Entscheidungsstichwort (Thema)
Anordnung des persönlichen Erscheines zum Gerichtstermin. Persönlicher Grund der Verhinderung bei Arbeitspflicht
Leitsatz (amtlich)
Es stellt einen in der Person des Arbeitnehmers liegenden Grund im Sinne des § 616 Satz 1 BGB dar, wenn ein Gericht in einem den Arbeitnehmer selbst betreffendes Verfahren dessen persönliches Erscheinen angeordnet hat.
Normenkette
BGB § 616 S. 1, § 141 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
ArbG Hagen (Westfalen) (Urteil vom 01.04.2009; Aktenzeichen 3 Ca 2461/08) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Beklagten vom 13.05.2009 gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hagen vom 01.04.2009 – 3 Ca 2461/08 – wird kostenpflichtig zurück gewiesen.
Die Revision wird für die Beklagte zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über der Klägerin zu erteilende Gutschriften auf deren Arbeits-Gleitzeitkonto.
Bei der Beklagten handelt es sich um ein Unternehmen der Metallindustrie, in deren Betrieb in G1 Schrauben und Muttern hergestellt werden. Sie beschäftigt dort etwa 60 Mitarbeiter. Auf der Grundlage eines schriftlichen Anstellungsvertrages vom 29.06.2000 ist die am 01.02.1967 geborene Klägerin seit dem 01.08.2000 als kaufmännische Angestellte im Vertrieb zu einem monatlichen Bruttoverdienst von derzeit ca. 2.300,– Euro bei der Beklagten beschäftigt. Sie ist Mitglied des im Betrieb der Beklagten gewählten dreiköpfigen Betriebsrats.
Im Betrieb der Beklagten wird die Arbeitszeit der Mitarbeiter mit einem Zeiterfassungsgerät registriert. Die Klägerin „stempelt” sich bei der Arbeitsaufnahme „ein” und bei Arbeitsende „aus”. In den Erläuterungen und Bedienungshinweisen zum Zeiterfassungssystem ist unter Ziffer 2.2 geregelt, dass die Netto-Arbeitszeit erfasst wird, d. h. das Zeiterfassungsgerät ist mit der persönlichen Stempelkarte unmittelbar vor Erreichen oder nach Verlassen des Arbeitsplatzes zu betätigen. Ziffer 3.2 erläutert, dass für eine Arbeitsunterbrechung wie Arztbesuch, Besorgungen etc. eine Dienstgang-Funktion besteht. Dafür muss jeweils vorher eine gelbe Taste gedrückt werden. Über die Arbeitszeit der Klägerin wird im Betrieb der Beklagten ein Arbeitszeit-Gleitzeitkonto geführt, auf dem die zu vergütende Arbeitszeit erfasst wird.
Die Klägerin nahm in der Vergangenheit während der regulären Arbeitszeit folgende Gerichtstermine wahr, zu denen von Gerichtsseite aus jeweils ihr persönliches Erscheinen angeordnet war und für deren Wahrnehmung sie jeweils ihre Arbeitsleistung bei der Beklagten in der Weise unterbrach, dass sie sich zur Wahrnehmung der Gerichtstermine jeweils bei der Zeiterfassung „ausstempelte” und nach Wahrnehmung der Gerichtstermine zur Arbeitsaufnahme dort später wieder „einstempelte”:
- am 12.09.08 in dem Verfahren 18 SaGa 42/08 vor dem LAG Hamm;
- am 14.10.08 in dem Verfahren 4 Ca 1800/08 vor dem Arbeitsgericht Hagen,
- am 24.10.08 und 13.01.09 in dem Verfahren 5 BV 202/08 vor dem Arbeitsgericht Hagen.
Die Beklagte nahm aufgrund der jeweiligen Unterbrechungen der Arbeitszeit durch die Klägerin wegen Wahrnehmung der Gerichtstermine folgende Abzüge von deren Arbeitszeit-Gleitzeitkonto vor: für den 12.09.08 3 Stunden, für den 14.10.08 1 Stunde und 5 Minuten, für den 24.10.08 1 Stunde und 10 Minuten sowie für den 13.01.09 1 Stunde und 15 Minuten.
Am 26.01.09 gab es im Betrieb der Beklagten eine betriebsweite PC-Störung. Trotz des Hinweises der Klägerin, sie könne weiterarbeiten und PC-unabhängige Arbeiten erledigen, wurde sie an diesem Tag von ihrer Vorgesetzten vorzeitig vor Arbeitsende nach Hause geschickt. Sie verließ aufgrund dieser Anweisung um 14:56 Uhr den Betrieb. Die Beklagte nahm aufgrund des vorzeitigen Verlassens des Betriebes einen Abzug von 1 Stunde und 5 Minuten von dem Arbeitszeit-Gleitzeitkonto der Klägerin vor.
Mit ihrer am 01.12.2008 erhobenen und durch Schriftsatz vom 10.03.2009 erweiterten Klage hat die Klägerin vor dem Arbeitsgericht Hagen die Gutschrift dieser Abzüge auf ihrem Arbeitszeit-Gleitzeitkonto verlangt.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, bei den abgezogenen Zeiten habe es sich um zu vergütende Arbeitszeiten gehandelt, was sich aus § 616 BGB ergebe.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, dem Arbeitszeit-Gleitzeitkonto der Klägerin ein weiteres Guthaben von 7 Stunden und 35 Minuten zugunsten der Klägerin gutzuschreiben.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Auffassung vertreten, die geltend gemachten Ansprüche könnten der Klägerin auch deshalb nicht zustehen, weil das persönliche Erscheinen der Klägerin teilweise angeordnet worden sei in Rechtsstreiten, die erkennbar erfolglos und mutwillig gewesen seien.
Das Arbeitsgericht hat der Klage mit Urteil vom 01.04.2009 in vollem Umfange stattgegeben und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, ein Anspruch auf Gutschrift ergebe sich für ein Guthaben von sechs Stunden und 30 Minuten auf das Arbeitszeit-Gleitzeitkonto der Klägerin aus dem Arbeitsvertrag in Verbind...