BAG, Urteil vom 17.3.2021, 4 AZR 218/20
Soweit einem Mitarbeiter schichtbezogen von vornherein auseinandergehalten und organisatorisch voneinander getrennt verschiedene Arbeitsbereiche übertragen werden (entweder die Tätigkeit als Praxisanleiter oder rein pflegerische Tätigkeiten), handelt es sich um 2 Arbeitsvorgänge im Tarifsinn. Allein aus dem Umstand, dass es sich bei dem Tarifbegriff des Praxisanleiters i. S. d. Entgeltgruppe P 8 Fallgruppe 2 TVöD/VKA um ein sog. Funktionsmerkmal handelt, ergibt sich nichts anderes.
Sachverhalt
Die Klägerin ist seit 1995 als examinierte Gesundheits- und Krankenpflegerin (GuK) im Krankenhaus der Beklagten beschäftigt. Der TVöD findet auf das Arbeitsverhältnis Anwendung. Im Jahr 2008 absolvierte sie erfolgreich die Nachqualifikation zur Praxisanleiterin im Gesundheitswesen und wird seither als GuK und als Praxisanleiterin eingesetzt.
Eingruppiert ist die Klägerin in EG P 7 der Entgeltordnung VKA.
Da die Beklagte jedes Jahr 2 Kurse von jeweils 15 Schülern aus dem Bereich Gesundheits- und Krankenpflege sowie 2 Kurse von Krankenpflegehelfer/innen ausbildet, hat sie 8 Pflegekräfte als Praxisanleiterinnen freigestellt, welche ausschließlich mit der praktischen Ausbildung auf den verschiedenen Stationen einschließlich der Prüfungen betraut sind. Daneben beschäftigt sie ca. 45 nicht freigestellte Praxisanleiter und Praxisanleiterinnen, die in den Stationsablauf eingebunden sind – so auch die Klägerin, die auf ihrer Station in der Zeit zwischen April 2016 und Dezember 2018 die einzige nicht freigestellte Praxisanleiterin war.
Im Dezember 2018 beantragte sie erfolglos bei der Beklagten eine Höhergruppierung in die EG P 8 der Entgeltordnung VKA.
Sie begründete dies damit, dass es sich bei der Praxisanleitung i. S. d. der EG 8 Fallgruppe 2 um ein sog. Funktionsmerkmal handele. Insoweit sei es ausreichend, dass sie über die entsprechende Qualifikation verfüge und die Funktion ihr von der Beklagten übertragen worden sei und sie diese Tätigkeit regelmäßig ausübe; denn die gesamte Tätigkeit stelle einen einzigen großen Arbeitsvorgang dar, in dem die Tätigkeiten einer Gesundheits- und Krankenpflegerin enthalten seien. Die zu erzielenden Arbeitsergebnisse "Pflege von Patienten" und "Anleitung von Auszubildenden" ließen sich nicht voneinander trennen; denn auch wenn gerade keine konkrete Anleitung erfolge, sei es ihre Aufgabe als Praxisanleiterin, neben dem eigenen pflegerischen Alltag den Lernfortschritt der zugeordneten Pflegeschüler ständig zu verfolgen. Eine Aufteilung in 2 Arbeitsvorgänge sei nur dann denkbar, wenn sie als Pflegekraft z. B. auf 2 verschiedenen Stationen eingesetzt wäre und nur für die eine Station als Praxisanleiterin bestellt sei.
Die Beklagte brachte dagegen vor, dass die Praxisanleitung ein gesonderter Arbeitsvorgang und als solcher tariflich zu bewerten sei. Die Auswertung der Dienstpläne zeige zudem, dass die Klägerin überwiegend mit der Versorgung von Patienten betraut sei, ohne gleichzeitig in einer Schicht Auszubildende zu betreuen. Daher umfasse ihre Tätigkeit als Praxisanleiterin nicht mindestens die Hälfte ihrer Gesamtarbeitszeit.
Die Entscheidung
Die Klage hatte keinen Erfolg. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Vergütung nach EG P 8 der Entgeltordnung VKA, da ihre auszuübende Tätigkeit nicht mindestens zur Hälfte Arbeitsvorgänge umfasst, die die Anforderungen des tariflichen Tätigkeitsmerkmals erfüllen.
Das BAG führte hierzu aus, dass maßgebend für die Bestimmung des Arbeitsvorgangs das Arbeitsergebnis sei. Für die Beurteilung, ob eine oder mehrere Einzeltätigkeiten zu einem Arbeitsergebnis führten, seien eine natürliche Betrachtungsweise und die durch den Arbeitgeber vorgenommene Arbeitsorganisation ausschlaggebend. Dabei könne die gesamte vertraglich geschuldete Tätigkeit einen einzigen Arbeitsvorgang ausmachen. Zwar könnten Einzeltätigkeiten dann nicht zusammengefasst werden, wenn die verschiedenen Arbeitsschritte von vornherein auseinandergehalten und organisatorisch voneinander getrennt seien; jedoch reiche hierfür die theoretische Möglichkeit, einzelne Arbeitsschritte oder Einzelaufgaben verwaltungstechnisch isoliert auf andere Beschäftigte zu übertragen, nicht aus.
Im vorliegenden Fall entschied das BAG, dass die auszuübende Tätigkeit der Klägerin nicht nur aus einem einheitlichen Arbeitsvorgang bestehe, sondern 2 Arbeitsvorgänge im Tarifsinn vorlagen.
Es begründete dies damit, dass ein Arbeitsvorgang die Tätigkeit der Klägerin als Praxisanleiterin für Auszubildende oder andere Anzuleitende sei, die während der Zeit der Zuweisung untrennbar mit der Patientenversorgung auf der Station verbunden sei. Insoweit könnten die Arbeitsergebnisse "fachgerechte Patientenversorgung" und "Anleitung der Auszubildenden" in dieser Zeit tatsächlich nicht getrennt werden. Die Klägerin habe dann während der gesamten Dauer dieser Schichten aufgrund direktionsrechtlicher Zuweisung die Funktion als Praxisanleiterin auszuüben. Aufgrund dessen sei im Zeitraum der Zuweisung eines Aus...