Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialversicherungspflicht bzw -freiheit. Pflege-Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt). juristische Person. Einsatz der Gesellschafter-Geschäftsführerin als Pflegekraft in Krankenhaus. Dreiecksbeziehung. Beschäftigung. selbstständige Tätigkeit. Arbeitnehmerüberlassung. Berücksichtigung von Dienstleistungsverträgen eines Krankenhausträgers mit einer juristischen Person des Privatrechts im Sozialversicherungsrecht

 

Leitsatz (amtlich)

1. Erbringt eine Pflege-UG (haftungsbeschränkt) einem Krankenhaus vertraglich geschuldete Pflegeleistungen durch Einsatz der Alleingesellschafterin und Geschäftsführerin, liegt keine illegale Arbeitnehmerüberlassung vor, wenn das Krankenhaus die Arbeitsleistung nur entgegennimmt, ohne selbst zur Entgeltzahlung an die Pflegekraft verpflichtet zu sein, und diese auch nicht als natürliche Person für etwaige Vertragsverletzungen haftet, sondern die juristische Person als Vertragspartnerin.

2. Schließt ein Krankenhausträger mit einer juristischen Person des Privatrechts Dienstleistungsverträge mit dem Ziel der Erbringung von Pflegeleistungen auf Honorarbasis, ist diese Vertragsgestaltung - abgesehen von Fällen des Rechtsmissbrauchs - auch im Sozialversicherungsrecht zu berücksichtigen (Anschluss an BSG vom 24.11.2005 - B 12 RA 1/04 R = BSGE 95, 275 = SozR 4-2600 § 2 Nr 7 - juris).

 

Normenkette

SGB IV § 7 Abs. 1 Sätze 1-2, § 7a Abs. 1 Sätze 1, 3, Abs. 2, 6, § 2 Abs. 2 S. 1 Nr. 1, § 28e Abs. 1; GmbHG § 5 Abs. 1, § 5a Abs. 1, § 13 Abs. 1, § 35 Abs. 1 S. 1; AÜG § 1 Abs. 1 Nr. 1 Fassung: 2011-04-28, § 10 Abs. 1 S. 1 Fassung: 2011-04-28, § 1 Abs. 1 S. 2; SGB VI § 2 S. 1 Nr. 9; BGB §§ 117, 242, 613 S. 1, § 631 Abs. 2; SGG § 54 Abs. 1, §§ 56, 103

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 27. November 2019 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Tenor zu 2. wie folgt gefasst wird:

Es wird festgestellt, dass die Klägerin in ihrer Tätigkeit für die Beigeladene zu 1. als Pflegefachkraft in der Zeit vom 17. Mai 2016 bis 22. Mai 2016, vom 2. Juni 2016 bis 5. Juni 2016, am 20. und 22. Juni 2016, vom 24. Juni bis 25. Juni 2016, vom 7. Juli bis 10. Juli 2016, am 27. und 29. Juli 2016 und am 19. August 2016 nicht der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Renten- und Krankenversicherung, der sozialen Pflegeversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung unterlag.

Die Beklagte trägt auch die außergerichtlichen Kosten der Klägerin für das Berufungsverfahren. Im Übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist die Versicherungspflicht der Klägerin in ihren teils mehrtägigen, teils eintägigen Tätigkeiten als Pflegefachkraft in einem Krankenhaus in der Zeit von Mai bis August 2016 auf der Grundlage von Verträgen, die die Krankenhausträgerin (die Beigeladene zu 1) mit einer Unternehmergesellschaft (UG [haftungsbeschränkt]) geschlossen hatte. Deren alleinige Gesellschafter-Geschäftsführerin war die Klägerin.

Die 1963 geborene Klägerin erhielt im Jahr 1983 die Erlaubnis zur Ausübung des Berufs der Krankenschwester (Urkunde vom 31. August 1983 des Rats des Stadtbezirks der DDR). Sie errichtete am 15. April 2015 notariell die P UG (haftungsbeschränkt; UR-Nr. des Notars Dr. F in B, nachfolgend: P UG), zu deren Geschäftsführerin sie sich mit der Befugnis der Selbstkontrahierung bestellte und die als Gesellschaft mit beschränkter Haftung am 29. April 2015 ins Handelsregister des Amtsgerichts Frankfurt (Oder) mit dem Gegenstand der stationären und ambulanten Krankenpflege eingetragen wurde (HRB FF). Zum 1. Mai 2015 schloss sie mit der P UG einen unbefristeten Geschäftsführer-Anstellungsvertrag mit Einzelvertretungsbefugnis unter Vereinbarung einer monatlichen Grundvergütung von 2.800 € brutto und Gewinnbeteiligung.

Die Beklagte stellte nach Prüfung des versicherungsrechtlichen Status der Tätigkeit der Klägerin als Gesellschafter-Geschäftsführerin bei der P UG bestandskräftig fest, dass diese nicht im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt werde; es bestehe in dieser Tätigkeit keine Versicherungspflicht als abhängig Beschäftigte in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung (Bescheid vom 11. September 2015). Seit Mai 2016 beschäftigte die P UG eine Arbeitnehmerin, Frau S, geringfügig für eine monatliche Arbeitszeit von bis zu 16 Stunden unter Vereinbarung einer Stundenvergütung in Höhe von 28 € brutto (entspricht maximal 448 € brutto im Monat).

Die Beigeladene zu 1 ist eine in der Rechtsform der GmbH betriebene Trägerin eines Krankenhauses. Sie stellte die Versorgung ihrer Patienten grundsätzlich durch eigenes Personal sicher und kompensierte kurzfristige Personalengpässe durch die Beauftragung externer Pflegefachkräfte für konkrete Einsatztage und Einsatzzeiten. In der Zeit von Mai bis August 2016 schloss sie u.a. mit der P UG im Wesentlichen gleichlautende Dienstleistungsverträge (vgl. die Verträge vom 1. Mai 2016,...

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