BAG, Beschluss vom 27.4.2022, 4 ABR 25/21
Leitsatz (amtlich)
Für die Eingruppierung von Leitenden Beschäftigten in der Pflege (Teil B Abschn. XI Ziffer 2 der Anlage 1 – Entgeltordnung (VKA) zum TVöD/VKA) gehen die Tarifvertragsparteien von einem "regelmäßig" mehrstufigen Organisations- und Leitungsmodell – Bereich/Abteilung, Station, Gruppe/Team – aus. Die Tätigkeitsmerkmale für die Leitenden Beschäftigten sind unabhängig davon anzuwenden, ob alle Hierarchieebenen vollständig vorgehalten werden. Ist dies nicht der Fall, ist durch Auslegung zu ermitteln, welche Leitungsebenen im Betrieb vorhanden sind.
Sachverhalt
Im vorliegenden Fall ging es um die Ersetzung der Zustimmung des bei der Arbeitgeberin (Antragstellerin) gebildeten Betriebsrats zur Umgruppierung einer Arbeitnehmerin. Die Arbeitgeberin betreibt ein Pflegeheim für ältere Menschen mit 6 "Wohnbereichen" mit jeweils zwischen 16 und 26 Bewohnern, fest zugeordneten Pflegekräften und einer Wohnbereichsleitung. Gemäß einer Stellenbeschreibung war die Stelle der Wohnbereichsleitung unmittelbar der Pflegedienstleitung, Heimleitung nachgeordnet und allen im Pflegedienst tätigen Mitarbeiter des Wohnbereiches übergeordnet. Die Aufgaben und Ziele der Stelle waren u. a. die Erfüllung der gemeinsamen Grundsätze zur Qualitätssicherung; personelle Pflichten, wie Personaleinsatzplanung und Arbeitsablaufgestaltung; Leitung der unterstellten Mitarbeiter und Überprüfung bzw. Korrektur deren Arbeit; Beteiligung an der Ausbildung von Schülern und Praktikanten; Koordinierung des Wohnbereichsgeschehens mit anderen Leistungsbereichen der Pflegeeinrichtung und die Gewährleistung einer wirtschaftlichen Betriebsführung. Die Wohnbereichsleitung schlägt zudem Dienstpläne für die Pflegekräfte vor, die jedoch von der übergeordneten Pflegedienstleitung überprüft, soweit erforderlich geändert und genehmigt werden.
Auf die Arbeitsverhältnisse fand der TVöD-VKA Anwendung.
Die Arbeitgeberin beantragte beim Betriebsrat mit Schreiben vom 7.1.2019 die Zustimmung zu der beabsichtigten Versetzung der Arbeitnehmerin K auf die Stelle der Wohnbereichsleitung für den Wohnbereich 5, in welchem es zum damaligen Zeitpunkt 26 Bewohner und nach dem Stellenplan 8,78 (Vollzeit-)Pflegekräfte gab. Zugleich beantragte die Arbeitgeberin die Zustimmung zur Eingruppierung der Mitarbeiterin in EG P 10 Stufe 6 TVöD/VKA. Ihrer Ansicht nach übe die Arbeitnehmerin die Funktion einer Teamleiterin i. d. S. aus; denn sie werde auf der untersten bei der Arbeitgeberin vorhandenen Leitungsebene tätig. Eine Stationsleitung sei in dem E-Heim nicht vorgesehen, sondern deren Aufgaben würden durch die übergeordnete Pflegedienstleitung wahrgenommen, der z. B. auch, was die Genehmigung von Dienstplänen betrifft, die Letztentscheidungsbefugnis obliege. Zudem seien der Arbeitnehmerin tatsächlich nur 6,64 Vollzeitkräfte unterstellt, was aufgrund der geringen Anzahl ein Indiz dafür sei, dass es sich bei dem Wohnbereich 5 nicht um eine Station im Tarifsinn handele.
Der Betriebsrat erteilte zwar die Zustimmung zur Versetzung, verweigerte sie jedoch für die Eingruppierung, da seiner Auffassung nach die Arbeitnehmerin als Stationsleitung i. S. d. EG P 12 TVöD/VKA tätig sei; denn die Wohnbereiche seien die kleinste organisatorische Einheit im Heim, so dass es sich hier um Stationen handele. Die Station "Wohnbereich 5" werde durch die Arbeitnehmerin geleitet, da ihr die fachliche Leitung obliege, sie für die Umsetzung des Pflegekonzeptes verantwortlich sei und die Dienstpläne erstelle.
Die Entscheidung
Der Zustimmungsersetzungsantrag der Arbeitgeberin hatte vor dem BAG keinen Erfolg. Das Gericht entschied, dass die Tätigkeiten der Arbeitnehmerin nicht den tariflichen Anforderungen der EG P 10 TVöD/VKA entspreche, da sie kein Team, sondern eine Station i. S. d. EG P 12 TVöD/VKA leite.
Das BAG führte hierzu aus, dass nach der Vorbemerkung Nr. 1 zum Teil B Abschnitt XI Ziffer 2 der Anlage 1 – Entgeltordnung (VKA) die Tarifvertragsparteien hinsichtlich des Aufbaus der Tätigkeitsmerkmale für Leitungskräfte in der Pflege von einer bestimmten Organisationsstruktur ausgegangen seien. Unterste Leitungsebene sei hiernach die "Gruppen- bzw. Teamleitung", während die Station die kleinste organisatorische Einheit darstelle. Es werde somit deutlich, dass die Eingruppierung von einem mehrstufigen, hierarchischen Organisations- und Leitungsmodell ausgehe. Dieses bestehe in den EG P 9 bis P 14 TVöD/VKA aus den 3 Ebenen: Gruppe/Team, Station und Bereich/Abteilung.
Entgegen der Auffassung der Arbeitgeberin könne die Tätigkeit einer Stationsleiterin auch dann übertragen sein, wenn in einer Einrichtung nicht alle Leitungsebenen vorhanden seien, welche die Tarifvertragsparteien der regelmäßigen Organisationsstruktur nach Vorbemerkung Nr. 1 zugrunde gelegt haben. Maßgebend sei, ob es sich bei der betreffenden Einheit um "die kleinste organisatorische" handele und diese von der Arbeitnehmerin mit den typischerweise einer Stationsleiterin obliegenden Aufgaben geleitet ...