Entscheidungsstichwort (Thema)

Warnstreik. Vorankündigung. Unterlassung

 

Leitsatz (amtlich)

Keine generelle Verpflichtung zur Vorankündigung von Warnstreiks (keine Vorankündigungsfrist).

Zur Zulässigkeit und Begründetheit eines Antrags auf Unterlassung von künftigen Streiks ohne „rechtzeitige, mindestens 24-stündige, hilfsweise auch kürzere Vorankündigung”.

 

Normenkette

GG Art. 9; BGB §§ 823, 1004

 

Verfahrensgang

ArbG Köln (Urteil vom 07.11.1997; Aktenzeichen 2 Ca 5526/97)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 07.11.1997 – 2 Ca 5526/97 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob die beklagte Gewerkschaft verpflichtet ist, der Klägerin, die in der Bundesrepublik Deutschland mehrere Kinocenter betreibt, den Karten- und Warenumsatzverlust zu ersetzen, der ihr durch Warnstreiks entstanden ist. Außerdem verlangt die Klägerin für die Zukunft die Unterlassung von Streiks während der Öffnungszeiten des Kinocenters ohne „rechtzeitige mindestens 24-stündige, hilfsweise auch kürzere Vorankündigung” bei der Kinoleitung, hilfsweise beim zuständigen Arbeitgeberverband.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Mit der Berufung verfolgt die Klägerin ihr um die Hilfsanträge erweitertes Begehren weiter. Wegen des Sach- und Streitstandes im übrigen wird gemäß § 543 ZPO auf das angefochtene Urteil, die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze, die eingereichten Unterlagen und die Sitzungsprotokolle Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

I. Die Berufung der Klägerin ist zulässig, denn sie ist nach dem Beschwerdewert statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und rechtzeitig begründet worden.

II. In der Sache hat das Rechtsmittel keinen Erfolg.

Die Klage ist unbegründet. Das hat das Arbeitsgericht in dem angefochtenen Urteil zu Recht erkannt und in den wesentlichen Punkten zutreffend begründet. Das Berufungsgericht nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Entscheidungsgründe der Vorinstanz Bezug, denn es kommt auch unter Berücksichtigung des Berufungsvorbringens zu übereinstimmenden Feststellungen (§ 543 Abs. 1 ZPO).

Im Hinblick auf das Berufungsvorbringen und die in zweiter Instanz gestellten Hilfsanträge ergeben sich folgende Ergänzungen:

1. Schadensersatzanspruch

Die Voraussetzungen für den geltend gemachten Schadensersatzanspruch wegen Verletzung des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb (§§ 823 Abs. 1, 249 ff, 252 BGB) liegen nicht vor.

a) Die Rechtswidrigkeit folgt entgegen der Ansicht der Klägerin nicht daraus, dass sie nicht oder nicht rechtzeitig über die Durchführung der beiden Streiks unterrichtet worden sei. Jedenfalls im vorliegenden Fall bestand keine besondere Vorankündigungspflicht, denn sie musste mit Warnstreiks rechnen und konnte sich darauf einstellen.

aa) Eine generelle Pflicht zur gezielten Vorankündigung von Streikmaßnahmen im Allgemeinen und von Warnstreiks im Besonderen ist weder kodifiziert noch bislang in der Rechtsprechung anerkannt worden. Einen Anspruch auf Vorankündigung ausdrücklich verneint hat das Landesarbeitsgericht Niedersachsen in seiner Entscheidung vom 01.02.1980 – 10 Sa 110/79 – AP Nr. 69 zu Art. 9 GG Arbeitskampf. In seinem Urteil über Warnstreiks im Einzelhandel vom 21.06.1988 – 1 AZR 651/86 (AP Nr. 108 zu Art. 9 GG Arbeitskampf) hat das Bundesarbeitsgericht wie auch in späteren Entscheidungen (vgl. u.a. Urteil vom 21.10.1995 – 1 AZR 217/95 – AP Nr. 140 zu Art. 9 GG Arbeitskampf) ebenfalls keine Vorankündigungspflicht für Arbeitskampfmaßnahmen statuiert. In seinem Urteil vom 12.11.1996 – 1 AZR 364/96 – (AP Nr. 147 zu Art. 9 GG Arbeitskampf) ist das Bundesarbeitsgericht von der Zulässigkeit überraschend angesetzter Streiks ausgegangen (II 3 b cc der Gründe) und hat auch die Arbeitnehmer selbst für berechtigt gehalten, ihre Absichten hinsichtlich möglicher weiterer Arbeitsniederlegungen zu verschweigen (am Ende der Gründe).

Eine generelle Pflicht zur Vorankündigung von Warnstreiks nach Ablauf der tarifvertraglichen Friedenspflicht ist abzulehnen. Ob sie verfassungsrechtlich sogar bedenklich wäre (so Müller, DB 1989, S. 42, 44 zu § 7 des „Professoren-Entwurfs” vom September 1988 zu einem Gesetz zur Regelung kollektiver Arbeitskonflikte), kann dahingestellt bleiben. Eine allgemeine Pflicht zur gezielten Vorankündigung von Kampfmaßnahmen in einem bestimmten Betrieb kann den Warnstreik seiner Wirkung berauben und ihn bei einem geringen Organisationsgrad sogar wirkungslos machen (MünchArbR-Otto, Bd. 3, § 278 Rn. 126). Es erscheint sachgerechter, dem sogenannten verhandlungsbegleitenden Warnstreik unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit bei Art und Intensität der Durchführung einzelner Kampfmaßnahmen Grenzen zu ziehen als ihm durch Einführung einer Ankündigungsfrist von vornherein die Wirkung zu nehmen oder diese einzuschränken.

bb) Auch im konkreten Fall von Warnstreiks in einem Großkino bestand keine Pflicht zur Vorankündigung. Die Auffassung der Klägerin, bei einem Großkinobetrieb sei ...

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