BAG, Urteil vom 20.5.2020, 7 AZR 72/19
Die Berechnung der Höchstbefristungsdauer nach dem WissZeitVG richtet sich nicht nach § 191 BGB, sondern nach § 2 Abs. 3 WissZeitVG, welcher eine eigenständige Anrechnungsbestimmung enthält.
Sachverhalt
Der Kläger war nach Abschluss seines Chemiestudiums in der Zeit vom 15.10.2004 bis zum 15.5.2017 beim beklagten Land mit einer Unterbrechung im Jahr 2013 auf der Grundlage von insgesamt 20 befristeten Arbeitsverträgen beschäftigt, zunächst als wissenschaftliche Hilfskraft, dann als wissenschaftlicher Mitarbeiter und zuletzt als akademischer Mitarbeiter an der Universität Potsdam. Während dieser Zeit – am 16.2.2010 – promovierte er. Am 31.5.2013 schloss der Kläger mit der U Gesellschaft mbH an der Universität Potsdam (U) befristet für die Zeit vom 1.6. bis zum 31.12.2013 einen Arbeitsvertrag als wissenschaftlicher Mitarbeiter für das Projekt P. Die U wurde u. a. von der Universität Potsdam gegründet, deren Zweck es war, flexibel auf die Bedürfnisse am Markt zu reagieren, die Kompetenzen der anwendungsorientierten Forschungsbereiche der Universität gezielt zu verwerten und enger mit der Wirtschaft zu verzahnen. Aufgrund des Arbeitsvertrags mit U schlossen die Parteien des Rechtsstreits im Juni 2013 einen Auflösungsvertrag, rückwirkend zum 31.5.2013. Seit dem 1.1.2014 war der Kläger wieder bei dem beklagten Land an der Universität Potsdam beschäftigt. Nach § 1 Abs. 1 Unterabs. 2 des letzten, für die Zeit vom 1.4.2016 bis zum 15.5.2017 befristeten Arbeitsvertrags vom 6.1.2016, beruht die Befristung auf § 2 Abs. 1 WissZeitVG.
Der Kläger klagte nun auf Feststellung der Unwirksamkeit der im Arbeitsvertrag vom 6.1.2016 vereinbarten Befristung. Er vertrat die Auffassung, dass die nach § 2 Abs. 1 WissZeitVG zulässige Höchstbefristungsdauer von 12 Jahren bereits aufgrund seiner Beschäftigung bei dem beklagten Land in der Zeit vom 15.10.2004 bis zum 31.5.2013 sowie vom 1.1.2014 bis zum 15.5.2017 überschritten worden sei; denn auch das Arbeitsverhältnis mit der U sei auf die Höchstbefristungsdauer anzurechnen, da er in dieser Zeit nicht von der U im Projekt P, sondern am Lehrstuhl der Universität Potsdam beschäftigt worden sei.
Die Entscheidung
Die Klage hatte vor dem LAG Erfolg. Allerdings hob das BAG diese Entscheidung wieder auf und wies die Sache an das LAG zurück, da nach seiner Auffassung mit der abgegebenen Begründung der Klage nicht hätte stattgegeben werden dürfen.
Das Gericht führte zunächst aus, dass das LAG rechtsfehlerfrei festgestellt habe, dass die Befristung zum 15.5.2017 nicht nach § 2 Abs. 1 Satz 2 WissZeitVG in der bis zum 16.3.2016 geltenden Fassung gerechtfertigt sei. Zwar sei der zeitliche und betriebliche Geltungsbereich des WissZeitVG in der damals geltenden Fassung eröffnet. Jedoch habe das LAG mit einer rechtsfehlerhaften Begründung entschieden, dass mit dem Arbeitsvertrag vom 6.1.2016 die zulässige Höchstbefristungsdauer nach § 2 Abs. 1 Satz 2 WissZeitVG überschritten worden sei.
Das BAG führte hierzu aus, dass nach § 2 Abs. 1 Satz 1 WissZeitVG die Befristung von Arbeitsverträgen mit wissenschaftlichem Personal an staatlichen Hochschulen, das nicht promoviert ist, bis zu einer Dauer von 6 Jahren zulässig sei. Nach abgeschlossener Promotion sei gem. § 2 Abs. 1 Satz 2 WissZeitVG eine Befristung bis zu einer Dauer von 6 Jahren, im Bereich der Medizin sogar bis zu einer Dauer von 9 Jahren zulässig (sog. Postdoc-Phase); zudem verlängere sich die zulässige Befristungsdauer in der Postdoc-Phase in dem Umfang, in dem Zeiten einer befristeten Beschäftigung und Promotionszeiten ohne Beschäftigung nach Satz 1 zusammen weniger als 6 Jahre betragen haben. Des Weiteren verlängere sich die nach den Sätzen 1 und 2 insgesamt zulässige Befristungsdauer nach § 2 Abs. 1 Satz 3 WissZeitVG bei Betreuung eines oder mehrerer Kinder unter 18 Jahren um 2 Jahre je Kind. Zuletzt seien auf die nach § 2 Abs. 1 WissZeitVG zulässige Befristungsdauer nach § 2 Abs. 3 Satz 1 WissZeitVG alle befristeten Arbeitsverhältnisse mit mehr als einem Viertel der regelmäßigen Arbeitszeit, die mit einer deutschen Hochschule oder einer Forschungseinrichtung i. S. v. § 5 WissZeitVG abgeschlossen worden waren, anzurechnen.
Im vorliegenden Fall hatte das LAG nach Ausführungen des BAG rechtsfehlerhaft angenommen, die Höchstbefristungsdauer von insgesamt 12 Jahren in der Promotionsphase und der Postdoc-Phase sei nach § 191 BGB in 4.380 Tage umzurechnen, sodass der Kläger in der Zeit vom 15.10.2004 bis zum 31.5.2013 und vom 1.1.2014 bis zum 15.5.2017 an 4.382 Tagen bei dem beklagten Land beschäftigt gewesen sei und somit die Höchstbefristungsdauer um 2 Tage überschritten wurde. Entgegen den Ausführungen des LAG sei nicht von einer Höchstbefristungsdauer von insgesamt 12 Jahren für die Promotions- und die Postdoc-Phase auszugehen, sondern maßgebend sei allein die zulässige Höchstbefristungsdauer für die Postdoc-Phase nach § 2 Abs. 1 Satz 2 WissZeitVG und nicht eine Addition der zulässigen Höchstbefristungsdauern für bei...