Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsratsanhörung, Probezeitkündigung
Leitsatz (amtlich)
Bei einer Kündigung in den ersten 6 Monaten des Bestehens des Arbeitsverhältnisses ist bez. der Anforderungen an die arbeitgeberseitigen Mitteilungspflichten im Rahmen der Betriebsratsanhörung nach § 102 BetrVG zu unterscheiden:
1. Handelt es sich um eine Kündigung, die durch ein bestimmtes Ereignis oder eine Summe von Vorkommnissen veranlasst ist und sich als arbeitgeberseitige Reaktion auf einen vorausgegangenen Kündigungssachverhalt darstellt, genügt der Arbeitgeber seiner Mitteilungspflicht nur dann, wenn er dem Betriebsrat die kündigungsrelevanten Tatsachen hinreichend konkretisiert mitteilt.
2. Handelt es sich um eine Kündigung, die vor Eintritt des Kündigungsschutzes (§ 1 Abs. 1 KSchG; §§ 15,20 Abs. 1 Nr. 1 SchwbG) zur Vermeidung einer „Festanstellung” wegen arbeitgeberseits verneinter Eignung bzw. Bewährung des Arbeitnehmers ausgesprochen wird, dann genügt der Arbeitgeber in der Regel seinen Mitteilungspflichten auch dann, wenn er dem Betriebsrat nur seine Einschätzung bez. der Eigung bzw. nur seine Beurteilung bez. der Bewährung des Arbeitnehmers mitteilt, ohne all diejenigen Tatsachen anzugeben, auf die sich sein Urteil ggfs. gründet, solange derartige Tatsachen nur ein Teilaspekt einer aus objektiven wie subjektiven Faktoren gleichermaßen zusammengesetzten Meinungsbildung sind (Abweichung bzw. Einschränkung zu BAG v. 18.05.94, AP Nr. 64 zu § 102 BetrVG 1972; BAG v. 22.09.94, AP Nr. 68 zu § 102 BetrVG 1972; BAG v. 03.12.98, AP Nr. 99 zu § 102 BetrVG 1972).
Normenkette
BetrVG § 102
Verfahrensgang
ArbG Mönchengladbach (Entscheidung vom 30.08.2001; Aktenzeichen 4 Ca 2425/01) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Mönchengladbach vom 30.08.2001 – 4 Ca 2425/01 – abgeändert:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung innerhalb der ersten sechs Monate des Arbeitsverhältnisses.
Die schwerbehinderte Klägerin wurde zum 01.01.2001 bei der Beklagten als Sekretärin mit einem Bruttomonatsgehalt von 4.800,– DM eingestellt. Im Arbeitsvertrag war eine Probezeit von sechs Monaten vereinbart worden.
Am 27.06.2001 übergab der Geschäftsführer der Beklagten einem Mitglied des Betriebsrats, Frau W., folgendes Schreiben (Bl. 38 d.A.):
„Herrn
Betriebsratsvorsitzenden S.
im Hause
§ 99 Betriebsverfassungsgesetz
Es ist folgende Maßnahme beabsichtigt:
Kündigung A. R. |
|
Nach Vergütungsgruppe-/Lohngruppe |
___________________________________________________ |
zum:31.07.2001 |
(Kündigungsschreiben wird noch vor Ablauf Probezeit ausgehändigt). |
Bemerkung: Das Leistungsbild der Frau R. entspricht nicht den Erwartungen und wird u.E. auch zukünftig nicht erfüllt.”
Im unteren, für den Betriebsrat vorgesehen Teil des Schreibens ist als Datum der 27.06.2001 eingetragen. Weiter heißt es dort: „Der Betriebsrat stimmt der beabsichtigten Maßnahme zu.” Das Unterschriftsfeld ist mit „i.A. W.” ausgefüllt.
Am 28.06.2001 wurde der Klägerin die schriftliche Kündigung vom selben Tage zum 31.07.2001 ausgehändigt.
Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, dass die Kündigung treuwidrig sei, da sie in unmittelbarer Nähe zu einer Anfrage bei der für alle Personalfragen zuständigen Frau W. nach einer Gehaltserhöhung erfolgt sei. Bei Übergabe der Kündigung habe der Geschäftsführer der Beklagten lediglich zögerlich zu verstehen gegeben, dass er sie als ichbezogen einstufe und dass man sich über sie beschwert habe. Auch sei der Betriebsrat nicht ordnungsgemäß angehört worden. In einem Telefonat mit dem Betriebsratsvorsitzenden S. am 02.07.2001 habe sie von diesem erfahren, dass der Betriebsrat nicht zu ihrer ordentlichen Kündigung angehört worden sei. Sofern tatsächlich eine Zustimmung durch Frau W. erfolgt sein sollte, handele es sich um eine offensichtliche ad hoc-Zustimmung eines Betriebsratsmitgliedes, die für die Beklagte offensichtlich ohne Beschlussfassung durch den Betriebsrat und ohne Rücksprache mit dem Betriebsratsvorsitzenden erfolgt sei.
Die Klägerin hat beantragt
festzustellen, dass ihr Arbeitsverhältnis durch die schriftliche Kündigung der Beklagten vom 28.06.2001, zugegangen am 28.06.2001, zum 31.07.2001 nicht aufgelöst worden ist.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat sich auf ein Schreiben des Betriebsrats vom 27.08.2001 berufen, nach dem dieser von der Geschäftsführung der Beklagten nach § 99 Abs. 2 des Betriebsverfassungsgesetzes ordnungsgemäß am 27.06.2001 von der Kündigung schriftlich informiert worden sei. Dieser Kündigung sei nach entsprechender Beratung am gleichen Tage schriftlich durch Frau W. zugestimmt worden. Der Betriebsrat habe vereinbart, dass Frau A. W. für die Geschäftsführung die Ansprechpartnerin und für die weitere schriftliche Unterrichtung, nach Abstimmung mit den anderen Betriebsratsmitgliedern, an die Geschäftsführung berechtigt sei.
Vom Gespr...