Entscheidungsstichwort (Thema)
Verhaltensbedingte Kündigung bei Nichteinhaltung der arbeitsvertraglich vereinbarten Arbeitszeit aufgrund irriger Annahme einer Teilzeitvereinbarung
Leitsatz (amtlich)
Erscheint ein Arbeitnehmer mit arbeitsvertraglicher Verpflichtung zur Ableistung von 40 Wochenstunden ab einem gewissen Zeitpunkt nur noch 20 Stunden in der Woche, weil er fehlerhaft annimmt, zwischenzeitlich eine Teilzeitvereinbarung geschlossen zu haben, und setzt er dieses Verhalten auch nach Hinweisen und Abmahnung des Arbeitgebers fort, so kann dies den Ausspruch einer verhaltensbedingten Kündigung rechtfertigen.
Normenkette
BGB § 626 Abs. 1; KSchG § 1 Abs. 2; TzBfG § 8; PersVG MV § 62; KSchG § 1 Abs. 2 S. 1 Alt. 2; TzBfG § 8 Abs. 1-2, 5 S. 2
Verfahrensgang
ArbG Stralsund (Entscheidung vom 25.03.2014; Aktenzeichen 1 Ca 423/13) |
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Stralsund vom 25. März 2014, Aktenzeichen 1 Ca 423/13, wird zurückgewiesen.
2. Die Anschluss-Berufung der Beklagten gegen das unter Ziffer 1 genannte Urteil wird ebenfalls zurückgewiesen.
3. Die Kosten der Berufung und Anschluss-Berufung werden gegeneinander aufgehoben.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten in der Berufungsinstanz im Rahmen von Berufung und Anschluss-Berufung noch um die Wirksamkeit bzw. den Zeitpunkt der Wirkung einer außerordentlichen Kündigung, nachdem erstinstanzlich diese Kündigung sowie zwei weitere, vorhergehende ordentliche Kündigungen streitgegenständlich waren.
Der 1969 geborene, verheiratete und drei Kindern zum Unterhalt verpflichtete Kläger ist seit 1993 beim beklagten Landkreis bzw. dessen Rechtsvorgängern als Sachbearbeiter, zuletzt im Bereich Unterhaltsvorschuss, beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis finden die für den öffentlichen Dienst jeweils geltenden Tarifverträge Anwendung. Bei einer Vollzeitbeschäftigung beträgt die monatliche Bruttovergütung 3.448,40 Euro.
Beim beklagten Landkreis gilt seit dem 01.07.2012 eine "Dienstvereinbarung zur flexiblen Arbeitszeit". Wegen des konkreten Inhalts wird auf Blatt 70 bis 77 der Akte verwiesen. Punkt 8 der Dienstvereinbarung bestimmt, dass für Minusstunden ein Grenzwert von 16 Stunden einzuhalten ist. Auch ist in Punkt 8 geregelt, dass im Fall einer Überschreitung des Grenzwertes mit dem betreffenden Arbeitnehmer "Rücksteuerungsmaßnahmen" mit dem Ziel der Rückführung des Stundenfehlbetrages auf den Grenzwert getroffen werden sollen.
Weiterhin gibt es beim beklagten Landkreis seit dem 06.11.2008 eine "Verfahrensregelung bei Arbeitsunfähigkeit". Wegen deren Wortlautes wird auf Blatt 58 der Akte verwiesen. Hier ist unter anderem bestimmt, dass im Fall einer Arbeitsunfähigkeit diese "unverzüglich, d. h. ohne schuldhaftes Verzögern" anzuzeigen ist. Der Bedienstete habe umgehend sicherzustellen, dass der unmittelbare Vorgesetzte und der Bereich Vergütung des Fachgebietes Personal über den Beginn und das voraussichtliche bzw. tatsächliche Ende der Krankschreibung informiert werden. Ebenso sei bei der Freistellung zur Kinderpflege zu verfahren.
In der Vergangenheit erhielt der Kläger mit Schreiben vom 05.10.2004 eine Abmahnung, weil er am 29.09.2004 krankheitsbedingt der Arbeit ferngeblieben war, dies nicht unverzüglich angezeigt hatte und erst am 01.10.2004 die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung eingegangen war. Wegen der Einzelheiten der Abmahnung wird auf Blatt 82 der Akte verwiesen.
Mit Schreiben vom 22.02.2010 hatte der Kläger in der Vergangenheit eine weitere Abmahnung erhalten. Zuvor war der Kläger am 11.02.2010 nicht zur Arbeit erschienen und hatte auch keine Meldung hierzu abgegeben. Zehn Tage später reichte er einen rückwirkenden Urlaubsantrag hierfür ein. Wegen der Einzelheiten der Abmahnung wird auf Blatt 83 der Akte verwiesen.
Eine weitere Abmahnung stammt vom 22.07.2009. Diese Abmahnung wurde erteilt, da der Kläger am Vortag nach Beendigung seiner Mittagspause und entsprechendem Einstechen in der Zeiterfassung in seinem verschlossenen Büro auf einer Matte ruhend hinter dem Schreibtisch vorgefunden wurde.
Mit Schreiben vom 15.02.2010 erhielt der Kläger eine Ermahnung, weil er sich an die damals geltende Dienstvereinbarung zur Arbeitszeit nicht gehalten hatte, wonach Unterschreitungen der Arbeitszeitverpflichtung im Folgemonat auszugleichen sind und der Kläger dies für Unterstunden aus dem Dezember 2009 nicht im Januar 2010 getan hatte.
Ende April 2013 befand sich das Arbeitszeitkonto des Klägers mit 127 Stunden im Minus. Deshalb übersandte der Beklagte dem Kläger unter dem 24.04.2013 in Anwendung der Dienstvereinbarung zur flexiblen Arbeitszeit (siehe oben) das Angebot einer Vereinbarung zur Rückführung des negativen Saldos. Auf Blatt 90 der Akte wird verwiesen. Diese Vereinbarung unterzeichnete der Kläger nicht.
Mit E-Mail vom 10. Juni 2013 antwortete der Kläger, dass er die Vereinbarung nicht unterschreiben könne. Entsprechend seines Sachvortrages im Prozess hielt er diese für merkwürdig. Diese E-Mail enthielt im A...