LAG Köln, Urteil vom 2.5.2024, 6 Sa 274/23
Versäumt der Kläger nicht nur die Klagefrist nach § 4 KSchG, sondern nimmt er darüber hinaus auch noch die später erhobene Kündigungsschutzklage zurück, so hat er das Recht verwirkt, sich später auf die Unwirksamkeit der Kündigung nach § 174 BGB zu berufen.
Sachverhalt
Der Kläger war seit dem 1.2.2022 bei der Beklagten beschäftigt. Mit Schreiben vom 19.2.2022, einem Samstag, das dem Kläger am gleichen Tag persönlich übergeben worden ist, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 7.3.2022 "innerhalb der Probezeit". Dem Kündigungsschreiben war ein weiteres Schreiben (wohl in Kopie) mit dem Datum vom 18.5.2021 beigefügt. Dieses war von beiden Geschäftsführern der Beklagten unterzeichnet und enthielt die Information, dass der Hausleiter, Herr A. S. berechtigt sei, selbstständig Einstellungen und Entlassungen vorzunehmen.
Nachdem mit Schreiben vom 23.2.2022 der Kläger die Kündigung mangels Vorlage einer Originalvollmacht unter ausdrücklicher Bezugnahme auf § 174 BGB zurückwies, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis abermals mit Schreiben vom 8.3.2022 zum 23.3.2022. Dabei wich das Schriftbild unter der 2. Kündigung deutlich von dem der 1. Kündigung ab.
Der Kläger erhob Klage gegen beide Kündigungen, welche seit dem 5.3.2022 beim Arbeitsgericht anhängig war. Nach einem Hinweis des Arbeitsgerichts, dass die Klage gegen die 1. Kündigung nach dem Maßstab des § 4 KSchG zu spät erhoben worden sei, hat der Kläger mit einem weiteren Schriftsatz von Mitte April, somit erst 6 Wochen später, den Antrag aus der Klageschrift, mit dem er sich gegen die Kündigung vom 19.2.2022 gewandt hatte, zurückgenommen und beantragte nun nur noch festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 8.3.2022 nicht aufgelöst worden sei.
Die Entscheidung
Die Klage hatte einen Erfolg. Das Gericht entschied, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien aufgrund der fristgerechten und wirksamen Probezeit-Kündigung der Beklagten vom 19.2.2022 bereits zum 7.3.2022 beendet worden sei, so dass der Kläger keinen Anspruch auf Feststellung mehr hatte, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 8.3.2022 nicht beendet worden war; denn da das Arbeitsverhältnis nicht mehr bestanden hatte, war die Kündigungsschutzklage gegen die Kündigung vom 8.3.2022 unbegründet.
Das Gericht führte aus, dass es vorliegend unerheblich sei, ob die Kündigung unter einem formal- oder materiell-rechtlichen Mangel gelitten habe; denn der Kläger hatte das Recht, sich auf die Unwirksamkeit der Kündigung zu berufen, nach dem Maßstab des § 242 BGB verwirkt.
Zum einen hatte der Kläger die Klagefrist des § 4 KSchG verstreichen lassen, so dass er durch "Nichtstun" eine gesetzliche Fiktion, die rückwirkend geltende Wirksamkeit der Kündigung, hatte eintreten lassen.
Zum anderen hatte er aktiv dem Gericht und der gegnerischen Prozesspartei zum Ausdruck gebracht, dass er sich gegen die Wirksamkeit der Kündigung vom 19.2.2022 nicht mehr wehren werde. Somit ging es hier nicht um einen Fall der Fristversäumnis oder der Klagerücknahme, sondern um den kumulativen Fall der Fristversäumnis und der Klagerücknahme. Insofern lagen beide Voraussetzungen der Verwirkung, das Zeitmoment und das Umstandsmoment, dadurch vor, dass der Kläger nicht nur die 3-Wochen-Frist des § 4 KSchG hatte verstreichen lassen (Zeitmoment), sondern er hatte auch zusätzlich durch die Klagerücknahme die Rechtsfolge des § 7 KSchG noch einmal bestätigend ausgelöst (Umstandsmoment).