Entscheidungsstichwort (Thema)
Anerkennung von Ehegattenarbeitsverhältnissen bei Gehaltsüberweisung auf gemeinsames Konto (Oderkonto)
Leitsatz (amtlich)
Einem Arbeitsverhältnis zwischen Ehegatten darf seine steuerrechtliche Anerkennung nicht allein deswegen versagt werden, weil das Entgelt auf ein Konto geflossen ist, über das jeder der Ehegatten allein verfügen darf ("Oder-Konto").
Orientierungssatz
1. Zu den strengen Anforderungen, die der Gesetzgeber an den Beweis des Abschlusses und der Ernstlichkeit der Verträge zwischen Ehegatten stellen darf, vgl BVerfG, 1964-11-26, 1 BvL 14/62, BVerfGE 18, 257 (269 f).
2a. Verfassungsrechtlich unbedenklich ist es, bei Eheleuten für die Unterscheidung zwischen der privaten oder beruflichen Veranlassung einer Vermögensverschiebung „äußerlich erkennbare Merkmale” iSd BFH-Rechtsprechung (BFH, 1989-11-27, GrS 1/88, BFHE 158, 563) grundsätzlich heranzuziehen.
Ein Indizmerkmal (hier: Zielkonto der Gehaltsüberweisung) darf indessen dann nicht mehr mit ausschlaggebender Bedeutung herangezogen werden, wenn ein Sachverhalt nicht beweisbedürftig ist, sondern schon aus anderen Quellen (tatsächliche Durchführung bzw wirtschaftlicher Bestand des Arbeitsverhältnisses) mit hinreichender Sicherheit festgestellt werden kann.
2b. Wird demnach die einkommensteuerrechtliche Nichtanerkennung eines Ehegattenverhältnisses allein darauf gestützt, daß das Gehalt auf ein Konto des Arbeitgeberehegatten überwiesen wird, über das der Arbeitnehmerehegatte auch allein verfügen kann, so ist das Willkürverbot des GG Art 3 Abs 1 verletzt.
Normenkette
EStG § 12 Nrn. 1-2; GG Art. 3 Abs. 1; BVerfGG § 93c Abs. 1 S. 1; EStG § 4 Abs. 4
Verfahrensgang
BFH (Entscheidung vom 25.04.1990; Aktenzeichen X R 96/88) |
Niedersächsisches FG (Entscheidung vom 04.09.1987; Aktenzeichen XIII (XII) 20/85) |
Gründe
A.
Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen die steuerrechtliche Nichtanerkennung eines zwischen Ehegatten bestehenden Arbeitsverhältnisses.
I.
1. Die Beschwerdeführerin war in den streitigen Veranlagungszeiträumen 1978 bis 1980 bei ihrem mittlerweile verstorbenen Ehemann beschäftigt. Dieser betrieb zwei Kantinen, in denen die Beschwerdeführerin ganztägig als Angestellte mitarbeitete. Bis März 1979 wurde das Arbeitsentgelt der Beschwerdeführerin auf ihr Sparkonto, danach auf ein Girokonto ihres Ehemannes überwiesen, über das die Beschwerdeführerin auch allein verfügungsberechtigt war. Das Finanzamt erkannte das Arbeitsverhältnis ab April 1979 nicht mehr an, rechnete deshalb der Beschwerdeführerin ab diesem Zeitpunkt keine Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit mehr zu und gestattete auch nicht den Abzug der Gehaltszahlungen als Betriebsausgaben.
Das Finanzamt stützt seine Entscheidung auf die Rechtsprechung, wonach Arbeitsverhältnisse zwischen Ehegatten steuerlich nur anzuerkennen sind, wenn sie ernstlich vereinbart und entsprechend der Vereinbarung tatsächlich durchgeführt werden. Zur Durchführung gehöre neben der tatsächlichen Mitarbeit des Ehegatten auch die regelmäßige Zahlung des Lohns und die Abführung der Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträge in der Form, daß die vereinbarten Entgelte tatsächlich aus dem Bereich des Arbeitgeberehegatten abflössen und in den Einkommens- und Vermögensbereich des mitarbeitenden Ehegatten gelangten. Dies sei bei einer Überweisung des Arbeitsentgelts auf das Konto des Arbeitgeberehegatten nicht der Fall, selbst wenn der Arbeitnehmerehegatte hierüber verfügen könne.
Die dagegen erhobene Klage vor dem Finanzgericht blieb erfolglos. Wie das Finanzamt hielt es auch das Finanzgericht für entscheidend, daß das an den Arbeitnehmerehegatten gezahlte Entgelt in dessen alleinigen Einkommens- und Vermögensbereich gelange. Die gegen das Urteil des Finanzgerichts eingelegte Revision wurde ohne Angabe von Gründen gemäß Art. 1 Nr. 7 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs als unbegründet zurückgewiesen; die Beschwerdeführerin wurde allerdings durch Schreiben des Vorsitzenden des X. Senats des Bundesfinanzhofs auf den mittlerweile ergangenen Beschluß des Großen Senats des Bundesfinanzhofs (BStBl II 1990, 160 = BFHE 158, 563) zur Anerkennung eines Ehegattenarbeitsverhältnisses bei Zahlung auf ein Oderkonto hingewiesen; die dort entwickelten Grundsätze müßten auch für den Fall der Gehaltszahlung auf ein Konto des Arbeitgeberehegatten gelten.
2. Die Beschwerdeführerin rügt die Verletzung ihrer Grundrechte aus Art. 2 Abs. 1, 3 Abs. 1, 6 Abs. 1, 12 Abs. 1, 14 Abs. 1, 19 Abs. 4, sowie Art. 20 Abs. 3 GG.
a) Art. 6 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 GG seien verletzt, weil die rechtlichen Anforderungen an die tatsächliche Durchführung von Ehegattenarbeitsverhältnissen den Grundrechten widersprächen. Wenn der Arbeitnehmerehegatte einverstanden sei, daß sein Gehalt auf das Arbeitgeberehegattenkonto überwiesen werde, sei der Anspruch auf Arbeitsentgelt erfüllt und das Arbeitsverhältnis insoweit tatsächlich durchgeführt. Die von der Rechtsprechung entwickelten Indizien zur Klärung der Frage, ob die Vermögensverschiebung zwischen den Ehegatten betrieblich oder privat veranlaßt sei, dürften sich nicht zu selbständigen Maßstäben entwickeln. Art. 6 Abs. 1 GG gebiete die steuerliche Anerkennung des Arbeitsverhältnisses um des Schutzes der Ehe willen, für die ein gemeinsamer Einkommens- und Vermögensbereich der Ehegatten die Normalität darstelle.
b) Art. 12 und Art. 14 GG seien verletzt, wenn das Arbeitsverhältnis nicht anerkannt und die Beschwerdeführerin damit ihrer Gehaltsansprüche und sozialen Absicherung beraubt werde; sei das Arbeitsverhältnis aber arbeits- und sozialrechtlich anzuerkennen, müsse das Steuerrecht dem folgen. Art. 14 GG sei auch insoweit verletzt, als die Beschwerdeführerin aus ihrem Eigentum Steuern leisten müßte, die aus verfassungswidrigen, insbesondere gegen das Übermaßverbot verstoßende Abgabepflichten resultierten.
Außerdem müßten die Arbeitsverhältnisse, bei denen das Gehalt auf das Konto des Arbeitnehmerehegatten mit Verfügungsbefugnis des Arbeitgeberehegatten überwiesen wird, gemäß Art. 3 GG ebenso behandelt werden wie die Fälle, in denen das Gehalt auf das Konto des Arbeitgeberehegatten mit Verfügungsbefugnis des Arbeitnehmerehegatten überwiesen wird.
c) Soweit der Vorprüfungsausschuß des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts in einem Beschluß vom 26. Juli 1984 (1 BvR 1766/83, Inf 1984, 453) festgestellt habe, daß die steuerliche Nichtanerkennung eines Ehegattenarbeitsverhältnisses bei einer Überweisung des Gehalts auf ein Konto des Arbeitgeberehegatten verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden sei, weil dies einem Verzicht auf die Lohnzahlung näherstünde als einer Tilgung des Gehaltsanspruchs, komme diesen Beschlüssen keine Bindungswirkung i.S. der §§ 16, 31 BVerfGG zu.
II.
1. Zu der Verfassungsbeschwerde haben das Bundesministerium der Finanzen im Namen der Bundesregierung und der Große Senat des Bundesfinanzhofs Stellung genommen.
2. Die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zur Anerkennung von Ehegattenarbeitsverhältnissen bei Überweisung des Arbeitslohns auf ein sog. „Oderkonto” findet im Beschluß des Großen Senats vom 27. November 1989 (GrS 1/88, BFHE 158, 563) ihren vorläufigen Abschluß.
Dort faßt der Bundesfinanzhof seine ständige Rechtsprechung in dem Ergebnis zusammen, daß Dienstverhältnisse zwischen Ehegatten steuerrechtlich nur anzuerkennen seien, wenn sie eindeutig und ernstlich vereinbart seien und entsprechend der Vereinbarungen auch tatsächlich durchgeführt (vollzogen) würden. Um bei Ehegattenvertragsverhältnissen abgrenzen zu können, ob wirklich ein Leistungsaustauschverhältnis gewollt sei, verlange die Rechtsprechung nicht nur, daß die Verträge rechtlich wirksam zustande gekommen seien, sondern auch, daß sie nach Inhalt und Ausführung dem entsprächen, was unter Fremden üblich sei. Von diesen Grundsätzen ausgehend fordere die Rechtsprechung für die Anerkennung von Ehegattenarbeitsverhältnissen, daß der Ehegatte tatsächlich mitarbeite und daß die Leistung des Arbeitgebers bei ihm zu einem Wertabfluß führe und ein Zufluß beim anderen Ehegatten eintrete, weil auch ein fremder Arbeitnehmer eine uneingeschränkte Verfügungsmacht hinsichtlich des ihm zustehenden Entgelts beanspruche.
An dieser Rechtsprechung hält der Große Senat im wesentlichen fest. Während bei untereinander fremden Personen Vermögensverschiebungen regelmäßig auf betrieblichen und beruflichen Beziehungen beruhten, hätten sie zwischen Ehegatten ihre Ursache nicht selten auch im familiären Bereich. Ob eine Vermögensverschiebung zwischen Ehegatten auf einem Leistungsaustauschverhältnis und damit auf betrieblicher Veranlassung oder auf privaten Erwägungen beruhe, hänge von den getroffenen Vereinbarungen und ihren tatsächlichen Durchführungen ab, sei also zunächst eine Frage der maßgeblichen Vereinbarungen und der Sachverhaltsermittlung. Häufig sei der Sachverhalt allerdings nur anhand von Beweisanzeichen (Indizien) feststellbar.
Zu diesen Indizien rechnet der Bundesfinanzhof u.a., daß der Arbeitnehmerehegatte eine Entlohnung erhalte, sowie insbesondere, daß der Arbeitnehmerehegatte über diese Entlohnung auch frei – vom Arbeitgeberehegatten unabhängig – verfügen könne. Deshalb müsse die vereinbarte Entlohnung ersichtlich in den Einkommens- und Vermögensbereich des Arbeitnehmerehegatten gelangen, der von dem des Arbeitgeberehegatten klar und eindeutig getrennt sein müsse.
Ein solcher eindeutiger Übergang fehle indessen bei einer Überweisung des Gehalts auf ein „Oderkonto” der Ehegatten. Der Geldbetrag habe dann zwar den betrieblichen Bereich, nicht jedoch den Vermögensbereich des Arbeitgeberehegatten verlassen. Denn der Arbeitgeberehegatte könne über das Konto uneingeschränkt verfügen, seine Gläubiger könnten in dieses Konto vollstrecken. Zivilrechtlich stünde der als Arbeitslohn überwiesene Geldbetrag sowohl dem Arbeitgeber- als auch dem Arbeitnehmerehegatten zu; der in die Privatsphäre des Arbeitgeberehegatten übergegangene Geldbetrag sei damit nicht eindeutig als Betriebsausgabe anzusehen, so daß die ausschließlich betriebliche Veranlassung der Zahlung fehle.
Diese Rechtsprechung stimme mit der des Bundesverfassungsgerichts überein. Zwar dürften Ehegatten im Vergleich zu Ledigen nicht allein deshalb schlechter gestellt werden, weil sie verheiratet seien (BVerfGE 69, 188 (205)). Das Bundesverfassungsgericht habe aber wiederholt entschieden, daß es keine Diskriminierung von Ehe und Familie darstelle, wenn die Rechtsprechung fordere, daß Ehegatten-Dienstverhältnisse vertraglich klar und eindeutig wie zwischen Fremden üblich vereinbart seien und diese Vereinbarungen auch tatsächlich durchgeführt würden. Das Bundesverfassungsgericht habe auch ausdrücklich einen Fremdvergleich für sachgemäß erachtet (BVerfGE 13, 290 (314, 317)).
Dies habe verfassungsrechtlich auch dann zu gelten, wenn der Arbeitslohn auf ein „Oderkonto” des Ehegatten überwiesen werde. Es sei zwar richtig, daß für die steuerliche Anerkennung von Dienstverhältnissen zwischen Beteiligten einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft diese Maßstäbe nicht gelten würden. Nicht jede Rechtsauslegung, die der familienrechtlichen Verbundenheit von Eheleuten besondere Bedeutung beimesse, verstoße jedoch gegen Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 6 Abs. 1 GG. Dem Leistungsaustausch zwischen Partnern einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft könne Familienrecht nicht zugrunde liegen.
3. Anders als im Bereich der Einkommensteuer erkennt die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (Urteil vom 15. März 1993, DStR 1993, 1293) umsatzsteuerrechtlich Zahlungen eines Ehegatten auf ein gemeinsames Konto an. Der Bundesfinanzhof verneint die Entgeltlichkeit im umsatzsteuerlichen Sinne nicht bereits dann, wenn der Leistungsempfänger die Gegenleistung auf ein Bankkonto überweist, über das jeder der beiden Ehegatten allein verfügungsberechtigt ist oder das auf den Namen des Leistungsempfängers lautet und über das der Leistende mitverfügungsberechtigt ist. Die Rechtsprechung zum Ertragsteuerrecht, die in diesen Fällen den Betriebsausgabenabzug des Arbeitgeber- oder Mieter-Ehegatten versagt, lasse sich auf das Umsatzsteuerrecht nicht übertragen. Diese Rechtsprechung beruhe auf der Vorschrift des § 12 Nr. 1 und Nr. 2 EStG, die der Abgrenzung des privaten und betrieblichen/beruflichen Bereichs im Ertragsteuerrecht diene. Eine solche Vorschrift enthalte das Umsatzsteuerrecht nicht. Die umsatzsteuerrechtlichen Besonderheiten ließen es geboten erscheinen, von einer der ertragsteuerlichen Beurteilung entsprechenden Typisierung abzusehen. Das Umsatzsteuerrecht besteuere nicht gegenseitige Leistungspflichten sondern tatsächliche Vorgänge. Unter nahen Angehörigen sei ein umsatzsteuerrechtlicher Leistungsaustausch danach nicht bereits dann zu verneinen, wenn die Vereinbarungen nicht dem entsprächen, was unter Fremden üblich sei.
B.
I.
Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an und gibt ihr statt, weil dies zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Grundrechte angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 Buchst. b BVerfGG). Die zulässige Verfassungsbeschwerde ist offensichtlich begründet im Sinne von § 93c Abs. 1 BVerfGG.
Die angegriffene Entscheidung des Finanzgerichts, wonach das Ehegattenarbeitsverhältnis steuerrechtlich allein deshalb nicht anzuerkennen ist, weil die Lohnzahlung des Arbeitgeberehegatten an den Arbeitnehmerehegatten auf ein Bankkonto erfolgt, über das jeder der beiden Ehegatten allein verfügungsberechtigt ist, verletzt die Beschwerdeführerin in ihrem Grundrecht aus Art. 3 Abs. 1 GG.
1. Die ständige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, nach der Dienstverhältnisse zwischen Ehegatten steuerrechtlich nur anzuerkennen sind, wenn sie eindeutig und ernstlich vereinbart sind und entsprechend dieser Vereinbarung auch tatsächlich durchgeführt werden, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Sie trägt den innerhalb eines Familienverbundes typischerweise fehlenden Interessengegensätzen und der daraus resultierenden Gefahr des steuerlichen Mißbrauchs zivilrechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten durch Ehegatten Rechnung. Das Bundesverfassungsgericht hat wiederholt entschieden, daß es dem Gesetzgeber gestattet ist, einem Mißbrauch der Vertragsgestaltung zwischen Ehegatten entgegenzuwirken; der Gesetzgeber hat daher auch die Möglichkeit, an den Beweis des Abschlusses und der Ernstlichkeit der Verträge zwischen Ehegatten strenge Anforderungen zu stellen (BVerfGE 6, 55 (84); 9, 237 (245); 13, 290 (316); 13, 318 (327); 18, 257 (269 f.)). Dies gilt nicht nur für vom Gesetzgeber zu normierende Tatbestände sondern auch für ihre Auslegung und Anwendung durch die Rechtsprechung (vgl. BVerfGE 13, 318 (329)).
Ob eine Vermögenszuwendung zwischen Ehegatten auf einem Leistungsaustauschverhältnis und damit auf betrieblicher Veranlassung beruht, oder ob diese in familiären Beziehungen ihren Grund hat, ist, wie der Bundesfinanzhof zu Recht bemerkt (BFH, Beschluß vom 27. November 1989 - GrS 1/88 -, BFHE 158, 563 unter C.III.2.), als innere Tatsache häufig nicht zweifelsfrei feststellbar; dies rechtfertigt es, „äußerlich erkennbare Merkmale als Beweisanzeichen (Indizien)” (BFH, a.a.O., C.III.3.) heranzuziehen.
Es ist verfassungsrechtlich auch grundsätzlich unbedenklich, wenn der Bundesfinanzhof in gefestigter Rechtsprechung, gestützt auf § 4 Abs. 4 i.V.m. § 12 EStG, an die tatsächliche Durchführung eines Ehegattenarbeitsverhältnisses die Anforderung stellt, der Arbeitnehmerehegatte müsse die unter Fremden übliche Entlohnung erhalten (BFH, a.a.O., unter C.III.3.d) und hierüber frei und vom Arbeitgeberehegatten uneingeschränkt verfügen können (BFH, a.a.O., unter C.III.3.e), und wenn er hierzu als Indiz auch auf die Form des Entgeltzugangs beim Arbeitnehmerehegatten anhand des formalen Kriteriums der Kontoführung abhebt. Auch insoweit wird eines der „äußerlich erkennbaren Merkmale” i.S. der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH, a.a.O., C.III.2.) herangezogen, um den betrieblichen oder privaten Anlaß einer Vermögensverschiebung zwischen Eheleuten zu beurteilen.
Ein solches Indizmerkmal darf indessen dann nicht mehr mit ausschlaggebender Bedeutung herangezogen werden, wenn ein Sachverhalt nicht beweisbedürftig ist, sondern schon aus anderen Quellen mit hinreichender Sicherheit festgestellt werden kann.
2. Die angegriffene finanzgerichtliche Entscheidung erkennt allein deshalb das Ehegattenarbeitsverhältnis einkommensteuerlich nicht an, weil das Gehalt auf ein Konto des Arbeitgeberehegatten überwiesen wird, über das der Arbeitnehmerehegatte auch allein verfügen kann. Diese Auslegung und Anwendung des § 4 Abs. 4 und des § 12 EStG ist objektiv willkürlich und verletzt die Beschwerdeführerin in ihrem Grundrecht aus Art. 3 Abs. 1 GG.
Ist im vorliegenden Fall ein Arbeitsverhältnis ernstlich vereinbart, tatsächlich erfüllt und angemessen entgolten worden, bedarf es keiner weiteren Feststellungen und Beweise. Dann darf auch das aus dem Erfordernis der freien und uneingeschränkten Verfügbarkeit der Gehaltszahlung abgeleitete nachteilige Indiz eines Oderkontos nicht zu einem Tatbestandsmerkmal „Art der Kontoführung” verselbständigt werden, das schon für sich genommen das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses ausschließt. Umgekehrt würde übrigens auch die strikte Kontentrennung nicht genügen, um ein Arbeitsverhältnis trotz nicht hinreichender Vereinbarung oder ungenügendem Vollzug als gegeben zu unterstellen. Der Umstand, daß eine Person über das Konto einer anderen Person verfügen kann, gibt für sich allein keinen zwingenden Aufschluß darüber, ob zwischen diesen ein Arbeitsverhältnis wirklich besteht und vollzogen wird. Die Art der Kontoführung ist für die Beurteilung der Frage, ob ein Arbeitsverhältnis besteht, ein Kriterium; steht die tatsächlich geleistete Arbeit und ihre Entlohnung außer Frage, hat dieses Kriterium als Prüfungsmaßstab keine Bedeutung mehr.
Die angegriffene Entscheidung stellt demgegenüber nur auf die Übereignung des Arbeitsentgelts auf ein Arbeitgeberkonto ab. Allein daraus schließt sie, daß das Arbeitsverhältnis der Klägerin nicht mehr tatsächlich durchgeführt worden sei, ohne überhaupt die Frage zu stellen, ob nicht unabhängig davon das Arbeitsverhältnis wirtschaftlich bestanden hat, Arbeit geleistet und angemessen vergütet worden ist. Das ist im Sinne einer Auslegung und Anwendung der §§ 4 Abs. 4 und 12 EStG nicht mehr nachvollziehbar. Das Finanzgericht hätte jedenfalls prüfen müssen, ob im hier gegebenen Fall das Ehegattenarbeitsverhältnis nach dem festgestellten Sachverhalt bereits eindeutig die Voraussetzungen eines Arbeitsverhältnisses erfüllt, so daß es keines weiteren Beweises mehr bedarf und die Indizwirkung eines Oderkontos deshalb unerheblich ist.
II.
Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 2 und 3 BVerfGG.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Fundstellen
BStBl II 1996, 34 |
BB 1995, 2624 |
BB 1995, 2624-2626 (T) |
DB 1995, 2572-2575 (T) |
DStR 1995, 1908-1909 (ST) |
DStZ 1996, 41-42 (KT) |
HFR 1996, 93-95 (LT) |
StE 1995, 802 (S) |
WPg 1996, 279-281 (ST) |
FR 1996, 18-19 (KT) |
Information StW 1996, 63-64 (ST) |
NJW 1996, 833 |
NJW 1996, 833-834 (ST) |
GStB 1996, Nr 2, 1 (L) |
KFR, , 4/96, 117 (H 5/1996) (ST) |
NWB Fach 3, 9653-9654 (11/1996) (KT) |
BRAK-Mitt 1996, 68 (S) |
FamRZ 1996, 153-154 (ST) |
WiB 1996, 490 (S) |
AktStR 1996, 56-57 (T) |
NZA 1996, 470 (T) |
USK, 9552 (ST) |
WM IV 1996, 40-42 (LT) |
WuB, I C 3 Sonderkonto 1.96 (S) |
WuB, X § 4 EStG 1.96 (ST) |
Die Beiträge 1996, 254 (L) |
Die Beiträge 1996, 366-367 (S) |
EzA-SD 1995, Nr 26, 11 (S) |
EzA BGB § 611, Ehegattenarbeitsverhältnis Nr. 3 (ST) |
HM 1996, Nr 2, 26 (T) |
SVFAng Nr. 98, 19 (1996) (KT) |
StRK EStG 1975, § 4 Abs.4 R.317 (ST) |