Achim Stapf, Christoph Tillmanns
Weitere Voraussetzung für das Eintreten des Kündigungsschutzes ist ein mehr als 6-monatiger Bestand des Arbeitsverhältnisses zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung.
Die Wartezeit nach § 1 Abs. 1 KSchG ist nicht zu verwechseln mit der Probezeit, auch wenn sie durchaus die Funktion einer Erprobung des Arbeitnehmers hat. Die Wartezeit betrifft die Frage, ob der Arbeitgeber für den Ausspruch einer ordentlichen Kündigung bereits einen nach dem KSchG erforderlichen Grund braucht. Sie ist gesetzlich geregelt und braucht nicht vereinbart zu werden. Demgegenüber betrifft die Probezeit nach § 622 Abs. 3 BGB im Regelfall nur die Frage der Dauer der Kündigungsfrist. Die Vereinbarung einer Probezeit führt zu einer kürzeren Kündigungsfrist bei einer Kündigung innerhalb der Probezeit. Mit der Frage, ob es eines Kündigungsgrundes bedarf, hat sie nichts zu tun.
Bei Geltung des TVöD gelten jedoch Besonderheiten. Die Länge der Kündigungsfrist ist unabhängig von der Vereinbarung einer Probezeit in § 34 TVöD geregelt. Die in § 2 Abs. 4 TVöD geregelte Probezeit ist jedoch bedeutsam für die Beteiligung des Personalrats, die bei einer Kündigung innerhalb der Probezeit anders abläuft (z. B. § 77 Abs. 3 LPVG BW). Für die Anhörung des Betriebsrats gelten keine Besonderheiten. Er ist auch bei einer Kündigung innerhalb der Probezeit nach § 102 BetrVG zu beteiligen.
Der Arbeitgeber kann sonach noch am letzten Tag der 6-Monats-Frist die Kündigung zustellen lassen, auch wenn die Kündigungsfrist erst mehrere Wochen danach endet. Der Schutz des KSchG greift nicht.
Unwirksame Kündigung in der Wartezeit
Innerhalb der Wartefrist darf der Arbeitgeber frei kündigen. Die Kündigung darf allerdings nicht willkürlich oder sittenwidrig oder diskriminierend (§§ 1, 7 AGG) sein.
Für ein Arbeitsverhältnis, das nicht dem KSchG unterliegt, weil die Wartezeit noch nicht abgelaufen ist oder weil der Betrieb nicht unter den betrieblichen Geltungsbereich nach § 23 Abs. 1 KSchG fällt, findet das AGG unmittelbar Anwendung. § 2 Abs. 4 AGG schließt das nicht aus. Ist eine Kündigung eine nicht gerechtfertigte Benachteiligung i. S. v. § 3 AGG, so ist sie nach § 7 Abs. 1 AGG unwirksam. Die Kündigung eines Arbeitnehmers wegen einer symptomlosen HIV-Infektion ist in der Wartezeit entgegen älterer Rechtsprechung nur dann zulässig, wenn der Arbeitgeber nicht durch geeignete und zumutbare Schutzmaßnahmen eine Übertragung des Virus verhindern kann. Ob und wann das der Fall ist, ist einzelfallabhängig,
Das Bundesarbeitsgericht sieht selbst in symptomlosen HIV-Infektionen eine Behinderung i. S. d. §§ 1, 7 AGG und begründet das mit dem weiten Behinderungsbegriff in § 2 SGB IX und in diesem Zusammenhang damit, dass das mit einer HIV-Infektion verbundene Vermeidungsverhalten der Umgebung des Infizierten und die damit verbundene immer noch vorhandene Stigmatisierung die Merkmale einer Behinderung – nämlich insbesondere die Einschränkung der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben – erfüllt. Auf eine Anerkennung als behinderter Mensch oder die Feststellung eines Grads der Behinderung kommt es nicht an.
Eine Wartezeitkündigung ist deshalb bereits dann unwirksam, weil sie gegen § 7 Abs. 1 AGG als eine Benachteiligung verstößt, wenn der Arbeitgeber die Beschäftigung des symptomlos HIV-infizierten Mitarbeiters nicht durch geeignete Schutzmaßnahmen ermöglichen kann. Im konkreten Fall ging es um einen Einsatz des Mitarbeiters in der Produktion von Medikamenten zur Behandlung von Krebserkrankungen in einem Reinraum. Die Arbeitgeberin hatte die Leitlinien der EU-Kommission, die als Anlage 2 zur Bekanntmachung des Bundesministeriums für Gesundheit zu § 2 Nr. 3 Arzneimittel- und Wirkstoffherstellungsverordnung – AMWHV veröffentlicht sind, zu beachten. In Ziff. 2.15 des Leitfadens heißt es: "Es sollten Vorkehrungen getroffen werden, die, soweit es praktisch möglich ist, sicherstellen, dass in der Arzneimittelherstellung niemand beschäftigt wird, der an einer ansteckenden Krankheit leidet oder offene Verletzungen an unbedeckten Körperstellen aufweist." Das BAG ließ das als Grund für die Nichtbeschäftigung im Reinraumbereich nicht ausreichen und verlangte von der Arbeitgeberin unter Berufung auf die UN-Behindertenrechtskonvention, dass sie ihr mögliche angemessene Schutzmaßnahmen ergreife, die eine Kontamination des Medikaments sicher ausschließen. Ob es solche Maßnahmen überhaupt gibt, war in dem Rechtsstreit nicht ausreichend aufgeklärt.
Zur Frage, was für die Arbeitgeberin zumutbare Maßnahmen sind, hat das Bundesarbeitsgericht ausgeführt, dass es sich um "wirksame und praktikable, die Beklagte nicht unverhältnismäßig belastende Maßnahmen" handeln muss. Hinsichtlich der Zumutbarkeit der Kosten ggf. zu veranlassenden Maßnahmen kommt es neben der Finanzkraft der Arbeitgeberin und der Frage, ob sie öffentliche Mittel in Anspruch hätte nehmen können, darauf an, dass der Arbeitnehmer erst kurz bei der Beklagten beschäftigt war und diese für seine Behinderung nicht verantwortlich ist. Das A...