BAG, Urteil v. 30.10.2019, 6 AZR 581/18
Bei Gutschrift eines in Zeit umgewandelten Entgelts auf einem Arbeitszeitkonto muss eine eindeutige Tilgungsbestimmung vorliegen.
Sachverhalt
Die Parteien des vorliegenden Falles streiten über eine Gutschrift auf dem Arbeitszeitkonto. Auf das Arbeitsverhältnis des Klägers, der bei dem beklagten Land, zuletzt beim Landesbetrieb Mobilität Rheinland-Pfalz (LBM) beschäftigt war, fand der TV-L Anwendung.
Im Jahr 2013 vereinbarte der LBM mit dem Gesamtpersonalrat eine Dienstvereinbarung zur Einrichtung von Arbeitszeitkonten. Gemäß deren § 3 können auf das Arbeitszeitkonto folgende Zeiten gebucht werden: Zeiten gem. § 10 Abs. 3 Satz 2 TV-L (in Zeit umgewandelte Entgelte für Rufbereitschaft), Zeit der Rufbereitschaft nach § 8 Abs. 5 Satz 2, 3, 4 TV-L (Pauschalen/12,5 %), Arbeitsleistung innerhalb der Rufbereitschaft nach § 8 Abs. 5 Satz 5, 6 TV-L, Zeitzuschlag für Arbeiten innerhalb der Rufbereitschaft nach § 8 Abs. 5 Satz 5, 6 TV-L.
Der Kläger, für den freitags eine feste Arbeitszeit von 7 Uhr bis 12.30 Uhr galt, wurde auch für Rufbereitschaft eingeteilt. Am Freitag, 1.5.2015, zog ihn das beklagte Land innerhalb der Rufbereitschaft von 14.15 Uhr bis 19.30 Uhr zur Arbeit außerhalb seines Aufenthaltsorts i. S. d. § 7 Abs. 4 TV-L heran. Der Kläger erhielt für diesen Feiertag neben der Entgeltfortzahlung nach § 2 EFZG sowie der Rufbereitschaftspauschale nach § 8 Abs. 5 Satz 2 TV-L in Höhe des 4-fachen Stundenentgelts auch Zeitzuschläge nach § 8 Abs. 5 Satz 5 i. V. m. Abs. 1 Satz 2 Buchst. a und Buchst. d TV-L in Höhe von 30 % (Überstunden) und 35 % (Feiertagsarbeit). Darüber hinaus schrieb das beklagte Land dem Arbeitszeitkonto des Klägers 6 Stunden gut. Der Kläger vertrat nun die Ansicht, er habe gem. § 8 Abs. 5 Satz 5 Alt. 1 TV-L Anspruch auf Entgelt für seine tatsächliche Arbeitsleistung am 1.5.2015, welches nach seiner Wahl in Form einer Zeitgutschrift auf dem Arbeitszeitkonto noch zu erfüllen sei. Der Freizeitausgleich für Feiertagsarbeit sei zwar gutgeschrieben worden. Es fehle jedoch an der Zeitgutschrift für die "an sich" geleistete Arbeitszeit.
Dagegen brachte das beklagte Land vor, die Zeit der tatsächlichen Inanspruchnahme innerhalb der Rufbereitschaft sei nicht mehr zu vergüten, wenn dafür bereits Freizeitausgleich gewährt worden sei.
Die Entscheidung
Die Klage hatte in den Vorinstanzen Erfolg. Allerdings hob das BAG das Berufungsurteil des LAG auf und wies die Sache an dieses zurück, da es mit deren Begründung die Berufung des beklagten Landes nicht hätte zurückweisen dürfen. Das BAG konnte jedoch nicht auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen abschließend entscheiden, ob der geltend gemachte Anspruch tatsächlich besteht.
Nach Auffassung des BAG ist ein Anspruch des Klägers nach § 611 Abs. 1 BGB i. V. m. § 8 Abs. 5 Satz 5 Alt. 1, Satz 7, § 10 Abs. 3 Satz 2 TV-L i. V. m. § 3 Abs. 2 Nr. 1.2 Buchst. b DV Nr. 33 grds. entstanden; denn der Kläger war innerhalb der für den 1.5.2015 angeordneten Rufbereitschaft von 14.15 Uhr bis 19.30 Uhr außerhalb seines Aufenthaltsorts i. S. d. § 7 Abs. 4 TV-L tatsächlich zur Arbeit herangezogen worden. Gemäß § 8 Abs. 5 Satz 5 TV-L werde diese Zeit der Inanspruchnahme einschließlich der erforderlichen Wegezeiten auf eine volle Stunde gerundet und mit dem Entgelt für Überstunden (d. h. Überstundenentgelt i. S. d. Protokollerklärung zu § 8 Abs. 1 TV-L als auch den Überstundenzuschlag nach § 8 Abs. 1 Satz 2 Buchst. a TV-L unter Berücksichtigung der Rundungsregelung in § 8 Abs. 5 Satz 5 TV-L) bezahlt. Des Weiteren, so das BAG, könne hier der Kläger gem. § 8 Abs. 5 Satz 7 TV-L entsprechend § 8 Abs. 1 Satz 4 TV-L statt des nach § 8 Abs. 5 Satz 5 TV-L zu zahlenden Entgelts eine Gutschrift in Zeit auf seinem Arbeitszeitkonto beanspruchen. Eine solche Buchung sei nach § 10 Abs. 3 Satz 2 TV-L i. V. m. § 3 Abs. 2 Nr. 1.2 Buchst. b DV Nr. 33 zulässig. Zudem könnten im Rahmen der nach § 8 Abs. 5 Satz 7 TV-L angeordneten entsprechenden Anwendung dieser Tarifnorm – ungeachtet des Umstands, dass § 8 Abs. 1 Satz 4 TV-L unmittelbar nur die Faktorisierung der Zeitzuschläge nach Satz 2 ermöglicht – sämtliche von § 8 Abs. 5 TV-L erfassten Entgeltbestandteile in Zeit umgewandelt und auf dem Arbeitszeitkonto gutgeschrieben werden, sofern die weiteren Voraussetzungen vorliegen. Dafür spreche, so das BAG, auch die Verknüpfung mit § 10 Abs. 3 Satz 2 TV-L, die die Zeitgutschrift für "weitere Kontingente (z. B. Rufbereitschafts-/Bereitschaftsdienstentgelte)" ermögliche. Im vorliegenden Fall ließen die betrieblichen Verhältnisse eine solche Umwandlung von Entgelt in Zeit unstrittig zu, d. h., die Gutschrift für die an sich geleistete Arbeitszeit konnte in das Arbeitszeitkonto eingestellt werden.
Vorliegend, so das Gericht weiter, komme es dagegen nicht auf die zwischen den Parteien erörterte Frage an, ob die Gutschrift eines in Zeit umgewandelten Entgelts für Überstunden nach § 8 Abs. 5 Satz 5 TV-L auf dem Arbeitszeitkonto zugleich auch einen Freizeitausgleich darstelle...