Entscheidungsstichwort (Thema)
Erstattung von Arbeitgeberaufwendungen für Entgeltfortzahlung. Erstattungssatz. Satzungsregelung. Wahrung des gesetzlichen Mindesterstattungssatzes nach § 9 Abs 2 Nr 1 AufAG
Leitsatz (amtlich)
Eine Krankenkasse darf in ihrer Satzung die Höhe des Ausgleichs der Arbeitgeberaufwendungen für Entgeltfortzahlung bei Arbeitsunfähigkeit mit einem Prozentsatz des fortgezahlten Entgelts festsetzen, ohne zusätzlich den Arbeitgeberanteil am Gesamtsozialversicherungsbeitrag abzugelten, soweit sie dabei den gesetzlichen Mindesterstattungssatz nicht unterschreitet.
Normenkette
GKV-WSG Art. 41; AufAG § 1 Abs. 1, § 7 Abs. 2, § 9 Abs. 2 Nr. 1 Fassung: 2007-03-26; SGB 5 § 194; GG Art. 20 Abs. 3
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 11. August 2010 wird zurückgewiesen.
Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Höhe des Ausgleichs der Arbeitgeberaufwendungen für Entgeltfortzahlung bei Arbeitsunfähigkeit (AU).
Die beklagte AOK erstattet ausgleichsberechtigten Arbeitgebern für Aufwendungen bei AU nach ihrer Satzung je nach Umlagesatz nur Teile des gezahlten Arbeitsentgelts: Wählt ein ausgleichsberechtigter Arbeitgeber den allgemeinen Umlagesatz, so erhält er 60 vH des an seine Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen fortgezahlten Arbeitsentgeltes (§ 38 Abs 2 Nr 1 iVm § 39 Abs 1 Satzung der Beklagten in der ab 1.1.2009 geltenden Fassung). Wählt ein Arbeitgeber dagegen den ermäßigten Umlagesatz (§ 38 Abs 2 Nr 2 Satzung), erstattet die Beklagte 45 vH der genannten Aufwendungen bei AU. Mit den genannten Erstattungssätzen sind auch die auf die erstattungsfähigen Aufwendungen entfallenden Arbeitgeberanteile der Beiträge zur gesetzlichen Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie zur Arbeitslosenversicherung abgegolten (§ 39 Abs 3 Satzung). Der Kläger, selbstständiger Rechtsanwalt mit nicht mehr als 30 Arbeitnehmern, wählte den allgemeinen Umlagesatz. Er zahlte seiner bei der Beklagten versicherten Sekretärin wegen AU in der Zeit vom 19.1. bis 23.1.2009 das Entgelt fort (Bruttoarbeitsentgelt 372,14 Euro zuzüglich Arbeitgeberanteil am Gesamtsozialversicherungsbeitrag 70,08 Euro). Die Beklagte erstattete ihm 60 vH des fortgezahlten Bruttoarbeitsentgelts (223,27 Euro), nicht aber zusätzlich den entsprechenden Anteil am Gesamtsozialversicherungsbeitrag in Höhe von 42,05 Euro (Bescheid vom 16.2.2009, Widerspruchsbescheid vom 23.4.2009). Klage und zugelassene Berufung waren erfolglos. Das LSG hat ua ausgeführt, die Satzung der Beklagten habe die Erstattungshöhe im Rahmen des Gesetzes über den Ausgleich der Arbeitgeberaufwendungen für Entgeltfortzahlung - Aufwendungsausgleichsgesetz (AAG) begrenzt. Soweit der Kläger betroffen sei, habe sie den Mindesterstattungssatz von insgesamt 40 vH nicht unterschritten. Der effektive Erstattungssatz liege im Falle des Klägers bei 50,5 vH. Eine mögliche Unterschreitung des Mindesterstattungssatzes bei Wahl des ermäßigten Umlagesatzes betreffe den Kläger nicht (Urteil vom 11.8.2010).
Mit der Revision rügt der Kläger eine Verletzung von § 9 AAG und des rechtsstaatlichen Grundsatzes der Normenklarheit. Er habe Anspruch auf Erstattung von 60 vH des gesamten fortgezahlten Arbeitsentgelts einschließlich des von ihm getragenen Arbeitgeberanteils am Gesamtsozialversicherungsbeitrag. Die Ermächtigung des § 9 AAG decke nicht die Satzungsregelung, welche die Arbeitgeberanteile für die Erstattung nicht berücksichtige. Der tatsächliche Erstattungssatz unterschreite bei einer Gesamtbetrachtung jenen, den die Satzung benenne. Bei ermäßigtem Umlagesatz errechne sich für Arbeitgeber sogar ein Erstattungsbetrag, der unter dem gesetzlichen Mindestsatz von 40 vH liege. Das Gesetz lasse keine geltungserhaltende Reduktion der unzulässigen Gesamtregelung zu. Die Bestimmung des § 39 Satzung sei weder klar noch verständlich, weil sich ihr nicht entnehmen lasse, in welchen Fällen sie wirksam sei.
Der Kläger beantragt,
die Urteile des Sächsischen Landessozialgerichts vom 11. August 2010 und des Sozialgerichts Dresden vom 22. Dezember 2009 aufzuheben sowie den Bescheid der Beklagten vom 16. Februar 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. April 2009 zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger weitere 42,05 Euro zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision des klagenden ausgleichsberechtigten Arbeitgebers ist unbegründet (§ 170 Abs 1 Satz 1 SGG). Zu Recht haben die Vorinstanzen die Klage abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch gegen die beklagte Krankenkasse (KK) auf zusätzliche Erstattung weiterer 42,05 Euro entsprechend 60 vH der von ihm getragenen Arbeitgeberbeiträge. Ein solcher Anspruch besteht weder kraft Satzung (dazu 1.) noch folgt er aus einer Nichtigkeit des § 39 Abs 3 Satzung, soweit ein Arbeitgeber - wie hier der Kläger - den regulären Erstattungssatz von 60 vH gewählt hat (dazu 2.).
1. Als Rechtsgrundlage des geltend gemachten Zahlungsanspruchs auf Erstattung getätigter Aufwendungen kommt § 39 Satzung (idF ab 1.1.2009) iVm § 1 Abs 1 und § 9 Abs 2 Gesetz über den Ausgleich der Arbeitgeberaufwendungen für Entgeltfortzahlung - Aufwendungsausgleichsgesetz (≪AAG; juris-Abkürzung AufAG≫ idF des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes ≪GKV-WSG≫ vom 26.3.2007, BGBl I 378) nicht in Betracht. Nach § 1 Abs 1 AAG erstatten die KKn mit Ausnahme der landwirtschaftlichen KKn den Arbeitgebern, die in der Regel ausschließlich der zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten nicht mehr als 30 Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen beschäftigen, auf deren Antrag (§ 2 Abs 2 Satz 1 AAG) 80 Prozent 1. des für den in § 3 Abs 1 und 2 und den in § 9 Abs 1 Entgeltfortzahlungsgesetz bezeichneten Zeitraum an Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen fortgezahlten Arbeitsentgelts, 2. der auf die Arbeitsentgelte nach der Nummer 1 entfallenden von den Arbeitgebern zu tragenden Beiträge zur Bundesagentur für Arbeit und der Arbeitgeberanteile an Beiträgen zur gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung, zur sozialen Pflegeversicherung und nach § 172 Abs 2 SGB VI sowie der Beitragszuschüsse nach § 257 SGB V und nach § 61 SGB XI (sog U1-Verfahren, vgl § 1 Abs 3 AAG).
Die KK-Satzung gestaltet die Einzelheiten des Aufwendungsausgleichs in Teilen zwingend näher aus (§ 9 Abs 1 AAG). Zudem kann die Satzung ua die Höhe der Erstattung nach § 1 Abs 1 AAG beschränken und verschiedene Erstattungssätze, die 40 vH nicht unterschreiten, vorsehen (§ 9 Abs 2 Nr 1 AAG). Die Satzung der Beklagten beschränkt im Sinne dieser gesetzlichen Grundkonzeption die Höhe der Erstattung nach § 1 Abs 1 AAG und sieht zwei verschiedene Erstattungssätze vor. Der Kläger kann aus dieser Ausgestaltung der Satzung indes nichts für sich herleiten. Denn § 39 Abs 3 Satzung schließt es aus, für den Ausgleich der Arbeitgeberaufwendungen die prozentualen Erstattungssätze der Satzung auch auf die Arbeitgeberanteile des Gesamtsozialversicherungsbeitrags zu erstrecken. Nach dieser Regelung ist mit den in § 39 Abs 1 und 2 Satzung genannten Erstattungssätzen der Arbeitgeberanteil an den Beiträgen zur Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie zur Arbeitslosenversicherung gerade mit abgegolten.
2. Ein Anspruch auf Zahlung weiterer 42,05 Euro ergibt sich auch nicht aus einer Nichtigkeit der Regelung des § 39 Abs 3 Satzung. Weder würde die Unwirksamkeit dieser Satzungsbestimmung zur vom Kläger gewünschten Rechtsfolge führen (dazu a) noch vermag sich der erkennende Senat von der Nichtigkeit des § 39 Abs 3 Satzung zu überzeugen, soweit ein ausgleichsberechtigter Arbeitgeber den allgemeinen Umlagesatz gewählt hat (dazu b).
a) Zu der vom Kläger begehrten Rechtsfolge könnte es bei fehlender Geltung der Satzungsbestimmung nur kommen, wenn an die Stelle der Satzungsregelung eine andere Rechtsnorm mit der vom Kläger begehrten Rechtsfolge träte. So liegt es insbesondere, wenn die (Teil-)Nichtigkeit einer Satzung zur Geltung der im Gesetz bestimmten, ggf satzungsgleichen Regelung führt (vgl hierzu BSG Urteil vom selben Tage - B 1 KR 7/11 R - unter II. 3.; ferner BSG SozR 4-5868 § 1 Nr 4 RdNr 14; BSGE 75, 241, 258 = SozR 3-5850 § 1 Nr 1 S 19 ff). Um einen solchen Fall geht es vorliegend indes nicht.
Eine Nichtigkeit der Regelung des § 39 Abs 3 Satzung ist lediglich mit Blick auf den gesetzlich gebotenen Mindesterstattungssatz und die insoweit fehlende Normenklarheit denkbar. Beide Nichtigkeitsgründe bewirken aber nicht, dass eine Rechtsnorm mit der vom Kläger begehrten Rechtsfolge an die Stelle der Regelung des § 39 Abs 3 Satzung tritt. Weitere, insbesondere formelle Nichtigkeitsgründe scheiden dagegen aus. Die förmlichen Voraussetzungen für den Satzungserlass sind nämlich erfüllt, insbesondere ist die für eine Satzung zur Regelung des Aufwendungsausgleichs erforderliche Genehmigung durch die Aufsichtsbehörde erteilt (§ 10 AAG iVm § 195 Abs 1 SGB V; vgl BSGE 97, 16 = SozR 4-7862 § 9 Nr 1, RdNr 12).
Bei einem Verstoß der Regelung des § 39 Abs 3 Satzung (Abgeltung des Arbeitgeberanteils an den Beiträgen zur Sozialversicherung sowie zur Arbeitslosenversicherung durch die anteilige Erstattung des fortgezahlten Arbeitsentgeltes) gegen den Mindesterstattungssatz könnte allein die Regelung des § 9 Abs 2 Nr 1 AAG (Satzungsermächtigung zur Beschränkung der Höhe der Erstattung) - nicht dagegen die weitergehende Regelung des § 1 Abs 1 Nr 2 AAG (Erstattung von 80 vH des Arbeitgeberanteils an den Beiträgen) - als die Satzung vertretendes Gesetzesrecht die Regelungslücke schließen, die aufgrund Unwirksamkeit des § 39 Abs 3 Satzung bestünde. In der Sache kann die Satzung nach § 9 Abs 2 Nr 1 AAG - wie dargelegt - die Höhe der (Gesamt-)Erstattung nach § 1 Abs 1 AAG zwar beschränken und verschiedene Erstattungssätze vorsehen, die 40 vH nicht unterschreiten. § 9 Abs 2 Nr 1 AAG setzt indes keine konkreten Vorgaben für Erstattungsregelungen fest, die sich zur begehrten Lückenschließung jenseits der zwingenden Mindesterstattungsgrenze eignen. Vielmehr eröffnet die genannte Norm dem Satzungsgeber - jenseits der zwingenden Mindesterstattungsgrenze und Grundstruktur - gerade ein Gestaltungsermessen.
Auch das Gebot der Normenklarheit eignet sich nicht zur hier interessierenden Lückenfüllung (vgl zum rechtsstaatlichen Gebot der Normenklarheit zB BVerfGE 21, 73, 79; BVerfGE 108, 1, 20; BVerfGE 114, 196, 236 ff = SozR 4-2500 § 266 Nr 9 RdNr 102 ff; BVerfGK 10, 330 = DVBl 2007, 497 ff, RdNr 41; BSG SozR 2200 § 324 Nr 2 S 2 f; BSGE 89, 227, 233 = SozR 3-2500 § 194 Nr 1 S 7; BSGE 99, 95 = SozR 4-2500 § 44 Nr 13, RdNr 30; BSG Urteil vom 8.11.2011 - B 1 A 1/11 R - unter II. 2 d, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen mwN; zur Beachtung des Gebots der Normenklarheit vgl unten, II. 2 b aa). Bei einem Nichtigkeit bewirkenden Verstoß der Regelung des § 39 Abs 3 Satzung gegen das Gebot der Normenklarheit wäre nämlich gerade unklar, welche Regelung gelten soll.
b) Im Übrigen ist nicht die vorliegend einschlägige Erstattungsregelung für den allgemeinen Umlagesatz (vgl dazu aa), sondern lediglich die den Kläger nicht betreffende Satzungsregelung für den Fall des ermäßigten Umlagesatzes (§ 39 Abs 3 Satzung iVm § 39 Abs 2 Satzung) teilnichtig, weil sie die gesetzlich zwingend angeordnete Mindesterstattungsgrenze unterschreitet (dazu bb). Die Teilnichtigkeit erfasst aber nicht die Erstattungsregelung für den allgemeinen Umlagesatz (vgl dazu cc).
Die in der Satzung getroffene Erstattungsregelung für den allgemeinen Umlagesatz steht - für sich genommen - mit höherrangigem Recht in Einklang. Die Satzung der Beklagten regelt den Ausgleich der Arbeitgeberaufwendungen bei AU in zwei getrennten, voneinander unabhängigen, selbstständigen, in sich nicht teilbaren Komplexen: Wählt ein ausgleichsberechtigter Arbeitgeber den allgemeinen Umlagesatz (1,9 vH der Bemessungsgrundlage nach § 7 Abs 2 AAG), so erhält er 60 vH des an seine Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen fortgezahlten Arbeitsentgeltes (§ 38 Abs 2 iVm § 39 Abs 1 Satzung). Wählt ein Arbeitgeber dagegen den ermäßigten Umlagesatz (1,3 vH der Bemessungsgrundlage nach § 7 Abs 2 AAG), ist der Erstattungssatz auf 45 vH des fortgezahlten Arbeitsentgelts beschränkt (§ 38 Abs 2 iVm § 39 Abs 2 Satzung). Mit den genannten Erstattungssätzen sind in beiden Fällen auch die auf die erstattungsfähigen Aufwendungen entfallenden Arbeitgeberanteile der Beiträge zur gesetzlichen Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie zur Arbeitslosenversicherung abgegolten (§ 39 Abs 3 Satzung).
aa) Der erste, hier einschlägige Regelungskomplex bei Wahl des allgemeinen Umlagesatzes verstößt nicht gegen höherrangiges Recht. Eine Unterschreitung des Mindesterstattungssatzes kommt insoweit nicht in Betracht. Der effektive Erstattungssatz liegt im Falle des Klägers bei 50,5 vH. Entgegen der Auffassung des Klägers verstößt die Regelung auch nicht gegen das Gebot der Normenklarheit. Rechtlicher Maßstab hierfür ist eine - erforderlichenfalls im Wege der Auslegung gewinnbare - hinreichende Regelungsklarheit und Erkennbarkeit des Regelungsinhalts für den Adressaten (vgl BVerfGE 108, 1, 20; BVerfGE 114, 196, 236 ff = SozR 4-2500 § 266 Nr 9 RdNr 102 ff mwN; vgl auch BSG Urteil vom 8.11.2011 - B 1 A 1/11 R mwN, zur Veröffentlichung vorgesehen in BSGE und SozR). Die Satzung regelt die Rechtsfolgen im Sinne dieser Anforderungen hinreichend klar: Die Erstattung von 60 vH des fortgezahlten Arbeitsentgelts ohne zusätzliche Abgeltung des Arbeitgeberanteils an den Beiträgen zur Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie zur Arbeitslosenversicherung (§ 39 Abs 3 Satzung). Eine weitere Erstattung findet nicht statt.
bb) Teilnichtig ist die Satzung dagegen, soweit sie aufgrund der Wahl des ermäßigten Umlagesatzes den Erstattungssatz auf 45 vH des fortgezahlten Arbeitsentgelts unter Ausschluss der Arbeitgeberanteile am Gesamtsozialversicherungsbeitrag beschränkt. Der effektive Erstattungssatz unterschreitet in diesem Falle 40 vH der Aufwendungen des Arbeitgebers iS von § 9 Abs 2 Nr 1 AGG. Der dort - wie dargelegt - geregelte Mindesterstattungssatz erstreckt sich zwingend auf sämtliche erstattungsfähigen Aufwendungen nach "§ 1 Abs 1". Er bezieht die Arbeitgeberanteile am Gesamtsozialversicherungsbeitrag nach § 1 Abs 1 Nr 2 AAG mit ein. Diese dem Wortlaut entsprechende Auslegung wird durch Entstehungsgeschichte und Zielsetzung bestätigt.
Die Ermächtigungsnorm des § 9 Abs 2 Nr 1 AAG verbot bis zum Inkrafttreten des GKV-WSG den KKn nicht ausdrücklich, im U1-Verfahren den Erstattungssatz in Höhe von 80 vH gemäß § 1 Abs 1 AAG ohne eine Untergrenze zu beschränken. Dies führte in der Praxis ua dazu, dass KKn Erstattungssätze in Höhe von lediglich 10 vH anboten. Der erkennende Senat hat hierzu entschieden, dass ein genereller Erstattungssatz von 10 vH mit Sinn und Zweck des Ausgleichsverfahrens nicht in Einklang zu bringen ist, es aber die Rechtssicherheit fördern würde, wenn der Gesetzgeber selbst einen Mindesterstattungssatz festlegen würde, der satzungsrechtlich nicht mehr unterschritten werden darf (BSGE 97, 16 = SozR 4-7862 § 9 Nr 1 RdNr 17, 20). Der Gesetzgeber hat diese Rechtsprechung ua zum Anlass genommen, nunmehr den KKn ausdrücklich die Möglichkeit einzuräumen, entsprechend den praktischen Bedürfnissen verschiedene Erstattungssätze vorzusehen, gleichzeitig jedoch durch eine Untergrenze von 40 vH für einen gerechten Ausgleich der unterschiedlichen Anliegen zu sorgen (Art 41 des GKV-WSG, Bericht des Ausschusses für Gesundheit, BT-Drucks 16/4247 S 66).
Eine geltungserhaltende Reduktion ist ausgeschlossen. Ihre Reichweite begründete gegenüber dem Satzungswortlaut Unklarheit. Ein entsprechender Mechanismus ist weder im Gesetz noch in der Satzung vorgesehen. Das Gericht kann auch nicht selbst eine Satzungsregelung anstelle der hierfür berufenen Selbstverwaltungsorgane treffen, weil es sonst deren Gestaltungsspielräume missachten würde (vgl BSG Urteil vom 20.7.1988 - 6 RKa 26/87).
cc) Die Nichtigkeit der Erstattungsregelung nach der ermäßigten Umlage führt nicht zur Nichtigkeit der Erstattungsregelung nach dem allgemeinen Erstattungssatz in Höhe von 60 vH. Sie betrifft einen in sich geschlossenen, rechtlich abtrennbaren Teil der Erstattungsregelung (vgl oben b und entsprechend BSG Urteil vom 8.11.2011 - B 1 A 1/11 R, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen). Die Erstattungsregelung nach dem allgemeinen Erstattungssatz kann hiervon unabhängig Bestand haben.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Nach der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats sind Arbeitgeber in Streitigkeiten über die Erstattung von Aufwendungen für die Entgeltfortzahlung bei Arbeitsunfähigkeit und in Mutterschutzfällen als "Leistungsempfänger" iS von § 183 SGG anzusehen (BSG SozR 4-1500 § 183 Nr 3, insbesondere RdNr 9). An diesem Umstand hat sich durch die Neuordnung des Ausgleichs der Arbeitgeberaufwendungen durch das AAG nichts geändert. Für entsprechende Rechtsstreitigkeiten ist mithin auch keine Kostenentscheidung unter Heranziehung des § 197a Abs 1 Satz 1 SGG zu treffen (zu Streitigkeiten über die Umlagepflicht nach dem AAG zuletzt vgl BSG SozR 4-1500 § 183 Nr 9 mwN).
Fundstellen
Haufe-Index 2924466 |
NZA-RR 2012, 537 |
NZS 2012, 9 |
SGb 2012, 73 |
Breith. 2012, 601 |