Die tarifliche Ausschlussfrist ist nicht auf die gesetzlichen Mindesturlaubsansprüche nach §§ 1 und 3 Abs. 1 BUrlG anzuwenden (siehe Ziffer 1.1.3). Anderes gilt jedoch nach der neuen Rechtsprechung (BAG vom 9. August 2011 - 9 AZR 365/10 -, vom 22. Mai 2012 - 9 AZR 618/10 - und vom 19. Juni 2012 - 9 AZR 652/10 -) für den Abgeltungsanspruch. Dieser ist nicht mehr als Surrogat des Urlaubsanspruchs, sondern als reiner Geldanspruch anzusehen. Er unterliegt deshalb wie alle übrigen Zahlungsansprüche dem tariflichen Verfall. Als Anspruch aus dem Arbeitsverhältnis verfällt der Abgeltungsanspruch nach § 7 Abs. 4 BUrlG für den gesetzlichen Mindestanspruch und den tariflichen Mehrurlaub somit nach § 37 TVöD, wenn er nicht innerhalb von sechs Monaten nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses schriftlich geltend gemacht wird.
Die unionsrechtliche Vorgabe in der KHS-Entscheidung des EuGH, dass der Übertragungszeitraum deutlich länger sein müsse als der Bezugszeitraum, ist nicht auf den Urlaubsabgeltungsanspruch von dauerhaft erkrankten Arbeitnehmern übertragbar. Die Vorgabe gilt nur für den Urlaubsanspruch selbst, den dauerhaft erkrankte Arbeitnehmer im bestehenden Arbeitsverhältnis nicht in Anspruch nehmen können. Die Länge einer tariflichen Ausschlussfrist, nach der der Urlaubsabgeltungsanspruch als reiner Geldanspruch dem Verfall unterliegt, kann daher deutlich kürzer als zwölf Monate sein [BAG vom 13. Dezember 2011 - 9 AZR 399/10 - (Juris-Rz. 31)].
Ein Beschäftigter erkrankt am 15. November 2011. Die Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit besteht durchgehend und das Arbeitsverhältnis endet zum 31. August 2013 noch während der fortbestehenden Arbeitsunfähigkeit. Zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses bestehen noch folgende Urlaubsansprüche:
Ansprüche aus dem Kalenderjahr 2011
Etwaige noch offene Urlaubsansprüche aus dem Kalenderjahr 2011 sind bereits erloschen. Der gesetzliche Mindesturlaub aus dem Jahr 2011 verfällt in Anwendung der unionsrechts-konformen Grundsätze fünfzehn Monate nach dem Ende des Urlaubsjahres, demnach am 31 .März 2013. Der tarifliche Mehrurlaub aus dem Jahr 2011 verfällt unter Berücksichtigung der übertariflichen Übertragungsfrist bereits am 31. Dezember 2012.
Ansprüche aus dem Kalenderjahr 2012
30 Arbeitstage Gesamturlaubsanspruch. Die 20 Arbeitstage gesetzlicher Mindesturlaub verfallen in Anwendung der unionsrechtskonformen Grundsätze fünfzehn Monate nach dem Ende des Urlaubsjahres 2012, demnach am 31. März 2014. Die 10 Arbeitstage tariflicher Mehrurlaub aus dem Jahr 2011 verfallen unter Berücksichtigung der übertariflichen Übertragungsfrist bereits am 31. Dezember 2013.
Ansprüche aus dem Kalenderjahr 2013
20 Arbeitstage Teilurlaub gemäß § 26 Abs. 2 Buchst. b TVöD für die acht vollen Monate im Zeitraum vom 1. Januar bis 31. August 2013 (= 8/12 von 30 Arbeitstagen).
Der zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses noch bestehende Gesamturlaubsanspruch von insgesamt 50 Arbeitstagen (30 Arbeitstage Vollurlaub aus dem Jahr 2012 und 20 Arbeitstage Teilurlaub aus dem Jahr 2013) wandelt sich nach § 7 Abs. 4 BUrlG in einen Anspruch auf Urlaubsabgeltung um. Dieser entsteht mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses als reiner Geldanspruch und wird nach § 271 Abs. 1 BGB sofort fällig. Als Anspruch aus dem Arbeitsverhältnis unterliegt die Urlaubsabgeltung - wie andere Entgeltansprüche auch - der tariflichen Ausschlussfrist des § 37 TVöD. Sofern die schriftliche Geltendmachung erst nach Ablauf der sechsmonatigen tariflichen Ausschlussfrist am 28. Februar 2014 erfolgt, ist sie verspätet und der Urlaubsabgeltungsanspruch verfallen.
Es ist zudem davon auszugehen, dass die Urlaubsabgeltung nach Aufgabe der Surrogatstheorie als reiner Geldanspruch nunmehr der dreijährigen Verjährung nach § 195 BGB unterliegt, die wegen § 37 TVöD aber keine praktische Relevanz haben wird.