Fahrtkostenerstattung: Wann liegt ein Arbeitgeber-Sammelpunkt vor?
Beschäftigte können für Fahrten zu ihrer ersten Tätigkeitsstätte nicht die tatsächlichen Aufwendungen, sondern lediglich Werbungskosten nach Maßgabe der Entfernungspauschale geltend machen (0,30 bzw. 0,35 Euro je Entfernungskilometer). Ein steuerfreier Arbeitgeberersatz ist ausgeschlossen. Das Gleiche gilt, wenn Mitarbeitende zwar keine erste Tätigkeitsstätte haben, aber auf Weisung ihres Arbeitgebers einen sogenannten Sammelpunkt aufsuchen müssen.
Arbeitgeber-Sammelpunkt gesetzlich definiert
Ein Sammelpunkt im Sinne des Einkommensteuergesetzes liegt vor, wenn die Beschäftigten nach den arbeitsrechtlichen Festlegungen und den diese ausfüllenden Weisungen und Absprachen zur Aufnahme ihrer beruflichen Tätigkeit dauerhaft denselben Ort (betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers) typischerweise arbeitstäglich aufsuchen.
Entscheidend für die Annahme eines Sammelpunkts ist, dass die Verpflichtung der Mitarbeitenden, sich an einem bestimmten Ort, an dem keine erste Tätigkeitsstätte begründet wird, einzufinden, auf eine Entscheidung des Arbeitgebers zurückgeht, die er in Ausübung seines Direktionsrechts getroffen hat.
Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn Mitarbeitende zwingend in den Betrieb oder eine Betriebsstätte ihres Arbeitgebers kommen müssen, um ihre Arbeit aufnehmen zu können. Gleiches gilt, wenn der Arbeitgeber einen Treffpunkt außerhalb des Betriebs festlegt, an dem sich die Beschäftigten arbeitstäglich einfinden müssen, weil sie von dort aus durch einen vom Arbeitgeber organisierten Transport zu ihrem eigentlichen Einsatzort befördert werden. Weitere Erläuterungen und Beispiele dazu enthält das BMF-Schreiben zu den Reisekosten vom 25. November 2020 (IV C 5 - S 2353/19/10011 :006).
Wichtig: Auf die Berücksichtigung von Verpflegungspauschalen oder Übernachtungskosten als Werbungskosten oder den steuerfreien Arbeitgeberersatz hierfür hat die Festlegung als Sammelpunkt keinen Einfluss, da die Mitarbeitenden weiterhin außerhalb einer ersten Tätigkeitsstätte und somit auswärts beruflich tätig werden.
Was bedeutet "typischerweise arbeitstäglich"?
Bei mehreren Finanzgerichten und zuletzt auch beim Bundesfinanzhof (BFH) war die Frage anhängig, wie der Gesetzeswortlaut "typischerweise arbeitstäglich" bei der Prüfung eines Sammelpunktes auszulegen ist.
Das Sächsische Finanzgericht hatte bereits entschieden (Urteil vom 14. März 2017, 8 K 1870/16), dass eine typischerweise arbeitstägliche Anfahrt zu einem Sammelpunkt auch dann anzunehmen sein kann, wenn zwar die Anfahrt nicht an jedem Arbeitstag stattfindet, jedoch immer dann, wenn der Mitarbeitende von seinem Wohnort aufbricht, um seine Arbeit zu verrichten.
Arbeitstäglich heißt nicht ausnahmslos
Diese Auffassung hat der BFH nun im Grundsatz bestätigt, aber zugleich eine Negativabgrenzung festgelegt (Urteil vom 19.04.2021 - VI R 6/19):
Ein "typischerweise arbeitstägliches" Aufsuchen erfordert kein ausnahmsloses Aufsuchen des vom Arbeitgeber festgelegten Orts oder Gebiets an sämtlichen Arbeitstagen des Arbeitnehmenden. Ein nach Weisung "typischerweise fahrtägliches" Aufsuchen genügt aber nicht.
Im Urteilsfall war der Kläger als Baumaschinenführer angestellt. Zu den jeweiligen Baustellen gelangte er im Streitjahr entsprechend einer betriebsinternen Anweisung jeweils vom Betriebssitz aus mit einem Sammelfahrzeug seines Arbeitgebers. Dies betraf sowohl Fahrten mit täglicher Rückkehr als auch Fahrten zu sonstigen Arbeitsorten, an denen der Kläger (mehrtägig) übernachtete. Die Einsätze auf den "Fernbaustellen" dauerten in der Regel die gesamte Woche. Die Fahrtkosten zum Betrieb machte der Kläger als Reisekosten geltend. Er hatte an 145 Tagen den Arbeitgebersitz aufgesucht, um von dort seine berufliche Tätigkeit aufzunehmen und diese Fahrten mit der Kilometerpauschale von 0,30 Euro je gefahrenen Kilometer in seiner Steuererklärung angesetzt. Das Finanzamt berücksichtigte die Fahrten nur mit der Entfernungspauschale.
Nach dem Urteil des BFH ist es nicht maßgebend, dass der Mitarbeitende den vom Arbeitgeber bestimmten Ort oder das Gebiet im Veranlagungszeitraum ausnahmslos aufzusuchen hat. Es kommt auch nicht darauf an, ob eine bestimmte prozentuale oder tageweise Grenze überschritten wird. Maßgebend ist vielmehr, ob der Arbeitnehmende entsprechend der Weisung des Arbeitgebers den Ort in der Regel aufzusuchen hat.
Ausnahmen sind mithin möglich wie z. B. infolge einer Fortbildungsveranstaltung oder eines unvorhergesehenen Einsatzes.
Abgrenzung: Fahrtäglich reicht nicht aus
Nicht ausreichend ist es nach Ansicht des BFH jedoch, wenn der Mitarbeitende bei wechselnden Einsatzorten weiß, dass er an jedem Arbeitstag, an dem er Fahrten von seiner Wohnung aus durchführen wird, immer den vom Arbeitgeber festgelegten Ort vor Aufnahme seiner beruflichen Tätigkeit aufzusuchen hat.
Im zweiten Rechtsgang soll das Finanzgericht nun aufklären, ob der Kläger gemäß den Weisungen des Arbeitgebers bei einer vorausschauenden Betrachtung den Betriebssitz seines Arbeitgebers typischerweise arbeitstäglich aufsuchen sollte. Dabei wird es u.a. entscheidend darauf ankommen, ob von vorneherein feststand, dass der Kläger nicht nur auf eintägigen Baustellen eingesetzt werden würde, sondern auch auf mehrtägigen Fernbaustellen. In diesem Fall läge von vorneherein kein typischerweise arbeitstägliches Aufsuchen des Betriebssitzes des Arbeitgebers vor.
Weitere Fälle ohne Sammelpunkt
Nach einer rechtskräftigen Entscheidung des Niedersächsischen Finanzgerichts ( Urteil vom 15.06.2017 - 10 K 139/16) sucht ein Fernfahrer, der lediglich zwei bis drei Tage pro Woche seine Fahrtätigkeit am Firmensitz seines Arbeitgebers beginnt und die übrige Zeit mehrtägige Fahrten unternimmt, nicht typischerweise arbeitstäglich den Firmensitz seines Arbeitgebers zur Aufnahme seiner beruflichen Tätigkeit auf.
Für das Finanzgericht Nürnberg (Urteil vom 13. Mai 2016, 4 K 1536/15) steht fest, dass beim Aufsuchen einer betrieblichen Einrichtung des Arbeitgebers an nur einem Tag in der Woche gerade nicht die Voraussetzungen eines Sammelpunkts vorliegen.
Auch wenn es laut BFH keine Tages- oder Prozentgrenze gibt, dürften vorstehende Entscheidungen zumindest im Ergebnis mit der BFH-Auffassung im Einklang stehen.
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