Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. einstweiliger Rechtsschutz. Glaubhaftung des Anordnungsgrundes. Rechtsbeziehung und Wettbewerb zwischen gesetzlichen Krankenkassen. kein Verzicht. keine Rechtsschutzerleichterung gem § 12 Abs 2 UWG
Leitsatz (amtlich)
Auf die Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes kann im einstweiligen Anordnungsverfahren wegen der Untersagung von Maßnahmen der Mitgliederwerbung einer gesetzlichen Krankenkasse nicht verzichtet werden. Die Rechtsschutzerleichterungen des § 12 Abs 2 UWG gelten im sozialgerichtlichen Verfahren nicht.
Tenor
Auf die Beschwerden der Antragsgegnerin werden die Beschlüsse des Sozialgerichts Hamburg vom 3. März 2008 und vom 7. März 2008 geändert. Die auf den Erlass einer einstweiligen Anordnung gerichteten Anträge werden abgelehnt.
Die Antragstellerin trägt die Kosten der Verfahren in beiden Rechtszügen.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für die Beschwerdeverfahren auf jeweils 5.000,00 € festgesetzt.
Gründe
I.
Die Antragstellerin begehrt einstweiligen Rechtsschutz gegenüber Maßnahmen der Mitgliederwerbung der Antragsgegnerin.
Beide Beteiligte sind gesetzliche Krankenkassen. Während die Antragstellerin, die - eigenen Angaben zufolge etwa 4,7 Millionen Mitglieder hat - als Ersatzkasse bundesweit tätig ist und ihren Sitz in Hamburg hat, beschränkt sich der Tätigkeitsbereich der Antragsgegnerin, einer regional tätigen Innungskrankenkasse mit Sitz in S., auf die Bundesländer Saarland, Hessen und Rheinland-Pfalz.
Beginnend ab Mitte Januar 2008 ließ die Antragsgegnerin über verschiedene Rundfunksender einen Werbespot verbreiten, in dem sie - gerichtet an die Mitglieder der Antragstellerin sowie diejenigen der Barmer Ersatzkasse und weiterer namentlich nicht genannter Kassen (…und Co…) - unter Hinweis auf ihren derzeitigen Beitragssatz von 12,3 % und einer Ersparnis von "bis zu 600 € und mehr…" für einen sofortigen Kassenwechsel warb. Etwa zeitgleich begann sie damit, Werbeflyer mit dem Slogan "Wechseln und direkt sparen" zu verteilen, in denen je nach Einkommen bei einem Wechsel von der Antragstellerin zur Antragsgegnerin eine mögliche Ersparnis in Höhe von 264,00 € bis 950,40 € in Aussicht gestellt wurde. Unmittelbar nachdem sie hiervon Kenntnis erlangt hatte, forderte die Antragstellerin unter Hinweis auf einen unvollständigen, unwahren und damit irreführenden Inhalt dieser Werbung, der gegen die Gemeinsamen Wettbewerbsgrundsätze der Aufsichtsbehörden der gesetzlichen Krankenversicherung in der Fassung vom 9. November 2006 ≪Gemeinsame Wettbewerbsgrundsätze≫ und § 3 i.V.m. §§ 4,5 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb ≪UWG≫ verstoße, und im Hinblick auf eine Wiederholungsgefahr die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung. Dem kam die Antragsgegnerin nicht nach. Sie erklärte vielmehr unter dem 21. Januar 2008 hinsichtlich des Werbespots, dass das Sozialgericht für das Saarland bereits durch Beschluss vom 18. Januar 2008 "über den inhaltsgleichen, durchaus innovativen und mit erkennbaren Engagement konstruierten Vorwurf auf Antrag der AOK Saarland" entschieden und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung in vollem Umfange zurückgewiesen habe. Mit Schreiben vom 6. Februar 2008 erklärte sie hinsichtlich des Flyers, dass durch einen Beitragssatzvergleich, wie er hier vorgenommen werde, ein gut informierter und aufmerksamer Verbraucher nicht irre geführt werde, zumal es sich lediglich um die Angabe einer möglichen Ersparnis handele.
Daraufhin hat die Antragstellerin am 12. Februar 2008 (Werbespot - S 48 KR 317/08 ER) und am 19. Februar 2008 (Flyer - S 48 KR 382/08 ER) um einstweiligen gerichtlichen Rechtsschutz mit dem Ziel nachgesucht, der Antragsgegnerin die Verwendung des Werbespots bzw. des Flyers mit sofortiger Wirkung zu untersagen und hierzu vorgetragen, tatsächlich könnten die dort angesprochenen DAK-Versicherten durch einen Wechsel zur Antragsgegnerin nur eine erheblich geringere Summe sparen, als in den Werbeträgern angekündigt. Dies folge aus dem Umstand, dass zum 1. Januar 2009 das derzeitige Finanzierungssystem der gesetzlichen Krankenkassen in Umsetzung des Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-WSG) grundlegend reformiert werde. Danach werde von den Versicherten zukünftig ein von der Bundesregierung noch festzusetzender allgemeiner Beitragssatz erhoben, welcher in einen Gesundheitsfonds flösse, aus welchem dann die Krankenkassen im Wesentlichen finanziert würden. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt könne niemand mit Sicherheit sagen, in welchen Konstellationen und in welcher Höhe gesetzlich Krankenversicherte ab dem kommenden Jahr durch einen Wechsel ihrer Krankenversicherung Geld sparen könnten. Vor diesem Hintergrund könnten objektive Aussagen zu Beitragsersparnissen durch einen Wechsel von einer gesetzlichen Krankenkasse zu einer anderen nur auf Grundlage der derzeitigen Rechtslage - also bis zum 31. Dezember 2008 - getroffen werden. Wegen der in § 175 Abs. 4 Satz 2 Sozia...