Entscheidungsstichwort (Thema)
Zwingende Schriftform einer Kündigung. Nichtbeachtung eines Formmangels nach den Grundsätzen von Treu und Glauben
Leitsatz (amtlich)
Eine per WhatsApp übermittelte außerordentliche Kündigung erfüllt nicht das Schriftformerfordernis und ist nichtig.
Leitsatz (redaktionell)
1. Gibt eine per WhatsApp-Nachricht elektronisch übersandte Ablichtung eines Kündigungsschreibens die Originalunterschrift wieder, genügt dies nicht für die Erfüllung des Schriftformerfordernisses des § 126 Abs. 1 BGB. Denn es handelt sich bei einer Kündigung per elektronischer Übermittlung um eine Erklärung unter Abwesenden, deren Zugang erst dann wirksam wird, wenn sie dem anderen Teil in der gesetzlich vorgeschriebenen Form zugeht. Das In-Kenntnis-Setzen über eine Kündigung in anderer Form, die die Voraussetzungen des § 126 BGB nicht erfüllt, genügt nicht.
2. Die Vorschrift des § 623 BGB darf im Hinblick auf ihren Sinn und Zweck nicht ausgehöhlt werden. Ein Formmangel kann deshalb nach § 242 BGB nur ganz ausnahmsweise als unbeachtlich qualifiziert werden. Das Ergebnis muss für einen Teil untragbar sein. Es müssen Umstände hinzukommen, die das Verhalten des Berechtigten in hohem Maß als widersprüchlich erscheinen lassen.
Normenkette
BGB §§ 125-126, 242, 611a, 615, 623; BUrlG §§ 4-5, 7 Abs. 4, § 11 Abs. 1 S. 1; BGB §§ 254, 307 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
ArbG Augsburg (Entscheidung vom 26.04.2021; Aktenzeichen 5 Ca 2353/20) |
Tenor
I. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Augsburg vom 26.04.2021 - 5 Ca 2353/20 - teilweise zu Ziff. 3 abgeändert und diese Ziffer wie folgt neu gefasst:
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 134,95 € brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 12.02.2021 zu zahlen.
II. Im Übrigen wird die Berufung des Beklagten zurückgewiesen.
III. Der Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer per WhatsApp übermittelten Kündigung sowie über Zahlungsansprüche.
Der Kläger war bei dem Beklagten seit dem 02.06.2020 als Helfer zu wöchentlich 50 Stunden und einer monatlichen Vergütung von 1.200,00 € brutto beschäftigt. Im Arbeitsvertrag vom 02.06.2020 war als Anschrift des Klägers die D.-Straße in ... A-Stadt angegeben. Als zusätzliche Vereinbarung bestimmte § 12 Satz 1 des Arbeitsvertrags:
"Bei selbstverschuldeten Schäden am Fahrzeug wird ein Eigenanteil von 500,00 € erhoben."
Am 22.09.2020 schickte der Beklagte dem Kläger ein Bild eines unterschriebenen Kündigungsschreibens vom 02.09.2020. Danach wurde dem Kläger die fristlose Kündigung ausgesprochen, weil er am 02.09.2020 betrunken in die Arbeit gekommen und deswegen für den Betrieb nicht tragbar sei (vgl. Bl. 10 d. A.).
Hiergegen hat der Kläger am 28.09.2020 Klage vor dem Arbeitsgericht Augsburg erhoben, mit der er Kündigungsschutz, Zahlung von 500,00 € netto sowie 1.500,00 € brutto als Vergütung für Juni 2020 geltend gemacht hat. Dem Beklagten wurde die Klageschrift am 15.10.2020 zugestellt, die die neue Anschrift des Klägers in der Z.-Straße in ... A-Stadt auswies. Nachdem der Kläger unter dieser Anschrift zunächst nicht formlos zum Gütetermin geladen werden konnte, wurde ihm die Klageschrift dorthin nochmals ohne Zusatz am 12.11.2020 mit Zustellungsurkunde zugestellt. Mit Telefax vom 27.11.2020 zeigte der Prozessbevollmächtigte des Klägers unter Vorlage einer Vollmacht, die zur Entgegennahme von Kündigungen berechtigte, an, dass er den Kläger anwaltlich vertrete.
Am 11.01.2021 übergab der Beklagte dem Kläger in der Güteverhandlung eine Kündigung vom 02.09.2020. Der Inhalt dieser Kündigung ist nicht bekannt.
Mit Telefax vom 01.02.2021 hat der Kläger klageerweiternd Vergütung vom 01. - 03.09.2020 in Höhe von 202,42 € brutto sowie Urlaubsabgeltung in Höhe von 1.868,40 € brutto geltend gemacht und den Antrag bezüglich der Vergütung für Juni 2020 zurückgenommen. Die per WhatsApp am 22.09.2020 übermittelte Kündigung sei mangels Schriftform unwirksam. Der Abzug von 500,00 € netto vom Augustgehalt sei nicht gerechtfertigt. Der Kläger habe im September 2020 seine Arbeitsleistungen erbracht. Der nach §§ 1,3 MiLoG dem Kläger zustehende monatliche Grundlohn berechne sich auf 2.024,27 € brutto, weshalb der Kläger für drei Arbeitstage im September 2020 Anspruch auf 3/30 und mithin 202,42 € brutto habe. Gemäß §§ 4,7 BUrlG habe der Kläger zudem Anspruch auf Urlaubsabgeltung in Höhe des gesamten Jahresurlaubs von 20 Arbeitstagen für 2020, der sich auf Basis des errechneten Grundlohns auf 1.868,40 € brutto belaufe. Das Arbeitsverhältnis der Parteien habe erst am 15.02.2021 aufgrund der am 11.01.2021 übergebenen Kündigung geendet. Der Zinsanspruch rechtfertige sich aus §§ 288, 291 BGB.
Der Beklagte hat seinen Klageabweisungsantrag nicht schriftsätzlich begründet. Der Kläger habe regelmäßig fünf Tage pro Woche gearbeitet.
Das Arbeitsgericht Augsburg hat durch Urteil vom 26.04.2021 - 5 Ca 2353...