1. Einseitige Anordnung durch den Arbeitgeber

Die Verwaltung/Der Betrieb hat die Aufgabe, rechtzeitig die Notdienstarbeiten (vgl. Unterabschnitt I Nr. 2) sicherzustellen.

Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sind zur Durchführung von Notdienstarbeiten, die auch in "unterwertigen" Tätigkeiten bestehen können, verpflichtet. Lehnt es eine Arbeitnehmerin bzw. ein Arbeitnehmer ohne triftigen Grund ab, Notdienstarbeiten zu verrichten, kann sie/er für den hierdurch entstehenden Schaden haftbar gemacht werden. Außerdem kann dies ein Grund zur außerordentlichen Kündigung sein. Die Verwaltung/Der Betrieb hat auch die Möglichkeit, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die die Verrichtung von Notdienstarbeiten verweigern, durch eine beim Arbeitsgericht zu erwirkende einstweilige Verfügung zur Arbeitsaufnahme zu veranlassen. Ein solches Vorgehen sollte jedoch mit der vorgesetzten Behörde abgestimmt werden.

Der Arbeitgeber ist zuständig und befugt, die Notdienstarbeiten zu bestimmen und die für den Notdienst erforderlichen Beschäftigten zu verpflichten und einzusetzen (vgl. Unterabschnitt I Nr. 2). Die Notkompetenz des Arbeitgebers leitet sich aus der größeren Sachnähe sowie der Verantwortlichkeit für die Leistungserbringung ab. Dem Arbeitgeber steht somit eine Anordnungskompetenz im Innenverhältnis zu. Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben keinen Anspruch auf Einsatz im Notdienst; dies gilt auch für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die sich nicht am Arbeitskampf beteiligen (vgl .BAG vom 31.1.1995, 1 AZR 142/94 = AP Nr. 135 zu Art. 9 GG Arbeitskampf = ZTR 1995 S. 551).

Das Arbeitsgericht Saarbrücken hat mit Urteil v. 20.4.2016, 2 Ga 8/16 - festgestellt, dass dem Arbeitgeber eine Notkompetenz zusteht, wenn im Vorfeld eines Streiks eine Notdienstvereinbarung nicht zustande kommt oder keine Zeit mehr für Verhandlungen verbleibt. In dem entschiedenen Fall hatte der Arbeitgeber (ein kommunales Krankenhaus) aufgrund gescheiterter Notdienstverhandlungen sowohl streikbereite als auch nicht streikbereite, sowohl gewerkschaftlich organisierte als auch nicht gewerkschaftlich organisierte Beschäftigte zum Notdienst bestellt. Die Gewerkschaft stellte einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung mit dem Ziel, dem Arbeitgeber die einseitige Einrichtung eines Notdienstes zu untersagen. Das Gericht hat den Antrag unter Hinweis auf die Kompetenz des Arbeitgebers, in diesem Fall den Notdienst einseitig zu regeln abgelehnt. Die Entscheidung ist rechtskräftig geworden. Der Umfang des Notdienstes sollte sich an den Besetzungsregelungen von Wochenenddiensten und Feiertagsdiensten orientieren (vgl. LAG Hamm vom 13. Juli 2015 - 12 SaGa 21/15), ggf. können auch behördliche Mindestbesetzungsquoten herangezogen werden. Ist eine Mindestbesetzung vorgeschrieben, hat sich der Notdienst daran zu orientieren (vgl. LAG Schleswig-Holstein v. 26.9.2018, 6 SaGa 7/18).

2. Notdienstvereinbarungen

Es sollte jedoch vorrangig versucht werden, Art und Umfang der Notdienstarbeiten und die Auswahl der hiermit zu beauftragenden Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit den Gewerkschaften bzw. der Streikleitung einvernehmlich abzustimmen und gegebenenfalls auch den Personalrat/Betriebsrat zu unterrichten (vgl. BAG v. 30.3.1982, 1 AZR 265/80 = AP Nr. 74 zu Art. 9 GG Arbeitskampf). In der Praxis ist es empfehlenswert, eine schriftliche Notdienstvereinbarung nach dem Muster der Anlage 1 abzuschließen.

Regelungen in Notdienstvereinbarungen, die arbeitswilligen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern während eines Arbeitskampfes den Zutritt zur Verwaltung/zum Betrieb versagen, sollten unbeschadet ihrer rechtlichen Zulässigkeit (vgl. BAG, Urteil v. 22.3.1994, 1 AZR 622/93 = AP Nr. 130 zu Art. 9 GG Arbeitskampf = ZTR 1994 S. 512) nicht vereinbart werden. Derartige Regelungen führen zu einer nicht hinnehmbaren Einschränkung des Arbeitgebers. Entsprechendes gilt auch für Regelungen, nach denen es dem Arbeitgeber untersagt wird, durch Dritte arbeitskampfbetroffene Leistungen innerhalb oder außerhalb der Verwaltung/des Betriebes zu erbringen.

Für die Ausstellung von Notdienstausweisen ist der Arbeitgeber zuständig. Es bestehen keine Bedenken, wenn die Gewerkschaften bzw. die Streikleitung die Notdienstausweise für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit unterzeichnen.

3. Kontrolle von Notdiensten, die die Gewerkschaft eingerichtet hat

Richtet die Gewerkschaft einen Notdienst ein, der nach Auffassung des Arbeitgebers nicht ausreichend ist, so besteht die Möglichkeit der Überprüfung im einstweiligen Verfügungsverfahren (vgl. BAG vom 14.12.1993, 1 AZR 550/93). Der Arbeitgeber muss in diesem Verfahren darlegen, dass dieser Notdienst nicht ausreichend ist (vgl. ArbG Gießen v. 6.3.2020, 9 Ga 1/20). Aus Sicht der Geschäftsstelle müsste mit Blick auf die vorgenannte Rechtsprechung zu den arbeitgeberseits eingerichteten Notdiensten eine ausreichende Darlegung z. B. dann gegeben sein, wenn behördliche oder gesetzliche Mindestbesetzungsquoten bzw. - in Ermangelung solcher Quoten - üblich...

Dieser Inhalt ist unter anderem im TVöD Office Professional enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge