Die Frage nach dem Bestehen einer Schwerbehinderteneigenschaft (§ 2 Abs. 1 und 2 SGB IX) oder einer Gleichstellung (§ 2 Abs. 3 SGB IX) eines Bewerbers ist wegen der daran anknüpfenden umfangreichen gesetzlichen Verpflichtungen für den Arbeitgeber zulässig. Zulässig ist auch die Frage danach, ob ein Antrag auf Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft gestellt worden ist.[1] Dabei ist es nach der bisherigen Rechtsprechung des BAG unerheblich, ob die Schwerbehinderung für die auszuübende Tätigkeit von Bedeutung ist. Das Fragerecht ist tätigkeitsneutral.[2] Das Fragerecht ist auch nach der Neuordnung des Schwerbehindertenrechts im SGB IX zu bejahen.[3] Gerade im öffentlichen Dienst ist der Arbeitgeber gehalten, schwerbehinderte Menschen bei gleicher Eignung bevorzugt zu berücksichtigen. Die bereits vor der Einstellung beginnenden, besonderen Pflichten des Arbeitgebers gemäß § 81 SGB IX können nicht erfüllt werden, wenn der Bewerber die Schwerbehinderung verschweigen darf. Es passt auch nicht in das System des gesetzlichen Schutzes der schwerbehinderten Menschen, wenn einzelne gewissermaßen über einen zweiten Weg die Einstellung bei einem bestimmten Arbeitgeber durch falsche Angaben erreichen könnten. Das Fragerecht besteht unabhängig davon, ob der Arbeitgeber die Pflichtquote gemäß § 71 SGB IX bereits erfüllt hat oder nicht.

Zu beachten ist aber andererseits auch das Benachteiligungsverbot in § 81 Abs. 2 SGB IX. Es besteht nunmehr ein Entschädigungsrisiko bei einer Ablehnung eines schwerbehinderten Bewerbers.[4] Die Vorschrift hat zur Konsequenz, dass bei der Fragestellung nunmehr größere Zurückhaltung angebracht erscheint. Die standardmäßige tätigkeitsneutrale Frage in Einstellungsfragebögen "Sind Sie schwerbehindert Ja/Nein" erscheint nicht ohne Risiko.

 
Praxis-Tipp

Auf weitgehend sicherer Seite sind Sie, wenn Sie die Einstellungsfrage tätigkeitsbezogen etwa wie folgt formulieren: „Können Sie diese Tätigkeit nicht oder nur eingeschränkt leisten, weil Sie schwerbehindert oder einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt sind?”

Ein Eingriff in die geschützte Privatsphäre und damit in jedem Fall unzulässig und falsch wäre die Frage, ob ein Bewerber beabsichtigt zu beantragen, als schwerbehinderter Mensch oder Gleichgestellter anerkannt zu werden.

Auch ohne ausdrückliche Nachfrage besteht eine Offenbarungspflicht des Arbeitenehmers, wenn er erkennen muss, dass er wegen seiner Behinderung die vorgesehene Arbeit nicht leisten kann oder die Behinderung für den vorgesehenen Arbeitsplatz von ausschlaggebender Bedeutung ist.[5] Kann der Arbeitgeber ohne weiteres erkennen, dass der Arbeitnehmer schwerbehindert ist, darf er den Arbeitsvertrag später nicht mit der Begründung anfechten, der Arbeitnehmer habe die Frage nach der Schwerbehinderteneigenschaft im Vorstellungsgespräch unzutreffend beantwortet.[6]

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