Bei leeren Kassen können die vielfältigen Dienstleistungen der öffentlichen Hand sowie ihr nahestehender Einrichtungen kaum noch in hergebrachten Strukturen finanziert werden. Die Konkurrenz privater Anbieter – vor allem im Bereich sozialer Leistungen – verdeutlicht, dass ohne Anbindung an einen teuren, bürokratischen Tarifvertrag Dienstleistungen wesentlich effizienter und kostengünstiger erbracht werden können.
Will das DRK gegenüber der privaten Konkurrenz – insbesondere im Bereich der durch die Pflegeversicherung initiierten sozialen Dienstleistungen, hier ist die private Konkurrenz besonders ausgeprägt – nicht völlig ins Hintertreffen geraten, so wird man die Strukturen des DRK-Tarifvertrages, der dem BAT angeglichen ist, überdenken müssen.
Der BAT, der Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes, in seiner jetzigen Fassung beruht auf dem Alimentationsprinzip, berücksichtigt weder die Qualität noch die Quantität der Arbeitsleistung, wirkt demnach eher demotivierend auf die betroffenen Mitarbeiter. Einige Beispiele mögen die Schwächen des Tarifvertrages verdeutlichen:
- Im BAT richtet sich die Vergütung nach den Tätigkeiten, die auf dem Arbeitsplatz abstrakt liegen. Ob der Mitarbeiter die Tätigkeiten tatsächlich erbringt, ist dabei unerheblich. Mancher Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes ist kaum in der Lage, die seiner Vergütungsgruppe zugeordneten Tätigkeiten wirklich auszuführen. Bezahlt wird also der Arbeitsplatz, nicht der Arbeitnehmer und dessen Leistung.
- Dazu kommt, dass sich die Höhe der Vergütung nach dem Lebensalter – in der sog. Grundvergütung – richtet und nach dem Familienstand, der Kinderzahl im Ortszuschlag. Dies hat zur Folge, dass der junge motivierte Mitarbeiter weniger verdient als ein demotivierter, "den Feierabend abwartender" Mitarbeiter auf dem Arbeitsplatz neben ihm, der lebensälter ist und einige Kinder hat. Stellt der junge motivierte Mitarbeiter fest, dass sein Engagement nicht im geringsten honoriert, nach dem Tarifvertrag nicht einmal anerkannt wird, verlässt er häufig den öffentlichen Dienst, oder er passt sich seinem Umfeld mehr und mehr an.
Der BAT beinhaltet zudem eine extrem bürokratische Abwicklung. So sind zum Beispiel zur Abwicklung des Tarifvertrages bezüglich eines jeden Mitarbeiters sechs verschiedene Zeiten nach jeweils abweichendem, äußerst kompliziertem Modus zu ermitteln.
Dies sind
- die Beschäftigungszeit
- die Dienstzeit
- die Bewährungszeiten
- die Lebensaltersstufen
- die Jubiläumsdienstzeit
- die Zeiten zur Berechnung des Übergangsgeldes.
Ähnliches gilt für die Ermittlung der diversen Zulagen des BAT.
Nicht umsonst kann ein privates Krankenhaus ohne Tarifbindung des BAT mit einer Personalabteilung auskommen, die wesentlich kleiner ist als die einer vergleichbaren öffentlich-rechtlichen Pflegeeinrichtung.
In Zeiten ausreichender finanzieller Ressourcen ohne private Konkurrenz mag ein die Mitarbeiter alimentierender Tarifvertrag noch tragbar sein. Heute wirkt er eher kontraproduktiv: Die Bindung an das starre Tarifsystem des BAT, die fehlende Finanzierbarkeit des Tarifvertrages, bewirkt letztlich, dass wesentliche Bereiche des öffentlichen Dienstes vollständig privaten Anbietern überlassen werden, deren Arbeitnehmer zum Teil ohne jeden tariflichen Schutz tätig sind. Nun wäre es an sich konsequent, bei entsprechender Einsicht der Tarifvertragsparteien – der Gewerkschaften wie der öffentlichen Arbeitgeber – das Tarifvertragswerk schlicht zu ändern, etwa durch Einführung einesLeistungsbezugs innerhalb der Vergütung. Diese Zielsetzung erscheint jedoch – trotz einer entsprechenden Absichtserklärung der ÖTV – allenfalls langfristig verwirklichbar. Eine völlige Abkehr vom Alimentationsprinzip hin zu einer motivierenden, leistungsbezogenen Vergütung ist von den Tarifvertragsparteien nicht zu erwarten. Letztlich müsste der gesamte öffentliche Dienst neu strukturiert werden. Grundpfeiler des Beamtenverhältnisses, dem der BAT nachempfunden ist, müssten aufgegeben werden.
Letztlich wird sich auch im öffentlichen Dienst die Erkenntnis durchsetzen müssen, dass
- mit motivierten Mitarbeitern die Aufgaben effizienter erfüllt werden können,
- über das Engagement der Mitarbeiter der Personalbedarf abnimmt und damit der personellen Ausuferung des öffentlichen Dienstes Einhalt geboten wird,
- die Aufgabenerfüllung im Vordergrund stehen muss und nicht die Abwicklung eines höchst komplizierten, bürokratischen Tarifvertrages, die sowohl erhebliche Kapazität der Personalabteilung als auch der Mitarbeiter selbst bindet.
Bis zu einer grundsätzlichen Neugestaltung des Tarifvertrages bleibt lediglich der Weg, einrichtungsbezogen das Vergütungssystem zu vereinfachen und eine Leistungszulage einzuführen.