Entscheidungsstichwort (Thema)
Kündigungsschutzgesetz. Wartezeit. Verzicht
Leitsatz (amtlich)
Wird ein Arbeitnehmer auf besonderen Wunsch eines Kunden des Arbeitgebers eingestellt und verzichten die Arbeitsvertragsparteien ausdrücklich auf die Vereinbarung einer Probezeit, weil der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber auch aufgrund einer früheren Beschäftigung bekannt ist, so kann darin eine stillschweigende Übereinstimmung liegen, dass der Arbeitnehmer auch in den ersten 6 Monaten nur aus solchen Gründen gekündigt werden darf, die im Sinne von § 1 KSchG anzuerkennen sind.
Normenkette
KSchG § 1 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Bonn (Beschluss vom 19.10.2006; Aktenzeichen 4 Ca 2029/06) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Bonn vom 19. Oktober 2006 – 4 Ca 2029/006 – aufgehoben.
Das Verfahren wird zur erneuten Entscheidung über das Gesuch auf Gewährung von Prozesskostenhilfe an das Arbeitsgericht Bonn zurückverwiesen.
Tatbestand
I. Die Parteien haben darüber gestritten, ob das zwischen ihnen mit Wirkung zum 1. Januar 2006 begründete Arbeitsverhältnis durch eine am 27. Juni 2006 der Klägerin zugegangene ordentliche Kündigung der Beklagten zum 11. Juli 2006 aufgelöst worden ist und ob die Beklagte zur Weiterbeschäftigung der Klägerin bereits vor rechtskräftiger Entscheidung des Kündigungsrechtsstreits verpflichtet ist.
Die Klägerin hat geltend gemacht, die Kündigung sei sozial ungerechtfertigt und deshalb nach § 1 Abs. 1 KSchG unwirksam gewesen. Auf das Arbeitsverhältnis habe das Kündigungsschutzgesetz Anwendung gefunden. Die Beklagte habe die nach § 23 Abs. 1 KSchG erforderliche Anzahl von Arbeitnehmern beschäftigt. Die gesetzliche Wartezeit von sechs Monaten nach § 1 Abs. 1 KSchG hätten die Parteien stillschweigend ausgeschlossen. Dies ergebe sich aus folgenden Umständen: Ab November 1999 sei sie als Service-Mitarbeiterin bei der Beklagten angestellt gewesen und bei einem Kunden, dem D H, in B eingesetzt worden, u. a. in der zum Sicherheitsbereich gehörenden Kartenlogistik (Erstellung von Hausausweisen). Nachdem die Kartenlogistik für diesen Kunden im April 2004 von einer Firma C in R übernommen worden sei, sei sie von der neuen Auftragnehmerin mit derselben Tätigkeit weiterbeschäftigt worden. Die Firma C habe damals mit ihr ein unbefristetes Arbeitsverhältnis ohne Probezeit vereinbart. Als die Beklagte für die Zeit ab Januar 2006 erneut die Kartenlogistik für den D H übernommen habe, habe der Kunde der Klägerin erklärt, er habe sich mit der Beklagten verständigt, dass sie als erfahrene Mitarbeiterin weiterhin bei ihm eingesetzt werde. Obwohl sie von der Firma C mit anderen Aufgaben hätte weiterbeschäftigt werden können, habe sie dem Wechsel zu der Beklagten zugestimmt. Nachdem sie gegenüber der Beklagten klargestellt habe, dass ein Wechsel nur in Frage komme, wenn ein unbefristetes Arbeitsverhältnis ohne Probezeit vereinbart werde, sei ein entsprechender Arbeitsvertrag geschlossen worden.
Nachdem sie anderweitig eine Beschäftigung gefunden hatte, hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 22. September 2006 das Verfahren in der Hauptsache für erledigt erklärt.
Durch Beschluss vom 19. Oktober 2006 hat das Arbeitsgericht Bonn den bereits vor der Erledigungserklärung gestellten Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zurückgewiesen mit der Begründung, die Klage habe keine hinreichende Aussicht auf Erfolg gehabt. Die Klägerin habe nicht dargelegt, dass die gesetzliche Wartezeit nach § 1 Abs. 1 KSchG von den Parteien abbedungen worden sei.
Gegen den am 25. Oktober 2006 zugestellten Beschluss hat die Klägerin am 27. November 2006 (Montag) sofortige Beschwerde eingelegt mit der Begründung, aus ihrem Vorbringe ergebe sich, dass die Parteien bei Begründung des Arbeitsverhältnisses den Ausschluss der gesetzlichen Wartezeit vereinbart hätten.
Das Arbeitsgericht Bonn hat es mit Beschluss vom 30. November 2006 abgelehnt, der sofortigen Beschwerde abzuhelfen. Es ist bei seiner Ansicht geblieben, der Kläger habe nicht dargelegt, dass die gesetzliche Wartezeit abbedungen worden sei. Zudem sei die Beschwerde verspätet eingelegt worden.
Entscheidungsgründe
II. Die nach §§ 78 S. 1 ArbGG, 127 Abs. 2, 569 ZPO statthafte und zulässige, insbesondere fristgerecht eingelegte Beschwerde ist begründet.
Zu Unrecht hat das Arbeitsgericht Bonn das Prozesskostenhilfegesuch mit der Begründung abgewiesen, es fehle die nach § 114 ZPO erforderliche hinreichende Erfolgsaussicht für die Kündigungsschutz- und die Weiterbeschäftigungsklage.
1. Die Kündigungsschutzklage bot hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 114 ZPO).
a. Eine hinreichende Erfolgsaussicht für die Rechtsverfolgung liegt vor, wenn der vom Kläger vertretene Rechtsstandpunkt zumindest vertretbar erscheint und in tatsächlicher Hinsicht die Möglichkeit einer Beweisführung besteht (vgl. BAG, Beschluss vom 26. Januar 2006 – 9 AZA 11/05 –, NZA 2006, S. 1180 ff.).
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gebietet Art. 3 Abs. 1 i.V.m. dem in Art. 20 Abs. 3 GG all...