigung der Versicherungsunternehmen - Versicherungsaufsichtsgesetz ≪VAG≫), ist nicht erkennbar, dass eine grundsätzliche Bedeutung von einem zugelassenen Rechtsanwalt mit Erfolg geltend gemacht werden könnte. Unabhängig davon, ob insoweit über den Einzelfall hinausgehende Fragen denkbar sind, ist nicht erkennbar, dass solche Rechtsfragen im vorliegenden Rechtsstreit klärungsfähig wären. Der Beklagte hat (wie es der Kläger auch geltend macht) bei der Bedarfsberechnung die Hälfte der Kosten im Basistarif zugrunde gelegt und die Beiträge ausgehend von dieser Höhe (soweit ein Leistungsanspruch überhaupt bestand) an das Versicherungsunternehmen ausgezahlt. Die Entscheidung über die Zahlung der Beiträge ist bindend und kann im Verhältnis zum Versicherungsunternehmen nicht rückgängig gemacht werden. Auch vom Kläger werden entsprechende Beträge nicht zurückgefordert, was der Beklagte durch die Abhilfeentscheidung bezogen auf die Bescheide vom 28.3.2019 deutlich gemacht hat (dazu später). Es ist daher nicht erkennbar, dass der Kläger im Ergebnis des vorliegenden Rechtsstreits wegen der Bedarfe für eine Krankenversicherung eine günstigere Position erlangen kann. Die Auszahlung von Leistungen, die auf aufzuwendende Beiträge entfallen, an ihn selbst kommt ohnehin nicht in Betracht (dazu sogleich).
Die Antwort der vom Kläger als grundsätzlich bedeutsam angesehenen Frage, ob eine Direktzahlung der Beiträge für eine private Kranken- und soziale Pflegeversicherung an das private Versicherungsunternehmen auch für Empfänger für Grundsicherungsleistungen zwingend vorzunehmen ist, ergibt sich seit dem 1.4.2012 (und nicht erst zu einem späteren Zeitpunkt) aus der gesetzlichen Regelung in § 32 Abs 5 Satz 5 SGB XII(hier in der Normfassung des Vierten Gesetzes zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 22.12.2011, BGBl I 3057) in Verbindung mit § 42 Nr 2 SGB XII(vgl bereits den Beschluss des Senats vom 7.3.2019 - B 8 SO 23/18 BH - zu vorangehenden Leistungszeiträumen des Klägers) . § 43a Abs 3 SGB XII(eingefügt mit Art 3a Nr 9 des Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen sowie zur Änderung des Zweiten und des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 22.12.2016 ≪BGBl I 3159≫ mit Wirkung vom 1.7.2017) bewirkt entgegen der Auffassung des Klägers nur eine Zusammenfassung sämtlicher Verfahrensregelungen für die Direktzahlung von Leistungen der Grundsicherung, schafft dagegen schon nach seinem Wortlaut keine neuen, erst ab diesem Zeitpunkt zu berücksichtigende Tatbestände (vgl auch BR-Drucks 541/16, 94).
Es ist auch nicht erkennbar, dass sich wegen der vom Kläger begehrten Berücksichtigung weiterer Bedarfe für vom Vermieter geforderte Betriebskostennachforderungen Fragen grundsätzlicher Bedeutung stellen. In der Rechtsprechung des BSG ist - wovon auch der Kläger ausgeht - bereits geklärt, dass Betriebskostennachforderungen im Monat ihrer Fälligkeit zum Bedarf wegen Unterkunft und Heizung zählen, es wegen ihrer Angemessenheit aber auf die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der tatsächlichen Verursachung der Kosten ankommt (BSG vom 6.4.2011 - B 4 AS 12/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 45; zu Betriebskostennachforderungen nach dem SGB XII vgl auch BSG vom 10.11.2011 - B 8 SO 18/10 R - SozR 4-3500 § 44 Nr 2). Ebenso ist geklärt, dass insoweit nicht der Ausspruch einer Kostensenkungsaufforderung entscheidend ist, sondern erst die Umsetzung einer Kostensenkung Auswirkungen auf die Angemessenheit auch der Kosten für eine Nachforderung hat (BSG vom 6.4.2011 - B 4 AS 12/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 45 RdNr 18). Beruht die Nachforderung von Betriebskosten also auf Verbrauchszeiträumen, in denen bereits nur abgesenkte Leistungen gezahlt werden, wird nach dieser Rechtsprechung auch die Betriebskostennachforderung von der Absenkung erfasst. Nach den Feststellungen des LSG liegt aber ein solcher Fall vor: Der Beklagte, der zugleich Optionskommune nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) ist, hat dem Kläger und seiner Ehefrau, die Leistungen nach dem SGB II bezieht, schon im Februar 2014 mitgeteilt, dass durch den Umzug in die jetzige Wohnung unangemessene Kosten für die Unterkunft (bruttokalt) entstehen, und den aus seiner Sicht unangemessenen Teil der Bruttokaltmiete seit dem Einzug nicht übernommen (vgl § 35 Abs 2 Satz 4 SGB XII). Auf eine (nochmalige) Kostensenkungsaufforderung wegen der 2015 und 2016 fällig gewordenen Nachzahlungen von (kalten) Betriebskosten, die seit dem Einzug angefallen sind, kommt es dann nicht an.
Schließlich ist auch wegen der Frage der Berücksichtigung von Einkommen die grundsätzliche Bedeutung von Rechtsfragen nicht erkennbar. Da keine Einkünfte aus der selbständigen Tätigkeit bedarfsmindernd berücksichtigt worden sind, kommt es auf die (vom LSG diskutierte) Frage nicht an, ob solche Einkünfte, die im laufenden Insolvenzverfahren dem Treuhänder zugeflossen sind, zu den "bereiten Mitteln" des Klägers gehört haben. Im Übrigen ergibt sich bereits aus § 10 Satz 1 der Verordnung (VO) zur Durchführung des § 82 SGB XII, dass ein Verlustausgleich zwischen einzelnen Einkunftsarten nicht vorzunehmen ist. Dies gilt auch für die Absetzung von Aufwendungen für eine selbständige Tätigkeit von den Einkünften aus der Altersrente. Bereits in § 82 Abs 2 Satz 1 Nr 4 SGB XII(in der Fassung des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch vom 27.12.2003 BGBl I 3022) sieht das Gesetz eine auf die einzelne Einkunftsart beschränkte Berücksichtigung von Aufwendungen vor; entsprechendes gilt für den Freibetrag nach § 82 Abs 3 Satz 1 SGB XII(hier in der Fassung, die die Norm mit dem Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24.3.2011 ≪BGBl I 453≫ erhalten hat) , der sich auf das durch Erwerbstätigkeit erzielte Einkommen beschränkt und die Altersrente des Klägers damit nicht erfasst (vgl bereits BSG vom 27.2.2018 - B 8 SO 53/17 BH). Soweit nach § 10 Satz 2 VO zur Durchführung des § 82 SGB XII in Härtefällen die gesamtwirtschaftliche Lage des Beziehers des Einkommens berücksichtigt werden kann, ist nicht erkennbar, dass sich wegen der Voraussetzungen einer solchen Härte Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung stellen könnten. Soweit der Kläger meint, das LSG habe im vorliegenden Einzelfall das Vorliegen einer Härte unzutreffend verneint, zweifelt er lediglich die Richtigkeit der Entscheidung an; dies kann die Revision jedoch nicht eröffnen.
Es ist auch nicht erkennbar, dass ein zugelassener Rechtsanwalt mit Erfolg einen Verfahrensmangel (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) geltend machen könnte. Insbesondere ist nicht zu beanstanden, dass das LSG durch Beschluss ohne Beteiligung der ehrenamtlichen Richter über die (zuvor verbundenen) Berufungen entschieden hat. Nach § 153 Abs 4 Satz 1 SGG kann das LSG, außer in den Fällen, in denen das SG durch Gerichtsbescheid (§ 105 Abs 2 Satz 1 SGG) entschieden hat, die Berufung durch Beschluss zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. An diesen Voraussetzungen fehlt es zwar, wenn während des Berufungsverfahrens ein Verwaltungsakt erlassen wird, der den mit dem Rechtsmittel bereits angefochtenen Verwaltungsakt abändert oder ersetzt iS von § 96 Abs 1 iVm § 153 Abs 1 SGG, und das Berufungsgericht daher erstinstanzlich auf Klage und nicht zweitinstanzlich auf Berufung zu befinden hat (stRspr; vgl zuletzt nur BSG vom 8.10.2019 - B 12 KR 8/19 R - BSGE 129, 186 = SozR 4-1500 § 153 Nr 18, RdNr 13 ff mwN). Ein solcher Fall liegt aber - anders als der Kläger meint - nicht vor. Der Beklagte hat die Bescheide vom 28.3.2019, mit denen er die Leistungen ua für die streitbefangenen Zeiträume neu berechnet hat und die zunächst nach § 96 Abs 1 SGG iVm § 153 Abs 1 SGG Gegenstand des Verfahrens geworden waren, wieder aufgehoben, sodass hierüber vom LSG nicht mehr zu entscheiden war. Die Entscheidung über die Abhilfe (vgl § 85 Abs 1 SGG) hat der Beklagte hier zwar nicht weiter spezifiziert, sondern lediglich unter Ziffer 1 des Bescheids vom 6.6.2019 entschieden, dem Widerspruch werde abgeholfen. Der Begründung lässt sich aber unzweifelhaft entnehmen, dass der Beklagte den (weiteren) Verpflichtungen, die sich aus den sozialgerichtlichen Urteilen ergeben, nachkommt und deshalb die dem entgegenstehenden Bescheide vom 28.3.2019 wieder aufhebt. Die mit § 96 Abs 1 SGG unabhängig vom Willen der Beteiligten kraft Gesetzes eintretende Klageänderung hindert die Beteiligten auch nicht, über den Verfahrensgegenstand im Rahmen ihrer allgemeinen Dispositionsbefugnis zu verfügen (vgl nur BSG vom 17.11.2005 - B 11a/11 AL 57/04 R - SozR 4-1500 § 96 Nr 4 RdNr 22 mwN), sodass es dem Beklagten in der Sache freistand, die Bescheide mit ausschließlich belastender Wirkung für den Kläger wieder aufzuheben.
Das kann auch - wie hier - außerhalb des Gerichtsverfahrens durch einen weiteren Verwaltungsakt geschehen. Dieser Bescheid wird seinerseits nicht Gegenstand des Verfahrens, weil er die ursprünglich streitbefangenen Bescheide weder abändert noch ersetzt. Da das LSG nach Erlass des Bescheids vom 6.6.2019 (erneut) zur beabsichtigten Entscheidung durch Beschluss angehört hat (vgl § 153 Abs 4 Satz 2 SGG), ist auch von daher ein Verfahrensverstoß nicht erkennbar.
Mit der Ablehnung der PKH entfällt auch die Beiordnung eines Rechtsanwalts (§ 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 121 ZPO).
Fundstellen
Dokument-Index HI14366210 |