Rz. 39
Der Antrag auf nachträgliche Zulassung einer Kündigungsschutzklage ist in 2-facher Hinsicht fristgebunden. Zum einen ist der Antrag nur innerhalb von 2 Wochen nach Behebung des Hindernisses zulässig (§ 5 Abs. 3 Satz 1 KSchG); zum anderen kann ein Antrag 6 Monate nach Ablauf der Klagefrist überhaupt nicht mehr gestellt werden. § 5 Abs. 3 Satz 2 KSchG enthält insoweit eine absolute Frist (näher Rz. 44). Versäumt der Arbeitnehmer eine der beiden Fristen, so gibt es keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand; ein Antrag auf nachträgliche Zulassung ist als unzulässig zu verwerfen.
Rz. 40
Die 2-wöchige Antragsfrist (§ 5 Abs. 3 Satz 1 KSchG) läuft ab dem Zeitpunkt, in dem das Hindernis, das einer rechtzeitigen Klageerhebung entgegenstand, objektiv behoben wurde.
Maßgeblich ist auch hier ein subjektiver Beurteilungsmaßstab: Die Antragsfrist beginnt spätestens, sobald der Arbeitnehmer weiß, dass das Hindernis weggefallen ist. Sie kann allerdings auch schon ab einem früheren Zeitpunkt laufen, wenn das Hindernis tatsächlich behoben wurde und der Arbeitnehmer dies unter Anwendung der ihm zumutbaren Sorgfalt hätte erkennen können. Dies gilt auch hinsichtlich der versäumten Klagefrist selbst: Die Antragsfrist läuft, sobald der Arbeitnehmer bei gehöriger Sorgfalt erkennen muss, dass eine Klagefrist versäumt wurde und die nachträgliche Zulassung innerhalb einer bestimmten Frist zu beantragen ist. Entscheidend ist das Bewusstsein über die versäumte Frist selbst, nicht über ihre Ursache. Wenn nach dem Eintritt der Fristversäumung dem Arbeitnehmer tatsächliche Umstände vorliegen, die eine positive Kenntnis vermitteln oder bei ihm zumindest Zweifel aufkommen lassen, kann das Weiterbestehen des Hindernisses nicht mehr als unverschuldet angesehen werden.
Ein vom Prozessbevollmächtigten zu vertretendes Versäumnis der Antragsfrist wird dem Arbeitnehmer nach h. M. wie eigenes Verschulden zugerechnet; der Gesetzgeber hat zuletzt auf eine Regelung dieser umstrittenen Frage verzichtet.
Lässt sich die Einhaltung der Antragsfrist nicht feststellen, da z. B. unklar bleibt, wann der Arbeitnehmer vom verspäteten Eingang seiner Kündigungsschutzklage erfahren hat, ist der Antrag auf nachträgliche Zulassung als unzulässig zu verwerfen.
Rz. 41
Das Hindernis kann bereits vor Ablauf der Klagefrist nach § 4 KSchG behoben sein; in diesen Fällen kommt eine nachträgliche Zulassung nur in Betracht, wenn der Arbeitnehmer innerhalb dieser 3-Wochen-Frist objektiv keine Klage mehr einreichen konnte.
Rz. 42
Im Übrigen handelt es sich um eine prozessuale Frist; sie wird unterbrochen, wenn das Verfahren aufgrund richterlicher Anordnung ruht und beginnt bei Wiederaufnahme des Verfahrens von Neuem zu laufen (§ 249 ZPO).
Rz. 43
Eine Besonderheit stellt der Kündigungsschutz für schwangere Arbeitnehmerinnen dar. Art. 10 RL 92/85 verpflichtet die Mitgliedstaaten, die Kündigung schwangerer Arbeitnehmerinnen grundsätzlich zu verbieten. Nach Art. 12 RL 92/85 muss der Schutz dabei in der Art und Weise ausgestaltet sein, dass der schwangeren Arbeitnehmerin ein effektiver gerichtlicher Schutz geboten wird. Insbesondere muss dieser Schutz praktisch und wirksam sein sowie eine "abschreckende Wirkung" für den Arbeitgeber beinhalten. Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH dürfen dabei die Verfahrensmodalitäten für Klagen, die den Schutz solcher aus dem Unionsrecht entstammenden Rechte gewährleisten sollen, nicht weniger günstig sein als die für entsprechende innerstaatliche Klagen (Grundsatz der Äquivalenz). Außerdem darf die Ausübung der durch das Unionsrecht verliehenen Rechte nicht übermäßig erschwert oder gar unmöglich gemacht werden (Grundsatz der Effektivität). Die 2-Wochen-Frist des § 5 Abs. 3 Satz 1 KSchG ist dabei wohl nicht mit dem Grundsatz der Effektivität vereinbar. Die Geltendmachung des unionsrechtlichen Kündigungsschutzes für schwangere Arbeitnehmerinnen wird mit dieser Vorschrift entgegen Art. 10 und 12 RL 92/85 übermäßig erschwert. Der EuGH begründet seine Rechtsprechung u. a. damit, dass die Frist des § 5 Abs. 3 Satz 1 KSchG nochmals kürzer ist als die bereits kurze Klagefrist nach § 4 Satz 1 KSchG und dass sich der Fristbeginn mit "Behebung des Hindernisses" nicht eindeutig bestimmen lässt. Art. 10 und 12 RL 92/85 stehen daher der nationalen Regelung in § 5 Abs. 3 Satz 1 KSchG entgegen. Die Rechtslage ist bis zu einer Reaktion des deutschen Gesetzgebers nicht völlig eindeutig. Die Arbeitsgerichte werden § 5 Abs. 3 Satz 1 KSchG bis dahin unionsrechtskonform auslegen müssen. In Betracht kommt z. B. eine Frist analog zu der 3-wöchigen Klagefrist aus § 4 Satz 1 KSchG.
Rz. 44
Der Antrag auf nachträgliche Zulassung ist grds. mit der Kündigungsschutzklage zu verbinden. Der Arbeitnehmer kann jedoch auch zunächst nur den Zulassungsantrag einreichen und erst später die Kündigungsschutzklage erheben, solange dies innerhalb der 2-wöchigen Antragsfrist geschieht. Der Arbeitnehmer kann eine Kündigungsschutzklage auch erst im ...