Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Sozialpolitik. Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf. Verbot der Diskriminierung wegen des Alters. Ruhebezug. Nationale Regelung, die eine vormals durch die nationalen Rechtsvorschriften über den Ruhebezug begünstigte Gruppe von Beamten rückwirkend einer Gruppe von Beamten gleichstellt, die vormals durch diese Rechtsvorschriften benachteiligt wurde
Normenkette
Richtlinie 2000/78/EG
Beteiligte
BVAEB (Montant de la pension de retraite) |
Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter, Eisenbahnen und Bergbau (BVAEB) |
Tenor
Art. 2 Abs. 1 und 2 Buchst. a und Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf
sind dahin auszulegen, dass
sie bei Fehlen eines zwingenden Grundes des Allgemeininteresses einer nationalen Regelung entgegenstehen, die zur Beseitigung einer Diskriminierung wegen des Alters die rückwirkende Gleichstellung des Pensionssystems der Gruppe der vormals durch die nationalen Rechtsvorschriften über den Ruhebezug begünstigten Beamten mit dem Pensionssystem der Gruppe der durch diese Rechtsvorschriften benachteiligten Beamten vorsieht.
Tatbestand
In der Rechtssache C-681/21
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Verwaltungsgerichtshof (Österreich) mit Entscheidung vom 11. Oktober 2021, beim Gerichtshof eingegangen am 11. November 2021, in dem Verfahren
Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter, Eisenbahnen und Bergbau (BVAEB)
gegen
BB
erlässt
DER GERICHTSHOF (Siebte Kammer)
unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin M. L. Arastey Sahún (Berichterstatterin) sowie der Richter N. Wahl und J. Passer,
Generalanwältin: T. Ćapeta,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- – von BB, vertreten durch Rechtsanwalt M. Riedl,
- – der österreichischen Regierung, vertreten durch A. Posch, J. Schmoll und F. Werni als Bevollmächtigte,
- – der Europäischen Kommission, vertreten durch B.-R. Killmann und D. Martin als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung der Generalanwältin ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 2 Abs. 1 und 2 Buchst. a und Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (ABl. 2000, L 303, S. 16).
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter, Eisenbahnen und Bergbau (BVAEB) (Österreich) und BB über die Festsetzung der Höhe ihres Ruhebezugs.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 3
Art. 1 („Zweck“) der Richtlinie 2000/78 sieht vor:
„Zweck dieser Richtlinie ist die Schaffung eines allgemeinen Rahmens zur Bekämpfung der Diskriminierung wegen der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung in Beschäftigung und Beruf im Hinblick auf die Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung in den Mitgliedstaaten.“
Rz. 4
Art. 2 („Der Begriff ‚Diskriminierung‘“) dieser Richtlinie sieht vor:
„(1) Im Sinne dieser Richtlinie bedeutet ,Gleichbehandlungsgrundsatz‘, dass es keine unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung wegen eines der in Artikel 1 genannten Gründe geben darf.
(2) Im Sinne des Absatzes 1
a) liegt eine unmittelbare Diskriminierung vor, wenn eine Person wegen eines der in Artikel 1 genannten Gründe in einer vergleichbaren Situation eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person erfährt, erfahren hat oder erfahren würde;
b) liegt eine mittelbare Diskriminierung vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen mit einer bestimmten Religion oder Weltanschauung, einer bestimmten Behinderung, eines bestimmten Alters oder mit einer bestimmten sexuellen Ausrichtung gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können, es sei denn:
i) diese Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt, und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich …
…“
Rz. 5
Art. 3 („Geltungsbereich“) Abs. 1 Buchst. c dieser Richtlinie bestimmt:
„Im Rahmen der auf die Gemeinschaft übertragenen Zuständigkeiten gilt diese Richtlinie für alle Personen in öffentlichen und privaten Bereichen, einschließlich öffentlicher Stellen, in Bezug auf
…
c) die Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen, einschließlich der Entlassungsbedingungen und des Arbeitsentgelts“.
Rz. 6
In Art. 6 („Gerechtfertigte Ungleichbehandlung wegen des Alters“) heißt es:
„(1) Ungeachtet des Artikels 2 Absatz 2 können die Mitgliedstaaten vorsehen, dass Ungleichbehandlungen wegen des Alters keine Diskriminierung darstellen, sofern sie o...