Verfahrensgang
LSG Niedersachsen-Bremen (Urteil vom 14.12.2017; Aktenzeichen L 10 VE 58/13) |
SG Hildesheim (Entscheidung vom 11.11.2013; Aktenzeichen S 7 VE 23/11) |
Tenor
Der Antrag der Klägerin, ihr für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 14. Dezember 2017 Prozesskostenhilfe zu bewilligen und Rechtsanwalt H. aus S. beizuordnen, wird abgelehnt.
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im vorgenannten Urteil wird als unzulässig verworfen.
Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gründe
I
Das LSG hat mit Urteil vom 14.12.2017 einen Anspruch der aufgrund ihrer psychischen Erkrankung mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 80 schwerbehinderten Klägerin auf eine Beschädigtenrente nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG) wegen der Folgen sexuellen Missbrauchs in der Zeit vom 4. bis zum 16. Lebensjahr nach einem Grad der Schädigungsfolgen (GdS) von 80 ab dem 1.11.2009 verneint. Nach dem Ergebnis der Ermittlungen sei das Vorliegen eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs iS des § 1 Abs 1 S 1 OEG weder nachgewiesen noch iS des § 15 S 1 des Gesetzes über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung (KOVVfG) überwiegend wahrscheinlich.
Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat die Klägerin Beschwerde beim BSG eingelegt und Prozesskostenhilfe (PKH) für die Durchführung des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens unter Beiordnung ihres Prozessbevollmächtigten beantragt. Sie macht als Zulassungsgründe die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache und Divergenz geltend.
II
1. Der PKH-Antrag der Klägerin ist abzulehnen. Nach § 73a Abs 1 S 1 SGG iVm § 114 Abs 1 S 1 ZPO kann einem Beteiligten, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, für das Verfahren vor dem BSG PKH bewilligt werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Hinreichende Erfolgsaussicht liegt hier nicht vor (dazu unter 2.). Damit entfällt zugleich die Beiordnung eines Rechtsanwalts im Rahmen der PKH (§ 73a Abs 1 S 1 SGG iVm § 121 Abs 1 ZPO).
2. Die Beschwerde der Klägerin ist unzulässig. Ihre Begründung vom 26.1. und 1.3.2018 genügt nicht der gesetzlich vorgeschriebenen Form, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) und der Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) nicht in der hierfür erforderlichen Weise dargetan worden sind (vgl § 160a Abs 2 S 3 SGG).
a. Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung iS von § 160 Abs 2 Nr 1 SGG, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung angeben, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Ein Beschwerdeführer muss daher, um seiner Darlegungspflicht zu genügen, eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) darlegen (zum Ganzen vgl Senatsbeschluss vom 30.11.2017 - B 9 V 35/17 B - Juris RdNr 4; BSG Beschluss vom 2.5.2017 - B 5 R 401/16 B - Juris RdNr 6 mwN). Diesen Anforderungen wird die vorliegende Beschwerdebegründung nicht gerecht.
Die Klägerin hat bereits keine Rechtsfrage iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG bezeichnet. Denn eine abstrakt-generelle Rechtsfrage zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit einer konkreten revisiblen Norm des Bundesrechts (vgl § 162 SGG) mit höherrangigem Recht (s hierzu BSG Beschluss vom 16.1.2018 - B 14 AS 234/17 B - Juris RdNr 3; BSG Beschluss vom 11.1.2017 - B 12 R 25/16 B - Juris RdNr 10; BSG Beschluss vom 10.9.2014 - B 10 ÜG 3/14 B - Juris RdNr 11) wird in der Beschwerdebegründung nicht formuliert. Soweit dort ausgeführt wird, die Entscheidung des LSG "beruht insbesondere auf der Rechtsfrage, ob im vorliegenden Fall eine Posttraumatische Belastungsstörung anzunehmen ist", bleibt diese Fragestellung ganz dem vom LSG entschiedenen Einzelfall der Klägerin verhaftet. Die Formulierung einer abstrakten, aus sich heraus verständlichen Rechtsfrage ist jedoch unverzichtbar, damit das BSG als Beschwerdegericht an ihr die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge prüfen kann (stRspr, zB BSG Beschluss vom 9.1.2017 - B 12 KR 35/16 B - Juris RdNr 9). Keinesfalls gehört es zu den Aufgaben des BSG, den Vortrag daraufhin zu untersuchen, ob sich aus ihm eventuell eine entsprechende Rechtsfrage herausfiltern ließe (stRspr, zB BSG Beschluss vom 10.9.2014 - B 10 ÜG 3/14 B - Juris RdNr 11; BSG Beschluss vom 6.4.2010 - B 5 R 8/10 B - Juris RdNr 10). Darüber hinaus lässt die Beschwerdebegründung bezogen auf die aufgeworfene Fragestellung sowohl Ausführungen zur Klärungsbedürftigkeit der ihr zugrunde liegenden und hier entscheidungserheblichen Rechtslage als auch zur Klärungsfähigkeit aufgrund des vom LSG festgestellten Sachverhalts vermissen. Allein die Behauptung der Klägerin, das Berufungsgericht habe zu Unrecht bei ihr die Voraussetzungen einer Posttraumatischen Belastungsstörung als nicht gegeben erachtet, reicht hierfür nicht. Sofern die Klägerin behauptet, das LSG habe "hinsichtlich dieser Frage" den Sachverhalt nicht hinreichend gewürdigt, handelt es sich im Kern um eine im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren unbeachtliche Frage der richterlichen Beweiswürdigung (vgl § 160 Abs 1 Nr 3 Halbs 2 SGG).
b. Divergenz iS des § 160 Abs 2 Nr 2 SGG liegt vor, wenn die tragenden abstrakten Rechtssätze, die in zwei Entscheidungen zugrunde gelegt worden sind, nicht übereinstimmen. Sie kommt nur dann in Betracht, wenn das LSG einen tragenden abstrakten Rechtssatz in Abweichung von einem vorhandenen abstrakten Rechtssatz des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts aufgestellt hat. Darüber hinaus verlangt der Zulassungsgrund der Divergenz, dass das angefochtene Urteil auf der Abweichung beruht.
Bezogen auf die Darlegungspflicht bedeutet dies: Die Beschwerdebegründung muss erkennen lassen, welcher abstrakte Rechtssatz in der in Bezug genommenen höchstrichterlichen Entscheidung enthalten ist und welcher im Urteil des LSG enthaltene Rechtssatz dazu im Widerspruch steht. Ferner muss aufgezeigt werden, dass auch das Revisionsgericht die höchstrichterliche Rechtsprechung in einem künftigen Revisionsverfahren seiner Entscheidung zugrunde zu legen haben wird (stRspr, zB BSG Beschluss vom 13.12.2017 - B 5 R 256/17 B - Juris RdNr 6; BSG Beschluss vom 31.7.2017 - B 13 R 140/17 B - Juris RdNr 12 f). Auch diese Anforderungen erfüllt die Beschwerdebegründung nicht.
Die Klägerin zitiert zwar das Urteil des BSG vom 9.5.2006 (B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr 17). Es gelingt ihr jedoch nicht, einem Rechtssatz aus dieser BSG-Entscheidung einen divergierenden abstrakten Rechtssatz des LSG aus dem angefochtenen Urteil gegenüberzustellen. Sie trägt vielmehr nur vor, dass nach ihrer Auffassung die Voraussetzungen für eine Posttraumatische Belastungsstörung vorlägen. Ihr Vorbringen geht daher über eine im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren unbeachtliche Subsumtionsrüge nicht hinaus. Zudem setzt die Bezeichnung einer Abweichung iS des § 160 Abs 2 Nr 2 SGG die Darlegung voraus, dass das Berufungsgericht die höchstrichterliche Rechtsprechung in dem angefochtenen Urteil infrage stellt. Dies ist aber selbst dann nicht der Fall, wenn es eine höchstrichterliche Entscheidung in ihrer Tragweite für den entschiedenen Fall lediglich verkannt haben sollte (stRspr, zB Senatsbeschluss vom 7.10.2016 - B 9 V 28/16 B - Juris RdNr 26; BSG Beschluss vom 9.5.2017 - B 13 R 240/16 B - Juris RdNr 20 mwN). Allein die Behauptung der Klägerin, dass durch das LSG eine "ungenügende Würdigung" des oben genannten BSG-Urteils stattgefunden habe, reicht zur Bezeichnung einer Divergenz nicht.
c. Schließlich war der Senat nicht verpflichtet, den Prozessbevollmächtigten der Klägerin entsprechend seiner Bitte im Schriftsatz vom 26.1.2018 um einen rechtlichen Hinweis, falls "weitere Ausführungen als nötig erachtet" würden, vorab auf die Unzulänglichkeit des Beschwerdevortrags aufmerksam zu machen. Das Gesetz unterstellt, dass ein Rechtsanwalt in der Lage ist, die Formerfordernisse einzuhalten; gerade dies ist ein Grund für den Vertretungszwang vor dem BSG gemäß § 73 Abs 4 SGG. § 106 Abs 1 SGG gilt insoweit nicht. Ein Rechtsanwalt muss in der Lage sein, ohne Hilfe durch das Gericht eine Nichtzulassungsbeschwerde ordnungsgemäß zu begründen (stRspr, zB BSG Beschluss vom 21.7.2010 - B 7 AL 60/10 B - Juris RdNr 7).
d. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).
3. Die Verwerfung der danach nicht formgerecht begründeten und somit unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 S 2 und 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI11669405 |