Entscheidungsstichwort (Thema)
Zustimmung zur Verringerung der wöchentlichen Arbeitszeit
Leitsatz (redaktionell)
1. Ein Organisationskonzept, welches die Besetzung einer Stelle ausschließlich mit einer Vollzeitkraft bedingt, ist nicht schon dadurch dargelegt, dass der Arbeitgeber vorbringt, die Leitungsaufgaben sollten nach seiner unternehmerischen Vorgabe von einer Vollzeitkraft erledigt werden. Ansonsten könnte der Arbeitgeber jedem Teilzeitverlangen mit dem Argument begegnen, er wolle nur Vollzeitarbeitnehmer beschäftigen.
2. Im Übrigen sind an das objektive Gewicht der betroffenen dienstlichen oder betrieblichen Belange im Sinne von § 11 Abs. 1 TVöD erhebliche, über § 8 Abs. 4 TzBfG hinausgehende Anforderungen zu stellen; sie müssen sich gleichsam als zwingende Hindernisse für die beantragte Verkürzung der Arbeitszeit darstellen.
Normenkette
TzBfG § 8 Abs. 4; TVöD § 11 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Aachen (Entscheidung vom 24.07.2023; Aktenzeichen 3 Ca 1002/23) |
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Aachen vom 24.07.2023 - 3 Ca 1002/23 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Verringerung der wöchentlichen Arbeitszeit der Klägerin von 39 Stunden auf 30 Stunden.
Der Beklagte ist der Verband e.V. Die am .1984 geborene Klägerin, verheiratet, Mutter eines bei Klageerhebung 9jährigen Sohnes, ist seit dem 01.07.2015 bei dem Beklagten zuletzt als Organisationsleiterin in der Geschäftsstelle E tätig. Auf das Arbeitsverhältnis findet kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme der TVöD Bund Anwendung. Wegen der weiteren Einzelheiten der arbeitsvertraglichen Regelungen wird auf das Schreiben des Beklagten vom 26.06.2015 sowie den Änderungsvertrag vom 17.04.2019 (Bl.8, 14 d.A. ArbG) Bezug genommen.
Laut § 3 Ziffer 3.3 der Gesamtbetriebsvereinbarung zur Regelung der Arbeitszeit (GBV Arbeitszeit) sind Geschäftsführer/Organisationsleiter wegen ihrer zeitweisen Außentätigkeit nicht an die für die Geschäftsstelle festgelegten Zeiten gebunden. Sie regeln hiernach ihre Arbeitszeit unter Berücksichtigung dienstlicher Notwendigkeiten in eigener Verantwortung. Wegen der weiteren Einzelheiten der GBV Arbeitszeit wird auf Bl. 60 d.A. ArbG verwiesen.
Mit Schreiben vom 30.03.2023 (Bl. 16 d.A. ArbG) beantragte die Klägerin unter Bezugnahme auf § 11 TVöD iVm. § 8 TzBfG eine Verringerung der wöchentlichen Arbeitszeit von 39 Stunden auf 30 Stunden mit Wirkung ab dem 01.08.2023. Im Schreiben gab sie an, dass ihr Sohn intensiver Betreuung nach einem Schulwechsel bedürfe. Der Beklagte lehnte mit Schreiben vom 04.04.2023 (Bl. 17 d.A. ArbG) den Antrag aus betrieblichen Gründen ab. Die Tätigkeit eines Organisationsleiters lasse eine Reduzierung der Stunden nicht zu.
Das Arbeitsgericht Aachen hat mit Urteil vom 24.07.2023 (Bl. 84 ff. d.A. ArbG) verurteilt, der Verringerung der Wochenarbeitszeit der Klägerin von bislang 39 Stunden auf 30 Stunden ab dem 01.08.2023 zuzustimmen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Anspruchsvoraussetzungen des § 11 Abs. 1 TVöD seien gegeben. Die GBV Arbeitszeit stehe der Verringerung der Arbeitszeit nicht entgegen, denn sie enthalte keine Regelung zum Umfang der Arbeitszeit. Ein Organisationskonzept des Beklagten, wonach eine Organisationsleitung nur in Vollzeit ausgeübt werden könne, sei nicht gegeben. Die reduzierten neun Stunden könnten durch Aufgabenverteilung oder durch eine Neueinstellung kompensiert werden. Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens und der Antragstellung der Parteien erster Instanz wird auf den Tatbestand, wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung des Arbeitsgerichtes wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Gegen das ihm am 02.08.2023 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 31.08.2023 Berufung eingelegt und diese innerhalb der verlängerten Begründungsfrist am 02.11.2023 begründet.
Der Beklagte führt aus, aufgrund des Anforderungsprofils der Tätigkeit eines Organisationsleiters sei es ausgeschlossen, dass es geeignete Bewerber gebe, die bereit wären, für neun Stunden in der Woche bei einem Verdienst von EUR 933,00 brutto pro Monat für den Beklagten tätig zu sein. Aufgrund der von einem Organisationsleiter verlangten Flexibilität sei eine Arbeitsübergabe für wenige Stunden illusorisch und viel zu zeitintensiv. Es bestehe die Gefahr der Finanzmittelkürzung, wenn eine Ersatzbesetzung nicht realisiert werden könne.
Der Beklagte beantragt,
unter Abänderung des angefochtenen Urteils des Arbeitsgerichts Aachen vom 24. Juli 2023 - 3 Ca 1002/23 - die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Klägerin verteidigt die Entscheidung des Arbeitsgerichts. Der Arbeitsbedarf in den Geschäftsstellen sei unterschiedlich. Die Organisationsleitung in der Geschäftsstelle E lasse sich auch mit 30 Wochenstunden bewältigen. Teilbereiche der Organisationsleitung könnten anderen Arbeitskräften übertragen werden. Der Beklagte habe nicht einmal...