Entscheidungsstichwort (Thema)
Abfindungsvergleich - Abführung von Lohnsteuer
Leitsatz (redaktionell)
1. Über die Steuerfreiheit einer Abfindung haben die Gerichte für Arbeitssachen als Vorfrage zu entscheiden, wenn der Arbeitgeber Steuern abgeführt hat und der Arbeitnehmer die Vollstreckung der vollen Abfindungssumme betreibt.
2. Ob eine Abfindung nach § 3 Ziffer 9 EStG steuerfrei ist, hängt nicht von ihrer Bezeichnung im Abfindungsvergleich ab, sondern von ihrer wahren rechtlichen Natur.
3. Es liegt keine Abfindung sondern eine verdeckte Lohnzahlung vor, wenn die Parteien die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum Ablauf der Kündigungsfrist einer nicht angegriffenen ordentlichen Kündigung vereinbaren und die Abfindung geringer ist als der Zwischenlohn seit der angegriffenen außerordentlichen Kündigung.
Normenkette
KSchG § 1; ZPO § 767; EStG § 3 Nr. 9, § 38 Abs. 1; EStG 1977 § 3 Nr. 9, § 38 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG München (Urteil vom 16.06.1987; Aktenzeichen 23 Ca 16642/86) |
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts München vom 16. Juni 1987 – Az: 23 Ca 16642/86 – wird auf Kosten des Berufungsführers zurückgewiesen.
Tatbestand
Mit dem vorliegenden Verfahren wehrt sich die Klägerin gegen die weitere Vollstreckung aus einem von den Parteien am 21.10.1986 geschlossenen Vergleich. Der Beklagte war seit 1.4.1986 bei der Klägerin gegen ein monatliches Gehalt von 6.600,– DM beschäftigt. Am 14.7.1985 kündigte die Klägerin dieses Arbeitsverhältnis außerordentlich und vorsorglich ordentlich zum 31.08.1986. Gegen diese Kündigung hat der Beklagte Kündigungsschutzklage eingereicht (Arbeitsgericht München –Az.: 23 Ca 9485/86 –), im Termin von 16.10.1986 aber ausdrücklich erklärt, daß sich seine Klage nur gegen die außerordentliche Kündigung wende.
Mit dem der Vollstreckungsgegenklage vorausgegangenen Verfahren (Arbeitsgericht München – Az.: 23 Ca 11010/86 –) hat der Kläger 13.200,– DM brutto als Arbeitsentgelt für die Monate Juli und August 1986 geltend gemacht. Im Termin vom 21.10.1986 haben die Parteien folgenden Vergleich geschlossen:
- Das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis endete durch ordentliche, betriebsbedingte Arbeitgeberkündigung am 31.8.1986.
- Als Ausgleich für den Verlust des Arbeitsplatzes zahlt die Beklagte an den Kläger eine Abfindung gemäß § 3 Ziffer 9 EStG in Höhe von 10.500,– DM (in Worten: zehntausendfünfhundert Deutsche Mark).
- Die Beklagte verpflichtet sich, dem Kläger ein einfaches Zeugnis für die Beschäftigung vom 1.4. – 31.8.1986 auszustellen.
- Mit der Zahlung gemäß Ziffer 2) sind alle gegenseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und dessen Beendigung abgegolten.
Die Klägerin hat die „Abfindung” gemäß Ziffer 2 des Vergleiches nur in Höhe von 7.538,88 DM an den Beklagten bezahlt. 2.961,12 DM führte sie an das Finanzamt und die AOK ab. Wegen dieser Abführungsbeträge betreibt der Beklagte die Zwangsvollstreckung aus dem Vergleich.
Mit Urteil vom 16.6.1987, auf das wegen der Einzelheiten des Sachvortrages der Parteien im ersten Rechtszug, der von ihnen gestellten Anträge sowie wegen der rechtlichen Erwägungen des Erstgerichts Bezug genommen wird, hat das Arbeitsgericht München wie folgt erkannt:
- Die Zwangsvollstreckung aus Ziffer 2 des gerichtlichen Vergleiches vom 21.10.1986 – AZ: 23 Ca 11010/86 – wird für unzulässig erklärt.
- Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
- Der Wert des Streitgegenstandes wird auf DM 10.500,–festgesetzt.
Das Erstgericht ist der Auffassung, die Klägerin habe ihre Zahlungspflicht aus Ziffer 2 des Vergleiches auch durch die Abführung von Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträgen erfüllt, weil der Abfindungsbetrag als „Bruttobetrag” anzusehen sei. Dies gelte immer dann, wenn bei einer Abfindung kein „Netto-Zusatz” verwendet worden sei. Der Hinweis auf § 3 Ziffer 9 EStG ändere daran nichts, denn ob und inwieweit Abfindungen steuerfrei sind, sei eine Frage des Steuerrechts und könne von den Arbeitsgerichten nicht abschließend geprüft und von den Parteien nicht verbindlich vereinbart werden.
Gegen dieses dem Beklagten am 3.8.1987 zugestellte Urteil richtet sich seine Berufung vom 20.08.1987, die am gleichen Tag bei Gericht einging und gleichzeitig begründet wurde.
Der Beklagte ist der Auffassung, durch die Bezugnahme auf § 3 Ziffer 9 EStG sei von den Parteien klargestellt worden, daß es sich um eine steuerfreie Abfindung und damit um einen Nettobetrag handle. Die Klägerin müsse deshalb den gesamten Betrag von 10.500,– DM an ihn auszahlen und nicht an das Finanzamt bzw. die AOK.
Wegen der Einzelheiten wird auf die Berufungsschrift vom 20.08.1987 Bezug genommen.
Der Beklagte beantragt:
- Das Urteil des Arbeitsgerichts München vom 16.6.1987, 23 Ca 16642/86, wird aufgehoben.
- Die Klage wird zurückgewiesen.
- Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
- Die Revision wird zugelassen.
Die Klägerin beantragt:
- Die Berufung wird zurückgewiesen.
- Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Die Klägerin trägt im wesentlichen vor, daß die Steuerfrei...