Verfahrensgang
LSG Baden-Württemberg (Urteil vom 31.08.2016; Aktenzeichen L 5 KR 3966/14) |
SG Ulm (Aktenzeichen S 5 KR 1119/13) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 31. August 2016 wird als unzulässig verworfen.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Die bei der beklagten Krankenkasse (KK) versicherte, 1975 geborene, nicht an Krankheitssymptomen leidende Klägerin hat eine genetische Abweichung mit dem hohen Risiko eines Aborts und in seltenen Fällen auch der Geburt eines Kindes mit geistiger oder körperlicher Retardierung (reziproke Translokation des zytogenetisch balancierten Chromosomensatzes zwischen dem langen Arm eines Chromosoms 10 und dem kurzen Arm eines Chromosoms 18). Deshalb beantragte sie bei der Beklagten, anlässlich intrazytoplasmatischer Spermieninjektionen (ICSI) (auch) die Kosten einer Präimplantationsdiagnostik (PID) einschließlich der Kryokonservierung von Eizellen zu übernehmen. Die Beklagte lehnte dies ab. Die Klägerin ließ auf eigene Kosten (9292,23 Euro) die PID und Kryokonservierung bei drei ICSI-Behandlungszyklen im März und im November 2012 sowie im April 2013 vornehmen. Sie ist mit ihrem Erstattungsbegehren in den Vorinstanzen erfolglos geblieben. Das LSG hat zur Begründung ua ausgeführt, die von der Klägerin mit der PID nebst Kryokonservierung angestrebte Ausschließung befruchteter Eizellen von der Fortpflanzung sei keine Maßnahme der künstlichen Befruchtung. Das bloße Risiko einer Erkrankung - hier: spontaner Abort - begründe keinen Anspruch auf Krankenbehandlung (Urteil vom 31.8.2016).
Die Klägerin wendet sich mit ihrer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im LSG-Urteil.
II
Die Beschwerde ist unzulässig und daher gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 S 3 SGG zu verwerfen. Die Begründung entspricht nicht den aus § 160a Abs 2 S 3 SGG abzuleitenden Anforderungen an die Darlegung des ausdrücklich geltend gemachten Zulassungsgrundes der Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) und des sinngemäß geltend gemachten Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG).
1. Wer sich - wie hier die Klägerin - auf den Zulassungsgrund der Divergenz beruft, muss entscheidungstragende abstrakte Rechtssätze im Urteil des Berufungsgerichts einerseits und in einer Entscheidung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG andererseits gegenüberstellen und Ausführungen dazu machen, weshalb beide miteinander unvereinbar sein sollen. Eine Abweichung liegt nicht schon dann vor, wenn das LSG einen Rechtssatz nicht beachtet oder unrichtig angewandt hat, sondern erst dann, wenn es diesem Rechtssatz widersprochen, also einen anderen Rechtssatz aufgestellt und angewandt hat; nicht die Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen begründet die Zulassung der Revision wegen Divergenz (stRspr, vgl zum Ganzen zB BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 21, 29 und 67; BSG Beschluss vom 7.10.2009 - B 1 KR 15/09 B - Juris RdNr 8 mwN). Darüber hinaus verlangt der Zulassungsgrund der Divergenz, dass die angefochtene Entscheidung des LSG auf der Abweichung beruht (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG). Hierzu muss der Beschwerdeführer aufzeigen, dass auch das Revisionsgericht die oberstgerichtliche Rechtsprechung in einem künftigen Revisionsverfahren seiner Entscheidung zu Grunde zu legen haben wird (vgl zB BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 72 f; BSG Beschluss vom 5.10.2010 - B 8 SO 61/10 B - Juris RdNr 11 mwN). Es genügt nicht, wenn die Begründung des LSG zwar abweicht, das sachliche Ergebnis des Revisionsverfahrens jedoch dasselbe bleibt (vgl Zeihe/Hauck, SGG, Stand August 2016, § 160 RdNr 16). Hierzu muss der Beschwerdeführer bei naheliegender rechtlicher Gestaltung schlüssig darlegen, dass das Revisionsgericht die Entscheidung des LSG nicht mit einer anderen als der vom LSG angeführten rechtlichen Begründung bestätigen kann, die Divergenzfrage mithin auch für das BSG objektiv entscheidungserheblich ist. Für die Divergenzrüge gilt insoweit Gleiches wie für die Grundsatzrüge, deren Unterfall sie ist (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 54 LS und S 71; BSG Beschluss vom 4.7.2011 - B 14 AS 20/11 B - Juris RdNr 5; Becker, SGb 2007, 261, 264, 270; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 160 RdNr 15, lediglich terminologisch abweichend). Kann das Revisionsgericht die divergenten Rechtssätze bei seiner Entscheidung unberücksichtigt lassen, weil sich die angegriffene Entscheidung aus anderen als vom LSG angeführten Gründen als richtig erweist, ist der vom LSG aufgestellte abweichende Rechtssatz nicht entscheidungserheblich (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 54 S 71; BSG Beschluss vom 4.7.2011 - B 14 AS 20/11 B - Juris RdNr 5; Becker, SGb 2007, 261, 264, 270; Zeihe/Hauck, SGG, Stand August 2016, § 160 RdNr 16; Kummer, Die Nichtzulassungsbeschwerde, 2. Aufl 2010, RdNr 395; im Ergebnis ebenso Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 160 RdNr 15a). Naheliegende Ausführungen dazu fehlen in der Beschwerdebegründung.
Die Klägerin benennt zwar zwei Rechtssätze des BSG (BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 18 RdNr 16), denen sie einen - von ihr formulierten - Rechtssatz des LSG gegenüberstellt. Die Klägerin legt aber nicht dar, wieso das BSG eine Entscheidung im Revisionsverfahren nicht auf das bereits vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung angesprochene Fehlen der erforderlichen Rechtsverordnung stützen könnte, ohne auf divergierende Rechtssätze einzugehen. Die Klägerin befasst sich nicht mit dem Urteil des erkennenden Senats (BSGE 117, 212 = BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 26), wonach erst die Verordnung zur Regelung der Präimplantationsdiagnostik (≪Präimplantationsdiagnostikverordnung - PIDV≫ vom 21.2.2013, BGBl I 2013, 323) den rechtlichen Vollzug der in § 3a Abs 3 S 1 Nr 2 und 3 ESchG aufgestellten Anforderungen ermöglicht. Die gesetzliche Regelung untersagt auch den KKn ausnahmslos, vor dem 1.2.2014 ihren Versicherten PID-Leistungen zu verschaffen (vgl BSGE 117, 212 = BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 26, RdNr 10 ff und 22 mit Blick auf § 3a Abs 3 ESchG und § 10 PIDV). Die Klägerin trägt auch nichts dafür vor, dass die Kryokonservierung mehr als nur Annexleistung zur PID ist, die als von der PID unabhängiger Leistungsgegenstand selbst eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung aufwerfen könnte.
2. Die Klägerin legt die für eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache notwendigen Voraussetzungen nicht in der gesetzlich gebotenen Weise dar. Wer sich auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache beruft, muss eine Rechtsfrage klar formulieren und ausführen, inwieweit diese Frage im angestrebten Revisionsverfahren entscheidungserheblich sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl zB BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 21 S 38; BSG SozR 3-4100 § 111 Nr 1 S 2 f; BSG SozR 3-2500 § 240 Nr 33 S 151 f mwN). Die Klägerin richtet ihr Vorbringen hieran nicht aus.
Der Beschwerdebegründung kann zwar sinngemäß die Rechtsfrage entnommen werden, ob eine dem Embryo nachteilige genetische Abweichung eines Elternteils, die nur im Falle der Schwangerschaft auch zu einer behandlungsbedürftigen Krankheit der Schwangeren führen kann, einen präventiven Krankenbehandlungsanspruch mittels PID und Kryokonservierung zu begründen vermag, um diese Krankheit zu vermeiden. Die Entscheidungserheblichkeit der Rechtsfrage legt die Klägerin aber im Hinblick auf § 3a Abs 3 ESchG und § 10 PIDV nicht dar (vgl oben, II.1.).
3. Der Senat sieht von einer weiteren Begründung ab (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).
4. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI10448767 |