Entscheidungsstichwort (Thema)

Kündigung in der Wartezeit. Betriebsanhörung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Vereinbarung einer Probezeit steht in der Regel der Annahme eines einzelvertraglichen Ausschlusses der Wartezeit des § 1 I KSchG auch dann entgegen, wenn der Arbeitgeber eine „sichere Anstellung” ankündigt,

2. Zu dem auf das Willkürverbot gestützten Unwirksamkeitsgrund nach § 242 BGB. Es gelten dazu die Grundsätze zur abgestuften Darlegungs- und Beweislast.

3. Die Anhörung des Betriebsrats zu einer Kündigung in der Probezeit ist auch dann ordnungsgemäß, wenn der Arbeitgeber allein auf seine Bewertung der Leistungen des Arbeitnehmers hinweist, ohne dies mit Tatsachen zu belegen.

Der Arbeitnehmer muss aufzeigen, dass der Arbeitgeber bestimmte Tatsachen, die seinem Kündigungsentschluss zugrunde gelegen haben, dem Betriebsrat vorenthalten hat.

Zu den Voraussetzungen einer vorsätzlichen Falschinformation des Betriebsrats durch den Arbeitgeber.

 

Normenkette

KSchG § 1; BGB §§ 138, 242; BetrVG § 102

 

Verfahrensgang

ArbG Berlin (Urteil vom 09.01.2002; Aktenzeichen 43 Ca 29691/01)

 

Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 9. Januar 2002 – 43 Ca 29691/01 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

II. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Rechtswirksamkeit einer dem Kläger erklärten ordentlichen Kündigung und über den vom Kläger zugleich geltend gemachten Weiterbeschäftigungsanspruch.

Der am 3. September 1965 geborene Kläger, der bei der Beklagten in der Zeit vom 1. Januar 1990 bis zum 31. August 1991 als Patissier beschäftigt gewesen war, trat auf der Grundlage des Arbeitsvertrages vom 3. September 2001 an diesem Tag als stellvertretender Chefpatissier erneut in die Dienste der Beklagten. Der Kläger hatte sich auf eine entsprechende Stellenanzeige der Beklagten beworben, was zu einem Bewerbungsgespräch vom 30. April 2001 führte. Zur Zeit dieses Gesprächs befand sich der Kläger noch in einem anderweitigen Arbeitsverhältnis; die Einzelheiten zum Inhalt des Bewerbungsgesprächs sind zwischen den Parteien streitig.

Mit Schreiben vom 19. Oktober 2001 hörte die Beklagte den Betriebsrat zur beabsichtigten ordentlichen Kündigung des Klägers innerhalb der vereinbarten Probezeit an und kündigte sodann ihm mit Schreiben vom 23. Oktober 2001 zum 6. November 2001.

Gegen diese Kündigung hat sich der Kläger mit der Begründung gewandt, die Kündigung sei sittenwidrig und ungeachtet der nicht abgelaufenen Wartezeit des Kündigungsschutzgesetzes nach Treu und Glauben wegen damit verbundener Willkür der Beklagten sowie wegen nicht ordnungsgemäßer Anhörung des Betriebsrats rechtsunwirksam. Sein unmittelbarer Vorgesetzter habe ihn für seine hohe Einsatzbereitschaft und hohe Arbeitsleistung durchgehend belobigt.

Die Beklagte hat zur Rechtfertigung der Kündigung auf einen vom Abteilungsleiter und Küchenchef sowie vom Personalleiter unterzeichneten Beurteilungsbogen vom 17. Oktober 2001 verwiesen, den sie nach ihrem Vortrag auch zum Gegenstand der Anhörung des Betriebsrats gemacht hat.

Von der weiteren Darstellung des Tatbestandes erster Instanz wird unter Bezugnahme auf § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen.

Durch ein am 9. Januar 2002 verkündetes Urteil hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Die Beklagte habe weder den Betriebsrat fehlerhaft beteiligt noch sei die Kündigung wegen Sittenwidrigkeit rechtsunwirksam. Die Beklagte, die den Kläger gerade nicht abgeworben habe, habe ihm keineswegs aus verwerflichen Motiven heraus gekündigt. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Gegen das dem Kläger am 8. Februar 2002 zugestellte Urteil richtet sich seine beim Landesarbeitsgericht am 8. März 2002 eingegangene Berufung, die er am 8. April 2002 begründet hat.

Die Kündigung verstoße gegen das Willkürverbot gemäß § 242 BGB und sei auch wegen fehlerhafter Anhörung des Betriebsrats rechtsunwirksam. Das Arbeitsgericht habe nicht genügend die Besonderheiten des Streitfalls gewürdigt. In dem Einstellungsgespräch habe er erklärt, dass er noch in einem nicht beendeten Arbeitsverhältnis stehe, eine höhere Vergütung aufgeben würde, weil er hoffe, eine dauerhafte Anstellung bei der Beklagten zu finden, und er im Rahmen der Hotelkette auch im Ausland arbeiten möchte. Im Hinblick auf seine von der Beklagten im vorangegangenen Arbeitsverhältnis überwiegend positiv bewerteten Leistungen und auf die vom Abteilungsleiter H. zugesagte sichere Anstellung habe er der im Arbeitsvertrag geregelten Probezeit, die gar nicht ausdrücklich Gegenstand des Einstellungsgesprächs gewesen sei, keine besondere Bedeutung beigemessen und auf eine dauerhafte Beschäftigung bei der Beklagten vertraut.

Die von der Beklagten vorgelegte Leistungsbeurteilung sei unrichtig und völlig willkürlich. Die Verfasser hätten seine Leistungen gar nicht aus eigener Anschauung beurteilen können; sein unmittelbarer Vorgesetzter habe ihn ständig belobigt. Die im Anhörungsschreiben ...

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