Hinweise für den Fall eines Arbeitskampfes (Arbeitskampfrichtlinie des Bundes)
Arbeitskampfrichtlinie des Bundes vom 5. Dezember 2022
A. Allgemeines
I. Zweck der Hinweise
Mit den folgenden Erläuterungen sollen den Dienststellen der Bundesverwaltung Hinweise für die Fälle gegeben werden, in denen sie von Arbeitskampfmaßnahmen betroffen sind.
II. Arbeitskampfmaßnahmen und ihre rechtlichen Voraussetzungen
1. Rechtmäßige Arbeitskampfmaßnahmen
Arbeitskampfmaßnahmen sind kollektive Maßnahmen, die darauf abzielen, eine bestimmte tarifliche Regelung der Arbeitsbedingungen durchzusetzen. Sie sind mit Arbeitszeitausfall für die sich daran beteiligenden Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer (im Folgenden: Beschäftigte) verbunden. Gegebenenfalls kann Arbeitszeitausfall auch bei Beschäftigten eintreten, die sich zwar nicht am Arbeitskampf beteiligen, die aber wegen des Arbeitskampfes nicht beschäftigt werden können.
Arbeitskampfmaßnahmen sind rechtmäßig, wenn sie von einer zuständigen Gewerkschaft nach Ablauf der Friedenspflicht und nach Ausschöpfung aller Verständigungsmöglichkeiten unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit der Mittel als kollektive Maßnahmen mit dem Ziel eingeleitet und durchgeführt werden, das Arbeitsentgelt oder sonstige Arbeitsbedingungen der Mitglieder zu verbessern oder Verschlechterungen zu verhindern. Rechtmäßig sind unter diesen Voraussetzungen auch Arbeitskampfmaßnahmen, die zwar nicht von der Gewerkschaft eingeleitet, von dieser aber nach Beginn übernommen werden.
2. Einleitung von Arbeitskampfmaßnahmen
Arbeitskampfmaßnahmen dürfen grundsätzlich erst nach Ablauf der Friedenspflicht, also in der Regel erst nach Ablauf der Kündigungsfrist/sonstigem Außerkrafttreten des Tarifvertrags ergriffen werden. Besteht die Friedens pflicht nicht mehr, so bestimmt sich die Rechtmäßigkeit von Arbeitskampfmaßnahmen, der Rechtsprechung des Großen Senats des BAG (BAG vom 21. Juni 1988 – 1 AZR 651/86 = AP Nr. 108 zu Art. 9 GG Arbeitskampf) folgend, nach dem "ultima-ratio"-Prinzip. So setzt die Zulässigkeit einer Arbeitskampfmaßnahme voraus, dass zuvor Forderungen für den Inhalt des abzuschließenden Tarifvertrags erhoben worden sind und dass in der Regel über diese Forderungen auch Tarifvertragsverhandlungen geführt wurden; eine Ausnahme gilt dann, wenn die andere Seite Verhandlungen über eine Forderung überhaupt ablehnt. Einer offiziellen Erklärung des Scheiterns der Tarifvertragsverhandlungen bedarf es nicht. In der Einleitung der Arbeitskampfmaßnahme liegt die maßgebende Erklärung der Tarifvertragspartei, dass sie Verständigungsmöglichkeiten ohne Ausübung von Druck als ausgeschöpft ansieht. Diese Grundsätze gelten auch für so genannte "Warnstreiks".
Allerdings ergibt sich für den Bereich des Bundes und der VKA eine Friedenspflicht, während der alle Arbeitskampfmaßnahmen unzulässig sind, aus der "Vereinbarung über ein Schlichtungsverfahren vom 25. Oktober 2011" mit ver.di und einer entsprechenden Vereinbarung vom 22. November 2011 mit der dbb tarifunion. Danach können beide Tarifvertragsparteien gemeinsam die Schlichtung anrufen oder, wenn die Tarifvertragsverhandlungen von einer Tarifvertragspartei förmlich für gescheitert erklärt werden, jede Seite innerhalb von 24 Stunden nach der förmlichen Erklärung des Scheiterns ein Schlichtungsverfahren einleiten. Ab Beginn des Tages, an dem die Schlichtungskommission erstmals zusammentritt, spätestens jedoch ab dem dritten Kalendertag nach Erklärung des Scheiterns der Tarifverhandlungen bzw. des gemeinsamen Anrufens der Schlichtung lebt die Friedenspflicht wieder auf. Die Friedenspflicht endet, wenn die Einigungsempfehlung nicht fristgerecht (24 Stunden nach der Beschlussfassung) zugestellt wird, oder wenn die wieder aufgenommenen Tarifverhandlungen von mindestens einer Tarifvertragspartei für gescheitert erklärt werden.
3. Rechtswidrige Arbeitskampfmaßnahmen
Zunächst rechtmäßige Arbeitskampfmaßnahmen können rechtswidrig werden, wenn Art und Umfang der Maßnahmen dazu führen, dass die Voraussetzungen nicht mehr vorliegen, die für eine rechtmäßige Arbeitskampfmaßnahme maßgebend sind.
Sogenannte Sympathie- oder Solidaritätsarbeitskampfmaßnahmen sind nicht grundsätzlich rechtswidrig. Vielmehr unterfallen auch gewerkschaftliche Streiks, die der Unterstützung eines in einem anderen Tarifgebiet geführten Hauptarbeitskampfes dienen, der durch Art. 9 Abs. 3 GG gewährleisteten Betätigungsfreiheit der Gewerkschaften. Das gilt grundsätzlich auch, wenn die den Hauptarbeitskampf führende und die den Unterstützungsstreik ausrufende Gewerkschaft nicht identisch sind. Ein Unterstützungsstreik ist jedoch nur zulässig, wenn er verhältnismäßig ist. Das ist nicht der Fall, wenn er zur Unterstützung des Hauptarbeitskampfes offensichtlich ungeeignet oder offensichtlich nicht erforderlich oder unangemessen ist. Für die Beurteilung der Angemessenheit ist insbesondere von Bedeutung, ob und inwieweit räumliche, branchenmäßige oder wirtschaftliche Verbindungen zwischen den betroffenen Arbeitgebern bestehen (vgl. BAG vom 19. Juni 2007 -1 AZR 396/06- AP Nr. 173 zu Art. 9 GG Arbeitskampf).
Bestehen Zweifel an der Rechtmäßigkeit einer Arbeitskampfmaßnahme, sollte zur Klärung dieser Frage Verbindung mit vorgesetzten Dienststellen aufgenommen werden, weil sie für die Rechtsfolgen und di...