Entscheidungsstichwort (Thema)
Angemessene Vergütung im Ausbildungsverhältnis
Leitsatz (redaktionell)
1. Eine Ausbildungsvergütung hat regelmäßig drei Funktionen: Sie soll zum einen den Auszubildenden und seine unterhaltsverpflichteten Eltern bei der Lebenshaltung finanziell unterstützen, zum anderen die Heranbildung eines ausreichenden Nachwuchses an qualifizierten Arbeitskräften und Fachkräften gewährleisten und im Übrigen die Leistungen des Auszubildenden in gewissem Umfang „entlohnen”.
2. Die Bestimmung des § 17 Abs. 1 S. 1 BBiG enthält lediglich eine Rahmenvorschrift für den Maßstab der Angemessenheit einer Ausbildungsvergütung. Grundsätzlich ist es Sache der Vertragsparteien, die Höhe der Vergütung festzulegen. Dabei ist ihnen ein Spielraum einzuräumen. Eine richterliche Überprüfung erstreckt sich lediglich darauf, ob die vereinbarte Vergütung die Mindesthöhe erreicht, die noch als angemessen anzusehen ist. Eine Angemessenheit wird dabei unter Abwägung der Interessen beider Vertragsparteien unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls festgestellt. Sachgerecht ist es dabei, auch für nichttarifgebundene Parteien primär auf Tarifverträge abzustellen, die im Fall der Tarifbindung maßgeblich sind.
3. Die Darlegungs- und Beweislast für eine Unangemessenheit der Ausbildungsvergütung trägt dabei grundsätzlich der Auszubildende.
Normenkette
BBiG § 17 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
ArbG Gelsenkirchen (Urteil vom 04.05.2010; Aktenzeichen 5 Ca 1446/09) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Gelsenkirchen vom 04.05.2010 – AZ.: 5 Ca 1446/09 – wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Höhe einer angemessenen Ausbildungsvergütung aus einem zwischenzeitlich beendeten Berufsausbildungsverhältnis.
Der Kläger war in der Zeit vom 15.08.2006 bis zum 31.07.2009 aufgrund eines schriftlichen Berufsausbildungsvertrages zum Ausbildungsberuf „Gestalter für visuelles Marketing” tätig.
Nach dem Berufungsausbildungsvertrag betrug die Ausbildungsvergütung im 1. Ausbildungsjahr 307,00 EUR brutto, im 2. Ausbildungsjahr 348,00 EUR brutto und im 3. Ausbildungsjahr 417,00 EUR brutto.
Die Beklagte ist zu mehr als 90 % ihrer Tätigkeit damit befasst, konventionelle Messestände aus Holz und Kunststoff zu errichten, gleichermaßen Laden- und Büroeinrichtungen.
Sie beschäftigt regelmäßig einschließlich der Auszubildenden 27 Arbeitnehmer, wovon 20 ausgebildete Schreiner sind.
Die Beklagte ist nicht tarifgebunden.
Mit Schreiben vom 26.05.2009 kündigte die Beklagte das Berufsausbildungsverhältnis fristlos.
In einer Schlichtungsverhandlung vom 20.08.2009 vor dem Schlichtungsausschuss zur Beilegung von Ausbildungsstreitigkeiten bei der Industrie- und Handelskammer Nordrhein-Westfalen schlossen die Parteien einen Vergleich dahingehend, dass die fristlose Kündigung gegenstandslos sein sollte. Ferner verpflichtete sich die Beklagte, Materialkosten zu erstatten und ein qualifiziertes Ausbildungszeugnis zu erstellen. Über die gleichfalls geltend gemachte Forderung einer angemessenen Ausbildungsvergütung wurde kein Spruch getroffen.
Mit der unter dem 16.09.2009 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klageerweiterung begehrt der Kläger die Zahlung einer angemessenen Ausbildungsvergütung für die Dauer des Berufsausbildungsverhältnisses in Höhe von 11.268,00 EUR brutto, nachdem er sich mit der unter dem 28.05.2009 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage ursprünglich gegen die Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 26.09.2009 im Wesentlichen gewendet hatte.
Er hat die Auffassung vertreten, die gezahlte Vergütung sei nicht als angemessen zu betrachten.
Er habe zum einen in seiner Berufsschulklasse erfahren, dass die weiteren Auszubildenden in anderen Betrieben regelmäßig mehr als das doppelte verdient hätten, teilweise sogar das dreifache.
Nach den Berufsinformationen der Arbeitsagentur sei im Übrigen eine Vergütung im 1. Ausbildungsjahr in Höhe von 591,00 EUR, im 2. Ausbildungsjahr von 661,00 EUR und im 3. Ausbildungsjahr in Höhe von 759,00 EUR üblich.
Selbst wenn man nur die laut Arbeitsagentur üblichen Vergütungen zugrundelege, ergäbe sich eine restliche Forderung in Höhe von 11.268,00 EUR brutto.
Dabei sei, so hat der Kläger des Weiteren die Auffassung vertreten, nicht nur im Hinblick auf die in anderen Betrieben gezahlte Ausbildungsvergütung diese nicht angemessen, sondern auch im Hinblick auf die von ihm in der Vergangenheit während der Ausbildung erbrachten Arbeitsleistungen. Er sei nämlich nicht ausgebildet, sondern als Arbeitskraft ausgenutzt worden. Er habe Ganztagsarbeiten erbracht, wie sie von einem Monteur in Vollzeit erbracht worden seien.
Die Ausbildungsvergütungen aus einem für das Tischlerhandwerk NRW maßgeblichen Tarifvertrag seien im Übrigen nicht zugrundezulegen, da die Beklagte ein reines Messebauunternehmen und daher kein Tischlerunternehmen sei. Er ha...