Entscheidungsstichwort (Thema)
Einstweiliger Rechtsschutz gegen Vollstreckung einer Beitragsforderung
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Voraussetzungen dafür, die begehrte Vollziehung eines Beitragbescheids in Millionenhöhe auszusetzen, sind nicht erfüllt, denn von Gesetzes wegen entfällt bei der Entscheidung über Beitragspflichten die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs und der Klage. Allein die Höhe der Beitragsforderung und die mit der Zahlung für den Zahlungspflichtigen verbundenen ökonomischen Konsequenzen führen nicht zu einer unbilligen Härte, da es sich um die Erfüllung einer gesetzlich auferlegten Pflicht handelt.
2. Auf die Beschäftigungsverhältnisse der in Deutschland auf der Grundlage von Verträgen mit deutschen Unternehmen aus dem Bereich der Blech- und/oder Fleischverarbeitung zur Arbeitsleistung eingesetzten ungarischen Arbeitnehmer findet deutsches Sozialversicherungsrecht Anwendung.
Normenkette
SGG § 86b Abs. 1 Nr. 2
Verfahrensgang
SG Düsseldorf (Beschluss vom 25.07.2003; Aktenzeichen S 22 RA 157/03 ER) |
Tenor
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 25.07.2003 wird zurückgewiesen. Der Antragsteller trägt auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Der Streitwert wird auf 5.198.994,59 Euro festgesetzt.
Tatbestand
I.
Der Antragsteller begehrt einstweiligen Rechtsschutz gegen die Vollstreckung einer Beitragsnachforderung in Höhe von etwa 5,2 Millionen Euro.
Der Antragsteller ist ungarischer Staatsangehöriger mit Wohnsitz in M.… Er wurde im Juli 2002 von der Staatsanwaltschaft L… – u.a. – angeklagt, als Verleiher gewerbsmäßig Ausländer einem Dritten ohne Erlaubnis überlassen zu haben. Er habe ab 1995 in Ungarn verschiedene Kapitalgesellschaften gegründet oder übernommen, angeblich unselbständige Zweigniederlassungen dieser Gesellschaften in M… angemeldet und alle wesentlichen Aktivitäten dieser Unternehmen von dort aus als formeller bzw. faktischer Geschäftsführer bestimmt. Insbesondere habe er mit deutschen Unternehmen aus dem Bereich der Blech- und Fleischverarbeitung Verträge geschlossen, die als Werkverträge bezeichnet worden seien, bei denen es sich aber tatsächlich um – unerlaubte – Arbeitnehmerüberlassung gehandelt habe (Anklageschrift vom 16.07.2002). Während die als Mittäter angeklagten ungarischen Staatsangehörigen L… und I… durch Urteil des Landgerichts Köln vom 11.09.2000 rechtskräftig zu Freiheitsstrafen verurteilt wurden, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde, ist das Verfahren gegen den Antragsteller weiter rechtshängig. Der Antragsteller wurde aus der zunächst angeordneten Untersuchungshaft aus Gründen der Unverhältnismäßigkeit im November 2002 – zunächst vorläufig – entlassen. Später wurde der Haftbefehl aufgehoben (Beschluss vom 15.04.2003).
Die Antragsgegnerin ist aufgrund dieses Sachverhalts in ein Beitragsprüfungsverfahren eingetreten (§ 28p Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV)) und hat eine Beitragsnachforderung – einschließlich Säumniszuschlägen – von knapp 5,2 Millionen Euro festgestellt. Der Antragsteller habe als verantwortlich Handelnder der Firmen D… Kft, Dr. Q… N… und Partner Kft, N1… Kft und N2… Kft, alle Q-Straße 00 in M…, ungarische Arbeitnehmer deutschen Unternehmen zur Arbeitsleistung überlassen, ohne im Besitz der dafür nach dem Gesetz zur Regelung der gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung (Arbeitnehmerüberlassungsgesetz – AÜG) erforderlichen Erlaubnis zu sein. Als Entgelt zahlender Verleiher hafte er für die nach deutschem Sozialversicherungsrecht zu entrichtenden Gesamtsozialversicherungsbeiträge daher neben dem jeweiligen Entleiher als Gesamtschuldner (Bescheid vom 09.10.2002). Gegen diesen Bescheid legte der Antragsteller am 04.11.2002 Widerspruch ein (Widerspruchsschreiben vom 31.10.2002) und beantragte die Aussetzung der Vollziehung bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens. Die Antragsgegnerin lehnte die Aussetzung der Vollziehung ab (Bescheid vom 03.12.2002).
Der Antragsteller hat beim Sozialgericht (SG) Köln begehrt, im Wege der einstweiligen Anordnung die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs vom 31.10.2002 gegen den Beitragsbescheid vom 09.10.2002 herzustellen (Antragsschrift vom 22.05.2003). Er sei lediglich Geschäftsführer der Firma Dr. N… und Partner Kft gewesen. Den übrigen Firmen sei er bei ihren geschäftlichen Aktivitäten lediglich behilflich gewesen. Der Beitragsbescheid sei offensichtlich rechtswidrig. Arbeitnehmerüberlassung sei bisher nicht erwiesen. Außerdem sei eine persönliche Inanspruchnahme des Antragstellers für die vier ungarischen Firmen ausgeschlossen. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung sei erforderlich, weil das Hauptzollamt in E… die Vollstreckung aus dem Bescheid vom 09.10.2002 angekündigt habe. Diese Zwangsvollstreckung treibe ihn in den Ruin.
Die Antragsgegnerin meint, der Antragsteller habe in Deutschland ein Firmenkonsortium gegründet, die “N-Gruppe”, und sei als formeller bzw. faktischer Geschäftsführer aller Firmen aufgetreten. Bei den mit deutschen Unterneh...