Entscheidungsstichwort (Thema)

Kündigung. wichtiger Grund. Verschulden

 

Leitsatz (amtlich)

Eine fristlose Kündigung aus wichtigem Grund kommt in Ausnahmefällen auch dann in Betracht, wenn der Arbeitnehmer seine Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat (hier: Messerangriff eines geistesgestörten Arbeitnehmers auf einen arglosen Arbeitskollegen).

 

Normenkette

BGB § 626; KSchG § 1

 

Verfahrensgang

ArbG Köln (Urteil vom 16.11.2001; Aktenzeichen 7 Ca 10023/01)

 

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das am 16.11.2001 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Köln – 7 Ca 10023/01 – wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten der Berufung.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Rechtswirksamkeit einer fristlosen Kündigung.

Der Kläger war seit ca. 25 Jahren bei der Beklagten zuletzt als Staplerfahrer gegen eine monatliche Vergütung von rd. 4.500,– DM brutto beschäftigt. Am 26.09.2001 näherte er sich grundlos einem Arbeitskollegen, griff ihn unvermittelt mit einem Teppichmesser an und verletzte ihn dabei am Hals. Zwischen den Parteien ist streitig, ob es sich um eine leichte oder lebensgefährliche Schnittverletzung handelte. Der Verletzte wurde jedenfalls mit dem Notarztwagen in ein naheliegendes Krankenhaus gebracht und war anschließend 14 Tage arbeitsunfähig.

Die mit Schreiben der Beklagten vom 27.09.2001 erklärte fristlose Kündigung ging dem Kläger am 02.10.2001 zu. Bei der Beklagten besteht kein Betriebsrat.

Mit seiner am 12.10.2001 erhobenen Kündigungsschutzklage hat der Kläger geltend gemacht, er habe zum Tatzeitpunkt unter Wahrnehmungsstörungen und wahnhafter Verarbeitung dieser Vorstellungen gelitten. Nach dem ärztlichen Befund handele es sich um eine Psychose paranoider Form. Die Tat könne ihm daher wegen Schuldunfähigkeit nicht vorgeworfen werden.

Der Kläger hat beantragt,

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die am 02.10.2001 zugegangene Kündigung vom 27.09.2001 nicht aufgelöst ist.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat behauptet, der Kläger habe sich dem Kollegen aus dem Hinterhalt genähert, ihn bei den Haaren gepackt und dreimal mit dem Teppichmesser am Hals auf ihn eingestochen, wodurch ihm eine ca. 3 cm breite, lebensgefährliche Schnittwunde „am Hals an der linken Seite auf mittlerer Höhe” zugefügt worden sei. Als sich der Kollege gewehrt und losgerissen habe, sei er nochmals am Oberarm geschnitten worden.

Das Arbeitsgericht hat die Klage im Anschluss an die Güteverhandlung auf übereinstimmenden Antrag der Parteien durch Einzelrichterentscheidung vom 16.11.2001 abgewiesen. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt, das Verhalten des Klägers sei tatbestandlich ein schwerer krimineller Akt gewesen, dem die Beklagte im Interesse des geordneten Betriebsablaufs und der Sicherheit ihrer Mitarbeiter nicht hinnehmen könne und dürfe. Der Kläger stelle ein hohes Sicherheitsrisiko dar, einerlei ob er im Zustand der Schuldfähigkeit gehandelt habe oder zur Tatzeit schuldunfähig gewesen sei.

Gegen das ihm am 23.11.2001 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts hat der Kläger am 10.12.1002 Berufung eingelegt, die er sogleich begründet hat. Er lässt vortragen, seine Handlung sei weder gezielt, noch vorsätzlich, noch schuldhaft oder aggressiv gewesen. Die Tat sei schlicht und ergreifend das Ergebnis eines psychotischen Schubes gewesen, der ihm in keiner Weise vorgeworfen werden könne. Er sei krank und werde weiter auf freiwilliger Basis in der R. L. in D. behandelt. Es sei zu erwarten, dass er nach abgeschlossener Behandlung wieder einwandfrei arbeiten könne und dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen werde (Beweis: Sachverständigengutachten).

Der Kläger beantragt,

unter Aufhebung des Urteils des Arbeitsgerichts Köln – 7 Ca 10023/01 – vom 16.11.2001 festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien fortbesteht und nicht durch die Kündigung vom 27.09.2001, zugegangen am 02.10.2001, beendet worden ist.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie ist der Ansicht, selbst wenn eine schwerwiegende Geisteserkrankung vorliegen sollte, komme eine Weiterbeschäftigung oder gar Neueinstellung nicht in Betracht, weil ihr und ihren Mitarbeitern ein derartiges Sicherheitsrisiko nicht zugemutet werden könne, und zwar nicht einmal für den Ablauf einer ordentlichen Kündigungsfrist.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes haben die Parteien auf ihre Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Der Klägervertreter hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht erklärt, der Kläger befinde sich immer noch in stationärer Behandlung der R. L. Ein Ende der Therapie sei jedoch absehbar. Nach derzeitigem Stand könne man von einer Entlassung in den nächsten Tagen ausgehen.

 

Entscheidungsgründe

I. Die Berufung des Klägers ist zwar zulässig, weil sie statthaft (§ 64 Abs. 1 und 2 ArbGG) und frist- sowie formgerecht eingelegt und begründet worden ist (§§ 66 Abs. 1 Satz 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 518, 519 ZPO).

II. In der Sache hat ...

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