Entscheidungsstichwort (Thema)

Häufige Kurzerkrankungen. Negative Prognose

 

Leitsatz (amtlich)

Häufige Kurzerkrankungen des Arbeitnehmers in der Vergangenheit rechtfertigen regelmäßig die Prognose, auch in Zukunft werde ein entsprechender Krankheitsverlauf eintreten, insbesondere dann, wenn wie hier ein nunmehr 28jähriger Arbeiter seit 5,5 Jahren in jedem Jahr zu 27,7% der Arbeitszeit krankheitsbedingt, bei insgesamt rd. 50 verschiedenen Fehlzeiten, ausgefallen ist. Kommt der Arbeitnehmer der ihn treffenden Darlegungs- und Beweislast nicht nach, in Zukunft müsse mit einer deutlich geringeren Krankheitsquote gerechnet werden, ist die sog. Negativ-Prognose gesichert. Die betrieblichen Interessen sind bei einer starken Inanspruchnahme des Arbeitgebers durch Lohnfortzahlungskosten erheblich belastet und rechtfertigen zumindest dann eine personenbedingte Kündigung, wenn der Arbeitgeber jahrelang Lohnfortzahlungskosten von regelmäßig mehr als 6 Wochen jährlich erbracht hat und wohl auch weiter erbringen wird. Das ist sicher der Fall, wenn der Arbeitgeber im Verlauf von 5,5 Jahren 67.000,00 DM Entgeltfortzahlung und 13.400,00 DM Arbeitgeberanteil zur Sozialversicherung geleistet hat. Die Interessenabwägung führt angesichts eines erst sieben Jahre währenden Beschäftigungsverhältnisses zu keinem anderen Ergebnis, auch wenn der Arbeitnehmer als Ausländer ggf. über schlechte Vermittlungschancen auf dem Arbeitsmarkt verfügt.

 

Normenkette

KSchG § 1; EntgeltfortzahlungsG § 1

 

Verfahrensgang

ArbG Lübeck (Urteil vom 15.11.2001; Aktenzeichen 2 Ca 1925/01)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Lübeck vom 15. November 2001 – 2 Ca 1925/01 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Die Revision gegen das Urteil wird nicht zugelassen.

 

Gründe

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen krankheitsbedingten Kündigung, der die Beklagte dem verheirateten 28-jährigen türkischen Kläger gegenüber ausgesprochen hat.

Wegen des Sach- und Streitstandes, wie er in erster Instanz zur Entscheidung vorgelegen hat, wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils und wegen des Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz auf den Inhalt ihrer in der Berufung gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen verwiesen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Wegen der die Abweisung tragenden Gründe wird auf die Entscheidungsgründe im angefochtenen Urteil Bezug genommen. Wegen des Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz wird auf den Inhalt ihrer gewechselten Schriftsätze hingewiesen.

Die Berufung ist zulässig. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt und auch innerhalb der verlängerten Berufungsbegründungsfrist begründet worden. In der Sache konnte die Berufung jedoch keinen Erfolg haben und war daher zurückzuweisen.

Das Arbeitsgericht hat sowohl im Ergebnis als auch in der Begründung zutreffend entschieden. Auf die Entscheidungsgründe des arbeitsgerichtlichen Urteils wird deshalb gem. § 540 Abs. 1 Satz 1 ZPO verwiesen.

Lediglich ergänzend wird darauf hingewiesen:

Das Arbeitsgericht findet sich mit seiner Entscheidung in völliger Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts. Die Beklagte hat die krankheitsbedingten Fehlzeiten für eine repräsentativen Zeitraum von mehr als drei Jahren dargestellt, nämlich für den Zeitraum von 1996 bis zum 31. Mai 2001 also einem Zeitraum von mehr als fünf Monaten bis vierzehn Tage vor Ausspruch der ordentlichen Kündigung. Damit ergab sich die Wiederholungsgefahr – negative Prognose als erste Stufe des Prüfungsrasters – aus den bisherigen häufigen krankheitsbedingten Fehlzeiten (vgl. BAG, Urt. v. 23. Juni 1983 – 2 AZR 15/82 –, BAGE 43, 129 = AP-Nr. 10 zu § 1 KSchG 1969 „Krankheit”). Nach dieser Rechtsprechung müssen zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung objektive Tatsachen vorliegen, die die Besorgnis weiterer Erkrankungen im bisherigem Umfange rechtfertigen. Häufige Kurzerkrankungen in der Vergangenheit können für ein entsprechendes Erscheinungsbild in der Zukunft sprechen. Dann darf der Arbeitgeber sich zunächst darauf beschränken, die eine Indizwirkung entfaltenden Fehlzeiten in der Vergangenheit darzulegen. Daraufhin muss der Arbeitnehmer gem. § 138 Abs. 2 ZPO dartun, weshalb mit einer baldigen Genesung zu rechnen sei. Dieser prozessualen Mitwirkungspflicht ist der Kläger jedoch nicht gefolgt. Dass häufige Kurzerkrankungen des Arbeitnehmers in den Vergangenheit die Prognose rechtfertigten, auch in Zukunft werde ein entsprechender Krankheitsverlauf eintreten, ist nicht nur vom Bundesarbeitsgericht sondern auch von den Instanzgerichten erkannt (vgl. LAG Köln, Urt. v. 29. September 1987 – 1 Sa 818/87 –; LAG Schl.-Holst., Urt. v. 20. November 1997 – 4 Sa 388/97 –).

Der Arbeitnehmer hat die Darlegungslast dafür, dass in Zukunft mit einer deutlich geringeren Krankheitsquote zu rechnen sei. Am konkreten Vortrag des Klägers hierzu fehlt es. Der Kläger hat nicht substantiiert vortragen können, weshalb die vielen verschiedenen Fehlzeiten seit 1996, die ihr...

Dieser Inhalt ist unter anderem im TVöD Office Professional enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge