Entscheidungsstichwort (Thema)
Wartefrist für allgemeinen Bestandsschutz
Leitsatz (amtlich)
1. Die sechsmonatige Wartezeit, § 1 Abs. 1 KSchG, setzt sich auch dann ununterbrochen fort, wenn das ursprünglich begründete Arbeitsverhältnis rechtlich beendet wird, sich daran aber ohne zeitliche Unterbrechung ein weiteres (auch befristetes) Arbeitsverhältnis mit demselben Arbeitgeber anschließt.
2. Für die Berechnung der Wartefrist kommt es nicht darauf an, ob der Arbeitnehmer im Vorarbeitsverhältnis eine andersartige Tätigkeit ausgeübt hat.
Normenkette
KSchG § 1 Abs. 1, § 23 Abs. 1; BAT § 5; BezirksverwaltungsG für das Land Berlin § 2 Abs. 1, § 36 Abs. 2; Allgemeines ZuständigkeitsG (Berlin) § 25 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Urteil vom 11.10.1990; Aktenzeichen 20 Ca 52/90) |
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 11.10.1990 – 20 Ca 52/90 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Tatbestand
Die 1947 geborene verheiratete Klägerin war seit dem 9. Juni 1980 beim Bezirksamt … von Berlin, Abteilung Jugend und Sport, als Reinigungskraft in einer Kindertagesstätte tätig. Auf ihr damaliges Arbeitsverhältnis als Arbeiterin fand der Bundesmanteltarifvertrag für Arbeiter gemeindlicher Verwaltungen und Betriebe (BMT-G II) Anwendung. Mit Wirkung vom 1. Februar 1990 schloß die Klägerin mit der Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales am 17. Januar 1990 einen schriftlichen Arbeitsvertrag als Verwaltungsangestellte in der … zur zeitweiligen Aushilfe bis zum 31. Dezember 1994 ab. Im Arbeitsvertrag heißt es u.a., daß der Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) unter Berücksichtigung der jeweils in Frage kommenden Sonderregelungen mit allen künftigen Änderungen und Ergänzungen Anwendung findet. Die Klägerin ist als Angestellte in die Vergütungsgruppe VIII der Anlage 1 a zum BAT eingruppiert und erhält derzeit eine monatliche Bruttovergütung in Höhe von 2.600,– DM.
Nach einem am 14. Februar 1990 erlittenen Arbeitsunfall war die Klägerin mindestens bis zum 30. August 1990 arbeitsunfähig krank. Hit Schreiben vom 10. April 1990, der Klägerin zugegangen am 12. April 1990, kündigte der Beklagte den Arbeitsvertrag zum 30. April 1990, nachdem der Personalrat der Entlassung zugestimmt hatte.
Mit der beim Arbeitsgericht Berlin am 27. April 1990 eingegangenen und dem Beklagten am 9. Mai 1990 zugestellten Klage hat sich die Klägerin gegen die vom Beklagten ausgesprochene Kündigung gewandt und die Auffassung vertreten, daß die Kündigung des Beklagten allein schon deshalb rechtsunwirksam sei, weil das Kündigungsschreiben keine Kündigungsgründe enthalte und sie, die Klägerin, wegen angeblicher Eignungs- oder Leistungsmängel vorher auch nicht abgemahnt worden sei.
Die Klägerin hat beantragt,
festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung des Beklagten vom 10. April 1990 nicht aufgelöst worden ist.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat sich auf den Standpunkt gestellt, daß die Klägerin noch keinen Kündigungsschutz genieße, weil sie die Wartezeit von sechs Monaten noch nicht erfüllt habe. Die Beschäftigung beim Bezirksamt … könne nicht angerechnet werden, weil die Klägerin dort als Arbeiterin in einem rechtlich voneinander völlig unabhängigen Arbeitsverhältnis beschäftigt worden sei. Innerhalb der Probezeit gemäß § 5 BAT könne aber die Klägerin ohne besondere Begründung gekündigt werden. Darüber hinaus hat der Beklagte geltend gemacht, daß die Klägerin nach einem vertrauensärztlichen Gutachten nicht in der Lage sei, eine sitzende Tätigkeit auszuüben. Dem Personalrat seien diese Gründe nicht mitgeteilt worden, sondern nur der Umstand, daß innerhalb der Probezeit gekündigt werde.
Im Termin vor dem Arbeitsgericht am 28. Mai 1990 hat der Beklagte erklärt, daß aufgrund seiner Kündigung das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin erst mit dem 30. September 1990 ende. Die Kündigungsfrist sei unzutreffend berechnet worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien im erstinstanzlichen Verfahren wird auf den Inhalt der zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen, §§ 313 Abs. 2, 543 Abs. 2 Satz 2 ZPO.
Durch am 11. Oktober 1990 verkündetes Urteil hat die Kammer 20 des Arbeitsgerichts Berlin dem Feststellungsbegehren der Klägerin entsprochen und den Wert des Streitgegenstandes auf 7.800,– DM festgesetzt. Wegen der Begründung im einzelnen wird auf den Inhalt der erstinstanzlichen Entscheidung verwiesen.
Gegen das seinen Prozeßbevollmächtigten am 26. März 1991 zugestellte Urteil richtet sich die beim Landesarbeitsgericht Berlin am 25. April 1991 eingegangene Berufung des Beklagten, die er mit weiteren beim Rechtsmittelgericht am 24. Mai 1991 eingegangenem Schriftsatz begründet hat.
Er steht auch weiterhin auf dem Standpunkt, daß auf das Arbeitsverhältnis der Klägerin das Kündigungsschutzgesetz noch keine Anwendung finde. Die vorherige Tätigkeit der Klägerin im Bereich des Bezirksamtes … bis zum 31. Januar 1990 sei bei der Erfüllung der Warte...